Das Wispern eines Wolfes

Kapitel 22

Lanas P.O.V.

Die letzten Tage verliefen relativ ruhig. Es gab weder Überraschungsbesuche von Adam, noch hatte ich das Gefühl beobachtet zu werden. So liefen alle Tage fast gleich ab. Morgens und abends essen wir gemeinsam mit Malaika, John und Aleeko. Sobald Malaika und John morgens zur Arbeit fahren, bringen Jakob und ich Aleeko zum Kindergarten und unternehmen dann den ganzen Tag über etwas. Wir schauen fern, Jakob erzählt mir Witze und wir gehen auch zum Park. Oft haben wir auch lange Spaziergänge durch die Gegend unternommen. Jetzt sind wir auf dem Weg zur Bücherei.

„Ich lese nicht so viel. Bin viel zu ungeduldig dafür."

Den Kopf schief legend schaue ich ihn an. Wie kann man zu ungeduldig sein, um zu lesen? Ich wollte schon immer einfach nur in einem Bett liegen und ein Buch lesen, als ich jünger war.

„Schau mich nicht so an!", ruft Jakob und wendet den Blick ab, sodass ich sein Gesicht kaum noch sehen kann. Aber ich sehe dennoch, dass sich seine Ohren rot verfärben.

Nach einigen Minuten schaut er kurz zu mir rüber, als er meinen Blick auf sich sieht seufzt er und fährt durch die Haare.

„Jedes Mal, wenn ich ein Buch angefangen habe und es mir wirklich gefiel, habe ich entweder das letzte Kapitel gelesen oder die letzte Seite. Hat keinen Sinn ergeben, aber ich wollte wissen, wie das Buch endet."

Ohne mich anzuschauen zuckt er mit den Schultern und geht schneller. Ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen und ich kichere. Lasse ihn dann aber wieder in Ruhe.

Den Rest des Weges spricht er von der Bücherei und den vielen Büchern, die es dort gibt. Meidet dabei bewusst seine Kindheit.

In der Bücherei schaut er mich unsicher an und beißt sich auf die Lippe, bevor er mich an der Hand in die Fantasy Abteilung führt.

„Ich lese gerne Bücher über Übernatürliche. Vampire, Werwölfe, Drachen, Zauberer. Hier gibt es alles!"

Interessiert schaue ich ihn an. Ich hätte ihn nicht als einen Bücherwurm eingeschätzt. Jedenfalls nicht von Fantasy Büchern, da er selbst ein Werwolf ist.

Welcher Werwolf liest fiktive Geschichten über seine eigene Rasse, die nicht einmal stimmen? Ich gehe nämlich nicht davon aus, dass Menschen auch nur den kleinsten Wissen über die Übernatürliche Welt haben. Nicht mit wahren Fakten.

Es ist verboten mit einem Menschen über unsere Welt zu sprechen. Sollte ein Mensch, aus welchem Grund auch immer, davon Kenntnis erlangen, wird er zu einem Leben fern von Menschen gezwungen. Bei Kenntnis von Werwölfen lebt er in einem Rudel, wobei es distanziert von den Wölfen selbst geschieht.

Wölfe sind Rudeltiere und können Einsamkeit nicht lange aushalten, aber Menschen mögen sie nicht. Vielmehr wird dieser Mensch als Außenseiter behandelt und nicht in seltenen Fällen absichtlich getötet oder in den Tod getrieben.

Auf meinen Blick hin zuckt Jakob nur mit den Schultern und dreht mich mit leisem Grummeln zum Regal.

„Ich glaube nicht daran, wenn es das ist, was du denkst. Es erscheint mir nur absurd und daher witzig, wie Autoren Welten aufbauen, in denen es Gestaltwandler und Märchenfiguren geben."

Mit seinen Händen auf meiner Schulter hindert er mich daran mich wieder zu ihm umzudrehen. Also versuche ich es gar nicht.

„Du kannst hier so lange sitzen und lesen, bis die Bücherei schließt. Eigentlich könnten wir dir auch ein Ausweis ausstellen lassen, aber dafür brauchen wir die Unterricht von Papa." Er erstarrt und seine Finger verkrampfen sich. Ohne es zu bemerken, krall er sich etwas in meinen Schultern fest. Es ist aber nicht schmerzhaft.