Kapitel 1

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Lanas P.O.V.

„Lana! Essen ist fertig!", ruft Karin, meine Pflegemutter durch das ganze Haus. Aber ich reagiere nicht, so wie immer.

Wahrscheinlich sitzen sie alle schon am Tisch und warten nur noch auf mich. Eigentlich sollten sie es besser wissen. Das ganze Jahr, das ich schon hier bin, habe ich mich kaum mit ihnen unterhalten. Auch sonst bin ich allein in meinem Zimmer.

Entweder ich horche ihre Gespräche aus oder ich arbeite an der halbverbrannten Formel. Aber noch immer konnte ich sie nicht vollständig wiederherstellen. So langsam läuft mir aber die Zeit davon. Bald muss ich anfangen das Serum herzustellen, denn ich habe nicht mehr viel auf Vorrat.

Ich darf es aber nicht soweit kommen lassen, dass ich eines Tages ohne Serum dastehe. Ich will mir gar nicht denken, was passiert, wenn ich es bis dahin nicht schaffe.

Noch habe ich genug, um mich noch einige Monate durchzubringen, aber darauf will ich mich nicht verlassen.

Wer sagt denn, dass die Formel auch vollständig ist? Was ist, wenn ich sie falsch vervollständige? Ich brauche sicherlich einige Anlaufe, um ein voll funktionstüchtiges Serum herzustellen.

Die Frage des Zeitpunktes sei mal dahingestellt. Ich brauche noch immer die nötigen Zutaten und einen Ort, am besten ein Labor mit der nötigen Ausstattung, um überhaupt anfangen zu können.

Meine Konzentration richte ich wieder auf mein Heft vor mir, als sich die Tür zu meinem Zimmer öffnet. Mit stampfenden Schritten kommt jemand in mein Zimmer.

Sofort schlage ich mein Heft zu und lege meine Hände schützend darüber. Ich drehe mich aber nicht um. Sobald die Person in mein Sichtfeld tritt, erkenne ich meinen Pflegebruder Jakob.

Er bleibt neben meinem Stuhl stehen und schaut mich gespannt an. In der Hoffnung, ich würde eine Reaktion von mir geben.

Für ihn scheint es so, als ob ich einfach nur auf meine Hände schaue. Dabei verfolge ich jeden seiner Schritte in dem kleinen Spiegel auf meinem Schreibtisch, den ich schlecht sichtbar in die Ecke getan habe.

Auch wenn die gesamte Familie wirklich nett ist, werde ich meine Devise nicht brechen. Sie und alle anderen Personen in meinem Umfeld sollen sich von mir fernhalten. Ich werde hier nicht viel länger bleiben als nötig.

Ich bin hier eigentlich schon zu lange geblieben, aber aus welchem Grund auch immer hat mich mein Rudel falsch verstanden und ist untergetaucht. Ich finde sie nicht und ich kann mich draußen nicht verstecken, nach ihnen suchen und gleichzeitig an dem Serum arbeiten. Deswegen bleibe ich erst einmal hier und arbeite am Serum.

Meine Pflegefamilie sind Werwölfe und gehören auch dem hiesigen Rudel an. Aber aus einem mir nicht ersichtlichen Grund leben sie weit vom Rudelgelände. Dennoch werden sie über wichtige Aktivitäten im Rudel und bezüglich fremder Wölfe auf dem Laufenden gehalten. So kann ich auch nach meinem Rudel suchen.

Denn so wie mein Rudel aussieht und sich verhält, würden sie auf jeden Fall alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Außerdem wissen sie ungefähr, wo ich bin. Deswegen ist die Wahrscheinlichkeit auch hier auf sie zu treffen sehr viel höher, als wenn ich planlos durch die Gegend laufe. Zumal sie auch sicherlich nach mir suchen. Entweder sie wurden zwischenzeitlich aufgehalten und waren deswegen seit einem Jahr nicht mehr hier, oder, daran will ich gar nicht denken, sie sind nicht mehr da.

Meiner Familie spiele ich diese Rolle schon seit einem Jahr vor.

Eigentlich ist es gar nicht so schwer, wenn da nicht immer die Angst wäre, einen Fehler zu machen und sich zu verraten.

Das Wispern eines WolfesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt