Dem Tod so nah

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K A D E N
S C O T T

Vorsichtig hob ich die wimmernde Vanessa in meine Arme, wie im Bräutigamstyle. Ich rannte um unser beider Leben in die Dunkelheit, während ich unter meinen Füßen fühlte, wie sie immer näher kamen...

Ich hatte die RCOD und die chinesische Mafia abgehängt und trug Vanessa nun in eine Ruine. Hier wurde wohl ein Haus vor langer Zeit abgerissen, aber ein Neues war nie entstanden. Wie auch in dieser Gegend?

Vorsichtig setzte ich Vanessa so ab, dass sie sich an die herunterkommende Wand lehnen konnte. Es war kein Ansatz von einem Dach zu sehen, aber die großen Steinplatten boten uns Schutz.

"Kaden, es tut so weh!", weinte Vanessa und verzog ihr Gesicht schmerzvoll.

"Ich weiß. Es wird alles gut", versuchte ich sie zu beruhigen und band mein T-Shirt von ihrem Knie. Die Wunde sah noch immer übel aus und die Blutungen wurden durch mein T-Shirt kaum gestoppt. "Hast du zufällig Alkohol dabei?"

"Klar, immer. In - in meiner - meiner Handtasche", keuchte sie.

Natürlich hatte sie welches. Schnell kramte ich in ihrer kleinen Tasche und zog eine winzige Alkoholflasche heraus. Zum Glück stach mir eine Taschentuchpackung ins Auge, woraus ich sofort ein Taschentuch nahm. Hastig öffnete ich die Alkoholflasche und tat das Taschentuch an die Öffnung. Das Taschentuch wurde von dem Alkohol vollgetränkt, welches ich schnell auf Vanessa's blutendes Knie presste. Vanessa schrie auf und zerdrückte meine Hand, doch das war okay. Ich war für sie da und musste sie um alles in der Welt beschützen. Vanessa war mir sehr wichtig.

Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, ob Alkohol wirklich so gut für die Wunde war. Die einen sagten, Alkohol wäre gut für die Desinfektion der Wunde, aber die anderen sagten, dass das nur das Gewebe zerstören würde, weshalb ich noch nach Desinfektionsspray in Vanessa's Tasche kramte. Natürlich wurde ich fündig. Ich denke nach ihrem Handy waren Alkohol und Desinfektionsspray die zwei wichtigsten Gegenstände in Vanessa's glamourösen Leben. Ich fühlte mich sicherer, als ich mit gutem Gewissen das Desinfektionsspray auf ihre tiefe Wunde am Knie sprühte. Ich musste ihre Hand ertragen, die meine zerquetschte, aber das war mir gleichgültig. Ich wollte einfach nur, dass es ihr besser ging und dafür würde ich alles opfern. Wirklich alles. Doch die Wunde hörte nicht auf zu bluten und so langsam bekam ich panische Angst, das Vanessa verbluten könnte, sodass ich nach meiner Reinigung wieder mein schon von Blut getränktes T-Shirt fest um ihr Knie band.

Vanessa biss sich auf die Unterlippe, meine Hand hielt sie noch immer fest. "Verdammt, was sollen wir jetzt machen? Ich bin so dumm! Ich hasse mich!"

Ich griff nach meinem Handy und gab Dean Bescheid, das wir in Schwierigkeiten sreckten und sie uns hier irgendwie aus diesem Viertel Miamis rausbekommen mussten, doch ich hatte Zweifel. Die RCOD und die chinesische Mafia hatten bestimmt schon längst alles abgesichert und gesperrt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie uns finden und töten würden. Sollten wir in Bewegung bleiben oder hier in diesem Drecksloch vergeblich auf die Kämpfer warten? Zwei Mafias auf einen Haufen waren gefährlich und der Gedanke, dass sich ein Kämpfer für uns opfern würde, machte mich verrückt. Wir konnten nicht einfach hier sitzten bleiben und nichts tun.

Spontan entschloss ich mich für den richtigen Beschluss. "Vanessa, wir müssen weiter", sagte ich trocken und stand auf.

Sie nickte einsichtig und wischte sich ihre Tränen beiseite. Vanessa musste vor Schmerz wie betäubt, fast wie gelähmt sein. Dieser Anblick zerriss mich innerlich und ich wünschte, dass ich ihr ihren Schmerz nehmen könnte.

Vorsichtig nahm ich sie hoch, so als würde ich meine Braut über die Schwelle tragen. Vanessa keuchte vor Schmerz und von meinem weißes T-Shirt, das ich wieder straff um ihr Knie gebunden und verknotet hatte, war nichts mehr zu sehen. Es hatte die Farbe eines tiefen Rots angenommen. Das Blut tropfte bereits auf den Boden. Nicht einmal mein T-Shirt konnte die Blutungen stoppen und ich hatte Angst, dass Vanessa's Blut uns verraten würde und sie uns so folgen könnten.

"Alles wird gut, versprochen", beruhigte ich Vanessa, die vor Angst zitterte. "Ich bringe dich nach Hause."

Ich trat mit Vanessa im Arm aus der Ruine, die einst ein ärmliches Haus war. Wachsam blickte ich mich um. Als die Luft rein war, zögerte ich nicht und lief mit schnellen Schritten in die Richtung, wo der Himmel von Lichtern erleuchtet wurde. Dort war die Hauptstadt Miamis.

Ich stoppte aprupt, drehte mich um und lief mit Vanessa in den Armen in die andere Richtung. Die RCOD hatte ganz Miami unter ihrer Gewalt. In der Innenstadt würden sie uns erstrecht finden. Mein einstiges zu Hause war nicht mehr sicher. Unsere einzige Chance zu überleben, war in das Kammpfstudio Scott zu gelangen. Ich hoffte, dass Dean und unsere Jungs bereits auf dem Weg waren. Alles was reichen würde, war, wenn sie uns entgegenkommen würden. Ich wollte nicht, dass jemand von meiner Familie hier in dieses Viertel kam und sein Leben riskierte. Vanessa und ich mussten da alleine durch.

"Kaden, du hast mir vorher nur eine Frage bei Wahrheit oder Pflicht beantwortet", sagte Vanessa schwach in meinen Armen.

Ich sah verwirrt zu ihr und zischte wütend: "Vanessa, ist das dein Erst?! Wir befinden uns grade auf der Flucht, beten für unser Leben, du leidest unter schrecklichen Schmerzen und alles was du zu sagen hast, ist, dass du Wahrheit oder Pflicht spielen willst?!"

Mühsam zog sie ihre Mundwinkel nach oben. "Kaden, bitte beantworte mir eine Frage. Die Wahrheit", flüsterte Vanessa und ich merkte, wie sie immer schwächer wurde.

Ihr Gesicht war bleich und ihr Körper zitterte. Sie hatte sich an meine nackte Brust geschmiegt, um Wärme zu erhalten, denn ihr Körper war völlig unterkühlt.

"Kaden, liebst du sie noch immer?", hauchte sie.

Ich blieb aprupt stehen und sah in ihre braunen Augen, die mich mühsam versuchten anzublicken. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und mein Magen stach, als würde er sich selbst zerstören wollen. Doch bevor ich antworten konnte, hörte ich das Laden einer Pistole. Wir zuckten zusammen und Vanessa krallte sich an mich.

"Dreht euch um!", dröhnte die Stimme von Zane, dem Gangster von Braden Black, in meinem Ohr. "Oder ich schieße!"

Ein kalter Schauer über den Rücken. Nein! Das konnten wir nicht! Die Gefahr war zu groß, dass sie mich erkennen würden! Und schießen würden sie so oder so, sonst wären sie nicht die RCOD.

"Ich zähle bis drei!", warnte der RCOD Gangster und ich hatte das Gefühl sein kalter Atem würde meinen Nacken streifen.

Ich hielt Vanessa ganz fest. Ich musste sie um alles in der Welt beschützen, doch was sollte ich tun? Weglaufen oder Umdrehen? Hitze stieg in mir auf und Schweiß tropfte von meinem nackten Oberkörper und Gesicht.

"Eins!"

Panik und die Todesangst erfassten mich.

"Zwei!"

Nun pumpte mein Herz Adrenalin durch meinen Körper und ich hatte das Gefühl nicht mehr atmen zu können.

"Dr - "

Ich sprintete los. Noch nie in meinem Leben hatten mich meine Beine so schnell getragen wie in dieser Nacht...

Doch ein Schuss ertönte...

Plötzlich wurde ich von einem Schmerz in meinem Oberarm beherrscht. Ich hörte Vanessa laut aufkreischen. Der Aufprall war so stark und mächtig wie ich es noch nie zuvor gespürt hatte. Erst als ich mein eigenes Blut zwischen Schulter und Oberarm wahrnahm, begriff ich, dass ich angeschossen wurde! Die Kugel hatte meine Haut gestreift und vor Schmerz wurden meine Schulter und mein Oberarm taub. Doch Vanessa ließ ich nicht fallen, das würde ich nie tun. Fest trug ich sie noch immer in meinen Armen.

Tapfer rannte ich weiter und machte keinen Halt. Wir rannten in die Dunkelheit und ich spürte in meinem Nacken wie sie immer näher kamen... In dieser Nacht waren wir dem Tod noch nie so nah...

Aurora Black 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt