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Ich finde Dani am "Empfang" stehend und mit einer Krankenschwester sprechend.

"Doch, ihr geht es wirklich wieder besser. Sie hatte das schon öfters, ist aber noch nie bewusstlos geworden, nur deswegen sind wir ins Krankenhaus gekommen. Sie ist wieder topfit.", versucht er gerade die besorgte Krankenschwester, die mir anscheinend folgen wollte um mich wieder ins Bett zu verfrachten, zu überzeugen. "Lassen Sie sie gehen." Er unterstützt seine Bitte noch mit einem beruhigenden Lächeln und einem unwiderstehlichen Augenaufschlag und schon ist die Krankenschwester überzeugt. "Wenn Sie das sagen." Sie lächelt meinem Bruder verführerisch zu und leckt sich über die Lippen.

Bei dem Anblick wird mir schlecht. Ich meine, sie könnte seine Mutter sein. Dani geht anscheinend das gleiche durch den Kopf, denn sein Lächeln wirkt nun gequält und er zupft mit den Fingern am Bund seines Pullis herum, was er immer in Situationen tut, in denen er sich unwohl fühlt. Also beschließe ich ihm zu helfen und laufe auf die beiden zu.

Als Dani mich bemerkt atmet er kaum hörbar erleichtert aus. "Schwesterherz. Ist das Taxi schon da?" "Ich denke schon, ja." Verwirrt schaut er auf mich hinunter. "Wieso bist du dann wieder reingekommen?" "Ich..." Ich werfe der Krankenschwester einen unsicheren Blick zu, da ich nicht weiß, ob ich Dani vor ihr von meinem Streit mit Jonah erzählen soll. Mein Bruder versteht mich anscheinend wieder mal ohne Worte. "Ist ja auch egal. Komm, wir gehen wieder raus, das Taxi wartet bestimmt schon." Ich nicke. "Geh schon mal vor, ich muss erst noch auf die Toilette." "Okay."

Er geht nach draußen und die Krankenschwester weist mir genervt den Weg zu den WCs. "Danke." Ich laufe den Gang entlang und öffne die Tür zu den Toiletten. Doch anscheinend öffnet in dem Moment auch von innen jemand die Tür, wodurch ich nach vorne stolpere.

Und zwar direkt in Corbyns Arme.

Er fängt mich überrascht auf und hält mich eng an seine Brust gedrückt.

"Cassandra." Ich spüre seinen warmen, nach Pfefferminz duftenden Atem auf meinem Gesicht und wie sich mein Herzschlag beschleunigt, so nah ist er mir. "Corbyn.", erwidere ich zittrig und schaue zu ihm auf. Auch sein Herzschlag beschleunigt sich und sein Blick huscht über mein Gesicht, wo er einen Augenblick zu lang an meinen Lippen hängenbleibt. Einen Moment lang starren wir uns an, dann lässt er mich plötzlich so ruckartig los und stößt mich von sich, dass ich erneut stolpere und mich an der Wand abstützen muss um nicht hinzufallen.

Entgeistert schaue ich zu Corbyn. Er wirft mir noch einen Blick über die Schulter zu, dann verschwindet er durch die Tür.

C O R B Y N

Hoffentlich hab ich ihr nicht wehgetan. Ich wollte sie eigentlich gar nicht so wegschubsen, aber hätte ich sie noch eine Sekunde länger in meinen Armen gehalten, hätte ich für nichts mehr garantieren können. Ihr zu widerstehen hatte sich härter herausgestellt als gedacht.

Irgendwie weiß ich nicht wie ich zu ihr stehe, einerseits ist sie so herzerwärmend und lieb, dass man sie einfach gernhaben muss. Aber andererseits... es geht einfach nicht.

Als sie vorhin so reingestolpert ist, musste ich sie eben auffangen, aber danach hätte ich sie lieber gleich wieder loslassen und nicht so lange in ihrer Nähe bleiben sollen. Das hat unser angespanntes Verhältnis nur noch unnötig strapaziert.

Ich meine, ich mag Cassandra. Das kann ich inzwischen echt nicht mehr leugnen, aber das muss sie ja nicht wissen. Außerdem ist es nur normales mögen, nicht mögen-mögen. Und selbst wenn ich sie mehr als nur mögen würde, würde ich das ihr gegenüber niemals zugeben, sie ist schließlich mit Jonah zusammen und ich mit Christina.

A propos Christina. Mit ihr hatte ich gestern Streit weil ich keine Zeit für sie hatte, obwohl sie davor andauernd meine Nachrichten und Anrufe ignoriert hat. Und gestern bin ich fast den ganzen Tag bei Cassandra gewesen, weil ich mit dem Gedanken nicht fertig geworden bin, dass ihr etwas zustößt und wir immer noch zerstritten sind. Deswegen bin ich lieber bei ihr gesessen und habe ihre Hand gehalten als mit meiner Freundin zu telefonieren, die mich davor die ganze Zeit ignoriert hat. Christina kann ja nicht erwarten, dass sie nie Zeit hat und ich mir dann sofort die Zeit nehmen muss wenn sie mal die Zeit findet mit mir zu telefonieren oder schreiben. Das kann doch nicht sein.

In letzter Zeit streiten Christina und ich sowieso sehr oft über solche Kleinigkeiten. Eigentlich total unnötig, aber was soll man machen.

C A S S A N D R A

Ich frage mich, was Corbyn sich dabei denkt, erst die ganze Zeit meine Hand zu halten während ich schlafe und mich dann am nächsten Tag, ohne dass ich irgendetwas getan habe, buchstäblich von sich zu stoßen.

Was gibt ihm das Recht mich so zu behandeln? Ich verstehe es einfach nicht. Er muss doch irgendeinen Grund haben, wieso erklärt er es mir nicht einfach?

Also, klar, ich wollte, dass wir uns voneinander fern halten, aber das klappt halt anscheinend nicht, wenn man im selben Haus wohnt. Deswegen können wir ja eigentlich gleich miteinander reden und versuchen das alles zu klären. Und mit Jonah sollte ich das auch tun.

Am besten mit beiden zusammen, damit Corbyn Jonah gleich erklären kann, dass er nichts von mir will. Und erst wenn wir drei uns alle ausgesprochen haben, erzähle ich den beiden von meiner Vergangenheit, das können die sonst vergessen. Den anderen, also Zach und Jack werde ich es trotzdem erzählen und sie bitten, den anderen beiden einfach nichts zu sagen.

Ich wasche mir, nachdem ich auf dem Klo war, die Hände, trockne sie ab und öffne die Tür.

An die Wand gegenüber gelehnt steht Corbyn und tritt vor als er mich sieht.

Ich verdrehe die Augen und will mich schon an ihm vorbeischieben, da hält er mich an meiner Hand zurück. "Cassandra. Bitte, gib mir nur eine Minute." Genervt wirbele ich herum. "Wofür Corbyn? Wofür?" Verzweifelt huscht sein Blick über mein Gesicht "Bitte. Ich kann es dir erklären." Ich schnaube. "Da gibt es nichts zu erklären. Es sei denn du willst mir endlich sagen warum du mich hasst, aber das bezweifele ich."

Betreten schaut Corbyn erst mich an, dann zu Boden. "Ich hasse dich nicht." "Na klar." Meine Stimme trieft nur so vor Ironie. Nun blickt er mir wieder fest in die Augen. "Wieso sollte ich dich hassen? Das tue ich wirklich nicht, Cass." Wie kann er es wagen, mich ausgerechnet jetzt mit meinem Kosenamen anzusprechen? "Cassandra. Ich heiße Cassandra.", fauche ich. Corbyn sieht so aus als würde er einen, ihn innerlich zerreißenden Kampf mit sich selbst austragen, als er seinen Blick für einige Sekunden über mein Gesicht gleiten lässt.

Mit dem was dann passierte, hätte ich nie im Leben gerechnet.

𝐈 𝐡𝐚𝐭𝐞 𝐲𝐨𝐮, 𝐈 𝐥𝐨𝐯𝐞 𝐲𝐨𝐮 || 𝐖𝐡𝐲 𝐃𝐨𝐧'𝐭 𝐖𝐞 𝐅𝐅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt