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Dann schaut sie wieder zu mir auf. "Du magst Jonah und mich als Paar nicht, oder?" Ich kneife die Augen zusammen. "Ist das etwa so offensichtlich?" Sie nickt. "Ja, das ist es." Ich blicke verlegen zu Boden. "Tut mir Leid, ich weiß selbst nicht warum ich so wenig davon halte." "Tja, du wirst dich aber wohl oder übel daran gewöhnen müssen..." Ich schlucke schwer. "Ja, ich weiß..."

Cassandra schaut auf ihr Handgelenk, das immer noch sanft von meinen Fingern umschlossen ist. Anscheinend habe ich unbewusst angefangen mit meinen Fingern kleine Kreise auf ihre Haut zu zeichnen. Ich zucke zurück, als hätte ich mich verbrannt. "Sorry, das habe ich nicht bewusst gemacht, das waren meine Finger, ich hab nicht - das wollte ich nicht, glaub mir." Als Cassandra wieder zu mir aufschaut, hat sie plötzlich Tränen in den Augen.

Erschrocken umfasse ich ihre Schultern mit meinen Händen. "Hey, was ist los? Hab ich was falsch gemacht?" Sie schaut nervös umher, weicht meinem Blick aus und versucht verzweifelt ihre Tränen wegzublinzeln, was aber nicht funktioniert, denn im nächsten Augenblick kullert eine Träne ihre Wange hinunter. Sie schließt für einen Moment die Augen, richtet sich auf und atmet tief durch. Als sie die Augen wieder öffnet und mich direkt anblickt, zerbricht etwas tief in mir. Ich habe noch nie einen solchen Schmerz gesehen.

Sofort spüre ich, wie auch meine Augen anfangen zu brennen. "Was ist los, Cassandra? Rede mit mir.", sage ich, verzweifelt über die Unwissenheit warum es ihr so schlecht geht. Doch Cassandra wischt sich frustriert, fast schon wütend, die Tränen weg und antwortet: "Nichts, alles gut. Mädchenprobleme, wenn du verstehst was ich meine." Damit kommt sie mir allerdings nicht durch, nicht mal Christina, die wenn sie ihre Tage hat echt mies drauf ist, fängt von einem Moment auf den anderen an zu weinen, und in Cassandras Augen lag ein solcher Schmerz, dass es mehr als nur das sein muss. "Lüg mich nicht an, Cassandra."

Sie schaut verunsichert zu mir auf. "Wieso sollte ich es dir erzählen? Ich mein, wieso sollte ich dir vertrauen?" Verdammt, das ist eine berechtigte Frage. Ich war schrecklich zu ihr und es tut mir unendlich Leid. "Weil... weil... eigentlich gibt es keinen Grund dazu, du hast recht. Und ich weiß, dass es nicht reicht dir zu sagen, dass mir das alles unendlich Leid tut. Aber etwas anderes habe ich nicht zu bieten, wenn das nicht reicht kann ich wohl auch nichts dagegen tun. Und ich werde dir immer wieder sagen, dass es mir Leid tut, in der Hoffnung, dass du es mir vielleicht irgendwann glaubst." Cassandra seufzt.

"Ich habe es noch niemandem sonst erzählt, nur meiner besten Freundin. Es weiß keiner, außer meine Familie, Bell und ich. Ich kann das nicht." Ich hebe ihr Kinn leicht an, damit sie mir endlich in die Augen schaut. "Dann ist doch jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um deine Probleme ein wenig zu verkleinern. Gemeinsam findet man immer eine Lösung, egal für was." Doch sie schüttelt verbittert den Kopf. "Dafür gibt es keine Lösung, glaub mir." Ich bin verzweifelt. "Was auch immer es ist, bitte sag es mir. Ich ertrage es nicht, nicht zu wissen was dich so quält."

Cassandra schüttelt, inzwischen wütend, den Kopf. "Verstehst du es denn nicht, Corbyn? Ich kann dir nicht vertrauen. Jetzt hörst du zwar vielleicht zu und würdest versprechen es niemandem zu erzählen. Aber was ist wenn wir mal wieder einen unserer zahlreichen Streits haben? Was ist dann? Vielleicht bist du dann so außer dir vor Wut, dass du es sonst wem erzählst. Du hast mein Vertrauen in dich zerstört, bevor es überhaupt entstehen konnte. Und ein zerstörtes Vertrauen wieder herzustellen dauert ewig. Eigentlich klappt es nie ganz. Wi-" "Cassandra, bitte, es tu-" "Nein, Corbyn, hör mir zu. Es ist wie mit einer Vase. Ist sie einmal zerbrochen, wird sie nie wieder wie vorher, egal wie lange du daran sitzt, sie wieder zusammenzupuzzlen. Ein kleiner Riss wird immer bleiben. Und genau dieser Riss ist es, der die Vase noch zerbrechlicher macht, als sie davor eh schon war. Also mach dir bitte keine Hoffnungen, worauf auch immer."

Überrumpelt schaue ich Cassandra hinterher, die sich nach ihrer "Rede" umdreht und durch die Eingangshalle in Richtung Wohnzimmer davonläuft. Ich hasse es, das zuzugeben, aber sie hat recht. Leider. Ich bin verdammt noch mal selbst Schuld, dass sie mir nicht vertraut. Aber ich bin unsere endlosen Diskussionen, Streitereien oder wie auch immer man es nennen will, langsam satt. Es ist einfach unglaublich nervenaufreibend.

Ich jogge hinter Cassandra hinterher. "Cassandra, warte!" Doch sie läuft einfach weiter. Ich beschleunige meine Schritte. Als ich bei ihr ankomme, halte ich sie sanft am Arm fest. "Bitte, hör mir zu." Sie bleibt endlich stehen, dreht sich allerdings nicht zu mir um. "Ich verstehe was du meinst. Und du hast so was von recht. Ich bin verdammt nochmal selbst Schuld, dass du mir nicht vertraust." Sie zuckt mit den Schultern. "Ich weiß. Ich hab immer recht." Ich lache leise.

Nach einem Augenblick, in der wir nur so dastehen, sie vor mir, ich hinter ihr, mit meiner Hand an ihrem Arm, sagt Cassandra: "Ich bin unsere Streitereien langsam satt, weißt du? Es ist anstrengend. Ich bin hierher gekommen, mit dem Ziel einfach eine schöne Zeit zu verbringen, ohne an Da-... Jedenfalls ist jetzt alles schon wieder so kompliziert geworden, obwohl ich erst ungefähr einen Tag hier bin. Ich kann so einfach nicht weiter machen." Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und schlucke. "Was willst du damit sagen?" Endlich dreht sich Cassandra zu mir um. Sie schaut mich aus ihren traurigen Augen an. "Mir tut der Kontakt mit dir nicht gut, habe ich das Gefühl." Ich ziehe die Augenbrauen noch weiter zusammen. Hoffentlich will sie nicht auf das hinaus, was ich denke.

"Ich denke, es wäre besser, wenn wir uns voneinander fernhalten, Corbyn." Ich blicke verzweifelt auf sie hinunter. "Sag das nochmal." Verwirrt schaut Cassandra zu mir auf. "Was?" "Schau mir in die Augen und sag es dabei nochmal, dann verspreche ich, dass ich versuchen werde, mich von dir fernzuhalten." Cassandras eben noch verwirrter Ausdruck weicht bei diesem Satz einem verzweifelten. Das bestätigt meinen Verdacht, dass es auch ihr nicht leichtfällt und sie selbst es eigentlich auch nicht will. Dann schaut sie mir entschlossen in die Augen und wiederholt ihre Worte: "Ich möchte, dass wir uns voneinander fernhalten, Corbyn." Meine Schultern sacken ein Stück nach unten als die Enttäuschung mich wie eine Welle überrollt. "Bitte tu das nicht, Cass, nein..." Bei der Nennung ihres Spitznamens verschwindet ihre Entschlossenheit kurz, dann hat sie sich wieder gefangen und ihr Blick huscht ein letztes Mal flüchtig über mein Gesicht. "Es tut mir Leid." Damit löst sie sich von mir und verschwindet endgültig durch die Tür, die in den Wohnbereich führt.

𝐈 𝐡𝐚𝐭𝐞 𝐲𝐨𝐮, 𝐈 𝐥𝐨𝐯𝐞 𝐲𝐨𝐮 || 𝐖𝐡𝐲 𝐃𝐨𝐧'𝐭 𝐖𝐞 𝐅𝐅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt