Teil 66

4.8K 114 4
                                    

Ich werfe einen hektischen Blick in den Spiegel und fahre mir ein Paar mal durchs Gesicht.

Carly, mach dich nicht lächerlich, es ist nur eine Aussprache, sage ich zur mir selber und springe die Treppe herunter um Erik die Tür zu öffnen.

Heute will er mir also meine Fragen beantworten. Ich habe jetzt schon Angst ihm gegenüber zutreten. Dass er mich wieder um den Finger wickelt, dass ich all meine Fragen vergesse.

'Hey, komm rein.', sage ich kurz angebunden, als ich ihm die Tür öffne. Meine Eltern sind zum Glück über Nachmittag mit meiner kleinen Schwester weg, so dass wir zwei Ruhe haben.

Erik nickt und tritt in unseren Flur ein. Als er an mir vorbei geht, streift er mit seiner Schulter meine und ich zucke zusammen.

'Beruhig dich, ich werde dir schon nichts tun.', murrt Erik und hat anscheinend meine peinliche Reaktion bemerkt.

Ohne darauf näher ein zugehen , gehe ich zur Treppe und deute ihm mit zufolgen. In meinem Zimmer angekommen, geht er an mir vorbei und lässt sich wie selbstverständlich auf meinem Bett nieder.

Obwohl niemand zuhause ist , schließe ich meine Tür. Langsam setze ich mich auf meinen Schreibtischstuhl und verschränke meine Beine.

Eine Weile starren wir uns nur still schweigen an, bis Erik sich räuspert.

'Also wegen letzter Nacht, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht wegschicken und ich wollte dich nicht kränken.', beginnt er endlich stockend.

'Ich weiß , es tut dir leid, es wird nicht wieder vorkommen.', äffe ich ihn nach und verstehe die Augen. So langsam reichts mir.

'Carly bitte bleib ernst.', fleht Erik und hebt seine Augenbrauen an.

'In diesem Moment, wenn ich dir so Sachen an den Kopf werfe, brennen bei mir alle Sicherungen durch. Kurz danach bereue ich es.', murmelt er und fährt über eine Wunde an seinem Arm. Sie ist länglich über seinen Unterarm verteilt und sieht noch sehr frisch aus.

'Was hast du da?', will ich sofort wissen und er wirft mir einen leidenen Blick zu. 'Ist egal.'

'Nein Erik, ist es nicht! Du wolltest ehrlich zu mir sein und da fängt es schon an,', protestiere ich und er atmet mit geschlossenen Augen tief durch.

'Als du weg warst, war ich so sauer auf mich, dass ich eine Glasvitrine umgeschmissen habe. Eine Scherbe hat mir in den Arm geschnitten.', erklärt er und lässt seine Augen dabei geschlossen.

Mein Herz macht einen Sprung. Vielleicht stimmt es ja wirklich , dass er nicht extra so ist, wie er eben ist.

'Also, ich werde dir alle meine Fragen ehrlich beantworten, wenn du das gleiche tust.', sagt er so leise, dass ich die hälfte der Wörter nur erahnen kann. Ich nicke. Schließlich war bis jetzt eh immer ich die jenige, die immer ehrlich war.

'Ok fang an.', meint er und kratzt sich am Hinterkopf. Er fühlt sich sichtlich unwohl.

Ich denke angestrengt nach. Wo fange ich an? Am besten ganz vorne.

'Warum haben deine Eltern dich rausgeschmissen?', frage ich und baue so auf mein Halbwissen auf.

Erik legt seine Hände gefalten auf den Schoß und die kleine Goldkette um seinen Arm, die ihm eigentlich viel zu klein ist, glitzert im künstlichen Licht der Lampe.

'Ich kam mit 15 fast 16 nach Dortmund, also zum BVB. Habe die Schule dann total vernachlässigt, weil ich die Mädels und all das für mich entdeckt habe und mir dachte, ich werde eh Profi. Ich hab gedacht ich wäre der herbste Mensch der Welt. Wie dem auch sei, geriet ich dann an die falschen Freunde. Mit 16 bestand mein Wochenplan aus 5 mal Training, einmal spiel, 6 mal Party und 6mal komplett besoffen sein. I-Ich.. Tut mir leid, es ist mir peinlich.. Ich war dann sowas wie abhängig von Alkohol. Ich konnte nicht mehr anders. Entweder habe ich Fußball gespielt, oder ich war blau. Irgendwann haben meine Eltern das dann mitgekriegt. Mein Vater hat gesagt, ich soll entweder mit dem Fußball aufhören und er schickt mich auf so ein Internat für Alkoholabhängige oder er wirft mich raus und will nichts mehr mit mir zu tun haben. Zu der Zeit habe ich viel mit Marco gemacht und er meinte wenn ich mich gegen meine Familie und für mich selber entscheiden würde, würde er mich unterstützen. Ich kann bei ihm wohnen, für umsonst, bis ich Geld verdiene, er besorgt mir eine Therapie und hält alles diskret. Ich habe das Angebot angenommen, weil ich damals einfach total auf dem Egotrip war und mir sicher war, ich brauch meine Familie nicht. Naja ich kam vom Alkohol weg, deswegen trinke ich ürbinhs nur Wasser, bin wieder zur Schule gegangen und habe mein Leben wieder geregelt. Irgendwann hat er mir dann halt angeboten bei ihm ins Geschäft einzusteigen, wegen dem Gehalt sozusagen. Ich hab dann soviel verdient, dass ein Teil der Villa jetzt sogar mir gehört. Jeder der Jungs hat seinen eigenen Anteil bezahlt.', erzählt er mir und wirkt angestrengt. Immer wieder muss er ein Husten unterdrücken und ich kann sein Verhalten kaum deuten.

'Vermisst du deine Eltern?', frage ich vorsichtig und nach einer Weile nickt er zögerlich. Seine Lippe beginnt zu zucken und seine Hände klammern sich immer fester ineinander, so fest, dass seine Fingerknöchel weiß werden.

'Erik?', frage ich und er blickt überrascht auf.

'Eine letzte Frage. Warum meinst du du kannst und willst nicht lieben?', frage ich. Wenn er mir diese Frage beantwortet hat, sollte ich aufhören zu fragen. Ich merke wie schwer es ihm fällt über seine Vergangenheit zu sprechen und ich will ihn nicht überstrapazieren. Schließlich kann er sich so schlecht öffnen anderen gegenüber und ich habe Angst, dass er wieder in sein altes Schema verfällt.

Love or Law ? (Erik Durm FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt