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"Sandra."

"Sandra! Wir sind da."

Jemand rüttelt leicht an meiner Schulter. Müde öffne ich die Augen und schaue mich verwirrt um. Dani steht nah über mich gebeugt an der Autotür und versucht mich wach zu bekommen.

Sofort fällt mir die Autofahrt vom Krankenhaus zurück in die Villa wieder ein. Und mit ihr auch alles weitere. Corbyns Kuss. Unser Streit im Auto, der beinahe Jonahs und meine Beziehung zerstört hätte. Und mein Bruder, der uns mit seinem "Ausraster" schließlich vor dem Ausplaudern unseres kleinen Geheimnisses bewahrt hat. Ich seufze und richte mich auf. Alle anderen bis auf der Taxifahrer und mein Bruder sind schon in der Villa.

"Ah, du bist wach. Na endlich, ich dachte schon das wird gar nichts mehr." Dani lächelt mich warm an und drückt mir einen Kuss auf die Wange. "Tut mir Leid, dass ich dich vorhin so angeschrien habe, aber irgendwie mussten wir euch ja auseinanderbringen. Wer weiß worin das sonst geendet hätte." Ich nicke. "Ich weiß. Mir tut es auch Leid, ich konnte mich einfach nicht beherrschen. Ich... ich weiß auch nicht was mit mir los war." Dani nickt nur, wartet bis ich aus dem Auto ausgestiegen bin und geht dann den schmalen gepflasterten Weg zur Haustür entlang.

Auf einmal bleibe ich abrupt stehen. "Dani?", frage ich, eine böse Vorahnung sich in mir ausbreitend. Irritiert von meinem angespannten Tonfall bleibt er stehen und dreht sich um. "Was ist?" Ich blicke ihn mit geweiteten Augen an. "Mir ist gerade nur aufgefallen, dass Bell vorhin gar nicht mit im Taxi war. Wir haben sie doch wohl hoffentlich nicht im Krankenhaus vergessen, oder?!" Durch die Aufregung nach Corbyns Kuss und dem Streit im Auto war ich anscheinend so sehr abgelenkt, dass ich das Fehlen von Bell gar nicht bemerkt habe. Gott, ich bin eine schreckliche Freundin.

Und was macht mein Bruder? Er fängt einfach an zu lachen. "Was ist so lustig?" Er beißt sich auf die Lippe und schaut mich mit amüsiert funkelnden Augen an. "Du denkst wirklich, wir hätten Bell im Krankenhaus vergessen? Ach komm schon, so dumm sind nicht mal wir. Und die Jungs und ich haben echt schon viel Scheiße gebaut, glaub mir." Verwirrt blicke ich zu Dani. "Keine Sorge, Bell wollte nur früher in die Villa fahren um schon mal ihre Sachen auszupacken, weil sie ja jetzt für eine Woche bei uns bleibt. Es ist also alles gut, Schwesterherz." Erleichtert seufze ich. "Oh Gott, zum Glück, ich dachte schon." Daniel schüttelt grinsend den Kopf und gemeinsam setzen wir unseren Weg fort.

In der Eingangshalle warten sowohl Corbyn als auch Jonah. Sofort fühle ich mich wieder schlecht. Einerseits weil ich mir nicht verzeihen kann, Corbyn bei unserem Kuss nicht zurückgewiesen zu haben und andererseits weil ich Angst habe, dass Corbyn meinem Freund davon erzählt hat. Sie stehen beide mit ausdruckslosem Gesicht nebeneinander ohne miteinander zu sprechen oder sich anzugucken.

Das verstärkt mein Gefühl, dass Corbyn etwas gesagt hat, leider nur noch mehr.

In ängstlicher Erwartung vor dem, was kommen wird, schlucke ich hart und senke den Blick um niemandem in die Augen schauen zu müssen. Ich schlüpfe aus meinen Schuhen und komme mir plötzlich total fehl am Platz vor in Jonahs Pullover, obwohl der gerade wahrscheinlich gar nichts mit mir zu tun haben will.

"Cassie? Können Corbyn und ich bitte kurz mit dir reden?", fragt Jonah erstaunlich sanft. Langsam richte ich mich wieder auf, schaue zu den beiden Jungs und nicke. Daniel drückt ermutigend meine Hand, als wüsste er irgendwie, dass ich mich vor dem kommenden fürchte. Ich lächele ihm dankbar zu und gehe dann mit gesenktem Kopf zu Jonah und Corbyn hinüber.

Zu dritt laufen wir den Flur entlang in eine Art Büro, das soweit ich weiß für das Organisieren und Planen von Konzerten genutzt wird. Jonah bedeutet mir mich zu setzen, er und Corbyn lassen sich mir gegenüber nieder.

Gott, was soll das hier bitteschön werden? Ein Verhör?

Unwohl rutsche ich auf meinem Stuhl herum und versuche nicht daran zu denken, dass Corbyn Jonah etwas von unserem Kuss erzählt haben könnte.

"Also, du hast gesagt, dass Corbyn und du noch mit mir reden wollt?", fragt Jonah und schaut erwartungsvoll zwischen Corbyn und mir hin und her.

Wie jetzt? Ich dachte, Jonah wollte mit uns reden?

"A-achso... Äh, ja. Genau. Corbyn?"

Ich werfe ihm einen bittenden Blick zu. Hoffentlich hält er sich an die Abmachung, trotz unseres Streits.

Er presst seine Lippen zusammen und im ersten Moment denke ich, dass er sich weigert, mit uns zu reden. Doch er wirft mir nur einen undefinierbaren Blick zu und wendet sich dann an Jonah. Gerade als er den Mund aufmacht fängt sein Handy an zu klingeln. Genervt schließt er seinen Mund wieder und wirft einen Blick auf sein Handy.

"Sorry, ich muss rangehen, ist meine Schwester."

Jonah und ich nicken, woraufhin Corbyn aus der Tür verschwindet.

C O R B Y N

"Hey Sis, was gibt's?" Ich höre ein Schluchzen. Sofort gehen bei mir alle Alarmglocken an. Meine Schwester Ashley weint so gut wie nie. "Ashley, was ist los?", frage ich nachdrücklich.

"D-Du musst nach Hause kommen, Corbyn. M-Mum u-und Dad... Sie... sie hatten einen Unfall..."

In meinem Kopf ist nichts als Leere. Ich verfalle in eine Schockstarre.

Meine Familie ist das wichtigste in meinem Leben. Ich sehe sie so selten, wenn ihnen etwas zustößt könnte ich mir niemals verzeihen, dass ich so wenig Zeit mit ihnen verbracht habe.

Nach einem Moment zwinge ich mich dazu, meiner Schwester zu antworten.

"Oh Gott, was... was ist passiert? Sind sie... Oh Gott..."

"S-Sie sind von der Fahrbahn abgekommen und gegen... einen Baum gefahren. Die Ärzte... sie können noch nicht sagen ob sie es schaffen... Ich brauche dich Corbyn, ich..." Ihre Stimme bricht. "Ich bin so alleine, Jordan kann nicht kommen, er... B-Bitte..." Ich ertrage es nicht, meine sonst so unendlich starke Schwester am Boden zerstört zu wissen. "Ich schaue sofort nach Flügen und komme so schnell es geht, okay?"

"Okay... Ich brauche dich, Corbyn.", schluchzt sie. Ich kann ihre Verzweiflung beinahe durchs Handy greifen, so deutlich zeichnet sie sich in ihrer Stimme ab. "Ich bin da, Ash. Halte durch, wir schaffen das schon."

"Das müssen wir.", murmele ich noch, nachdem ich aufgelegt habe, dann suche ich sofort einen Flug heraus. Das nächste Flugzeug, das zu mir nach Hause fliegt, kommt um 15:00 Uhr hier in LA an, also in 6 Stunden. Erschöpft rutsche ich an der Wand hinunter, lege meinen Kopf in den Nacken und schließe die Augen.

Verdammt.




𝐈 𝐡𝐚𝐭𝐞 𝐲𝐨𝐮, 𝐈 𝐥𝐨𝐯𝐞 𝐲𝐨𝐮 || 𝐖𝐡𝐲 𝐃𝐨𝐧'𝐭 𝐖𝐞 𝐅𝐅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt