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J O N A H

Ich hätte es wissen müssen. Nein, ich wusste es. Aber ich wollte es nicht wissen. Ich wollte es nicht wahrhaben. Genauso wenig, wie ich jetzt die Tatsache wahrhaben will, dass mein Herz gebrochen ist. In unendlich viele, winzige Splitter. Und das nicht, weil Cassandra mir gestanden hat, dass sie Corbyn mag. Ihn mehr als nur mag. Denn das hat sie ja nicht mal getan. Nein, sie hat nichts gesagt, was auch nur annähernd in diese Richtung ging. Und trotzdem weiß ich, dass es so ist. Es waren zwar nicht ihre Worte. Aber es waren ihre Augen. Diese wunderschönen, klaren, eisblauen, Augen.

Worte können lügen. Augen können es nicht. Ihre zumindest nicht.

Fast schon grausam vom Schicksal, oder was auch immer uns diese ganze Qual antut, dass genau diese Augen, die ich so sehr liebe, der Grund sind, weshalb ich es jetzt nicht mehr darf. Nicht mehr sollte. Es aber dennoch tue. Denn leider gibt es nun mal keinen Sie-hat-jemanden-den-sie-dir-vorzieht-du-Idiot-deswegen-liebst-du-sie-jetzt-nicht-mehr-Knopf, der mit einem Klick meine Gefühle für sie abschaltet.

C O R B Y N

Ich sitze mit Zach, Daniel und Jack auf dem Sofa und schreibe an einem neuen Song, als ich aus dem Augenwinkel sehe, wie Jonah aus dem Keller kommt.

"Hey Jonah, hast du Lust mit an dem neuen Lied zu schreiben? Wir könnten dein Talent echt gebrauchen.", ruft Daniel ihm zu, als auch er ihn bemerkt. Jonah dreht sich zu uns um, wobei sein Blick an mir hängen bleibt. Er schaut mir direkt in die Augen und antwortet Daniel dabei mit einem bitteren Unterton: "Nein." Dann wendet er sich von uns ab und eilt die Treppe nach oben. Kurz darauf hört man einen lauten Knall und wie etwas scheppernd zu Boden fliegt.

Erschrocken zucken wir vier alle zusammen und schauen uns überrascht an.

Nach einer Schrecksekunde springt Dani auf und sprintet die Treppen nach oben, um sicher zu gehen, dass es Jonah gut geht. Wenigstens körperlich. Denn mental geht es ihm anscheinend alles andere als gut.

Plötzlich kommt mir ein beunruhigender Gedanke.

Ob er irgendetwas weiß? Von Cassandra und mir? Von unserem Kuss in der Abstellkammer? Oder vielleicht sogar von meinem Geständnis vorhin?

Das würde zumindest erklären, warum er mich gerade so zu Boden gestarrt hat.

Hat Cassandra ihm etwa alles erzählt? Nein, das würde sie nicht tun. Nicht, bevor sie ihre Gefühle sortiert hat. Aber vielleicht ist ihr irgendetwas rausgerutscht...

Verdammt.

Es ist bisher wirklich nur sehr selten vorgekommen, dass Jonah seine Gefühle so mit sich hat durchgehen lassen. Zumindest in der Zeit, die ich ihn kenne.

Einmal als ein Junge seiner Schwester mit voller Absicht das Herz gebrochen hat, woraufhin er ihn beinahe zusammengeschlagen hat, und einmal als sein Hund gestorben ist. Damals war er so unendlich traurig und am Boden zerstört, dass er eine Weile wirklich überlegt hat, alles hinzuschmeißen, aus der Band auszusteigen und sich mit tausenden von Bildern und Videos von Layka - die Husky-Hündin, die seiner Familie als Welpe genau an dem Tag zugelaufen ist, an dem Jonah geboren wurde, sie waren von Anfang an unzertrennlich - in seinem Zimmer zu verschanzen und nicht mehr rauszukommen bis ihn irgendjemand aus diesem Albtraum aufweckt.

Auch gerade eben haben Jonahs Augen verdächtig geglänzt, aber ich war mir nicht sicher ob ich es mir nur eingebildet habe. Bis zu dem Knall oben, der meinen Verdacht, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt, bestätigt hat.

"Ich sehe nach ob mit Cassis alles okay ist, ich glaube sie ist vorhin auch in den Keller gegangen. Schaut ihr nach Jonah.", fordert Jack uns auf und eilt zur Treppe. Hin- und hergerissen schaue ich zwischen der Kellertreppe und der Treppe, die nach oben führt hin und her. Soll ich Jacks Anweisung folgen und zu Jonah gehen, oder doch lieber nach Cass schauen? Wenn wirklich irgendwas zwischen den beiden vorgefallen ist, dann wird es Cassandra alles andere als gut gehen. Ich würde sie gerne beruhigen und für sie da sein, aber auf der anderen Seite wird auch Jonah ziemlich fertig sein. Und er ist einer meiner besten Freunde, ihn kann ich auch nicht einfach im Stich lassen.

Zach bemerkt mein Zögern. "Komm, Corbyn. Jack wird sich gut um Cash kümmern, glaub mir.", beruhigt er mich verständnisvoll und geht schon mal vor. Mit zusammengebissenen Zähnen wende ich mich von der Kellertreppe ab und folge Zach nach oben. Er hat recht, Jack wird sich gut um Cassandra kümmern.

C A S S A N D R A

"Ich kann einfach nicht glauben, dass es das jetzt gewesen sein soll. Mir rutscht etwas falsches raus und bam, alles vorbei.", murmele ich zitternd. "Ja, ich mag Corbyn. Mehr als ich eigentlich sollte, aber das heißt doch nicht, dass Jonah jetzt einfach... Schnee von gestern für mich ist." Verständnisvoll nickt Jack. "Aber du musst dich auch in ihn reinversetzen. Er liebt dich wirklich. Das weiß jeder, der gesehen hat, wie er dich schon allein anschaut. Und dass deine Liebe nicht nur ihm gilt, hat ihn einfach sehr... vor den Kopf gestoßen. Was verständlich ist, er ist schließlich auch nur ein Mensch."

Eine Träne rollt mir über die Wange. Ich habe ihn so sehr verletzt.

"Ich bin schrecklich. Er verdient jemand so viel besseren als mich.", flüstere ich mit zunehmend verschwimmender Sicht. Jack legt beruhigend einen Arm um mich. Erschöpft lasse ich meinen Kopf an seine Schulter sinken. "Ich habe solche Angst, Jack.", hauche ich unter Tränen. "Dass ich alles zerstört habe. Dass Jonah nie wieder mit mir reden wird. Dass unsere Freundschaft einfach... kaputt ist." "Jonah ist ein so gutmütiger und lieber Mensch, er wird es nicht lange aushalten, dir böse zu sein. Dafür mag er dich auch viel zu sehr." Ich schluchze auf. "Und genau deshalb habe ich ihn nicht verdient." "Oh Cassis...", murmelt Jack. "Lass die Zeit einfach ihre Arbeit tun, du wirst schon sehen, in ein paar Tagen geht es dir wieder ein bisschen besser. Jonah wird einige Zeit für sich brauchen, aber er wird dir mit Sicherheit verzeihen, glaub mir. Und was Corbyn angeht... lass dich einfach überraschen und vertrau deinem Herzen."

Bei diesen Worten bildet sich ein kaum wahrnehmbares Lächeln auf meinen Lippen.

Denn wenn ich eines gelernt habe in diesen 11 Tagen, dann, dass ich mehr auf mein Herz achten muss.

In diesem Moment entzündet sich in freudiger Erwartung auf das, was die Zukunft für mich bereit hält, ein winziger Funken Hoffnung in meinem Herzen.

Und jeder weiß, dass aus einem winzigen Funken schnell ein wild loderndes Feuer werden kann.

𝐈 𝐡𝐚𝐭𝐞 𝐲𝐨𝐮, 𝐈 𝐥𝐨𝐯𝐞 𝐲𝐨𝐮 || 𝐖𝐡𝐲 𝐃𝐨𝐧'𝐭 𝐖𝐞 𝐅𝐅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt