Das Casting

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Am nächsten Morgen duschte ich mich schnell, frühstückte und plante mit Sarah mein Outfit für das Casting.

Kurz bevor ich das Apartment verließ, ging ich nochmal durch, was ich alles für mein Casting brauchte. Als ich sicher war, dass ich alles hatte, zog ich mir eine Sonnenbrille an und hing meine beige Umhängetasche um.

Dann verabschiedete ich mich von Sarah und schloss die Haustür.

Ich sah auf meinem Smartphone nach der Uhrzeit und merkte, dass ich spät dran war. Eilig rief ich mir ein Taxi und fuhr zum Gebäude, in dem das Casting stattfinden sollte.

Während ich durch die Eingangstür lief, sah ich noch mal nach der Uhrzeit und lief dadurch total in einen Typen im weißen Hemd rein.

"Oh, oh! Das tut mir total leid!", rief ich peinlich berührt.

"Kein Problem. Hey, du bist doch das Mädel von gestern Abend! Na, so sieht man sich wieder".

Dylan O'Brien. Oh. Mein. Gott. Schon wieder.

"Bist du hier wegen dem Casting?", fragte er mich.

"Ähm, jaa, aber ich bin ein bisschen spät dran... Kannst du mir vielleicht sagen, wo ich hin muss?"

"Ja klar, einfach mir nach", und damit nahm er mich am Handgelenk und zog mich in Richtung einer großen Tür, die in einen kleinen Saal führte. Dort lächelte er mich an und setze sich auf einen Stuhl, der in einer Reihe von anderen Stühlen stand, auf denen mehrere Leute zwischen 30 und 50 saßen. Ich vermutete, dass das die Produzenten und der Regisseur waren.

"Das ist Lucy Mercer. Ich denke, die Liebesszene würde gut zu ihr passen.", meinte Dylan.

Die anderen nickten und ein Praktikant kam und nahm mich mit in einen kleinen Nebenraum, in dem viele andere Leute saßen, die bestimmt auch wegen dem Casting da waren. Der Praktikant gab mir mehrere Blätter Papier und ging wieder aus dem Raum. Die anderen studierten konzentriert ihre Blätter, also sah ich sie mir auch mal an. Oben drauf stand Immortals. Aber eigentlich sollte ich doch für eine Soap vorsprechen und nicht für einen Film?

Ich las mir die feststehenden Besetzungen durch. Dylan O'Brien spielte Mason Welsh.

Auf dem nächsten Blatt stand, dass die weibliche Person, die ich wohl gleich darstellen sollte, diesem Mason ihre Liebe gestehen sollte und sie sich danach küssen sollten.

Oh mann, ich werde gleich Dylan O'Brien küssen! Oder ließ man sowas bei einem Vorsprechen weg? Ich hatte wirklich keine Ahnung. Wahrscheinlich war es eine totale Schnapsidee gewesen, ohne jegliche Erfahrung zu einem Casting zu gehen. Ich hatte es ja sogar geschafft zum falschen Casting zu gehen.

Aber ich würde jetzt nicht so einfach aufgeben. Ich hatte ja nichts zu verlieren, also lernte ich meinen Text und wartete darauf, dass ich dran kam. Wenn ich es mir recht überlegte, war es mir sogar lieber mich zu blamieren und dabei Dylan O'Brien zu küssen, als bei einer Niedrig-Intelligenz Soap zu versagen.

Ich war jetzt richtig aufgeregt. Gleich würde ich schon wieder Dylan O'Brien begegnen und ihn vielleicht sogar küssen! Ich entschied mich dafür, einfach abzuwarten, ob er mich küssen würde.

Um ehrlich zu sein, hoffte ich es! Mir war natürlich klar, dass es kein romantischer Kuss werden würde, da Dylan ja eine Freundin hatte und mich ja auch kaum kannte, aber ich fantasierte trotzdem ein bisschen vor mich hin. Gestern Abend sah es zwischen ihm und Britt, soweit es mitbekommen konnte, nicht sehr verliebt aus, aber die beiden waren ja auch schon seit mehreren Jahren zusammen. Oh mann, irgendwie war es schon extrem bescheuert sich in einen Schauspieler mit Freundin zu verlieben, den man nur aus Filmen kannte. Vermutlich war sein Charakter ganz anders als der von seiner Rolle Stiles Stilinski in Teenwolf. Aber das wollte ich natürlich nicht wahr haben.

Und dann wurde ich aufgerufen.

Nervös strich ich mir meine Haare vor die Ohren.

Dann ging ich hinter dem Praktikanten her in den kleinen Saal.

Dort unterhielten sich die Leute auf den Stühlen, unter anderem Dylan, leise. Vermutlich über meine Vorgängerin.

Meine Schuhe klackten laut auf dem harten Boden des Saales. Ein älterer Typ um die 50 mit grauem drei-Tage-Bart sah auf und lächelte höflich.

"Hallo, ich bin Patrick Larson, der Regisseur von Immortals. Wir werden dir jetzt einige Fragen stellen. Dir persönlich sogar noch mehr, da uns keine Akte über dich vorliegt. Also: hast du jemals in einem Film oder ähnlichem Format mitgespielt?"

"Ähm, leider nein...", gab ich zu.

Dylan lächelte mich aufmunternd an. "Das ist kein Problem, oder? Ich meine vielleicht ist sie ja ein Naturtalent."

Ich musste lachen. Das sah ich eher anders.

"Dann zu deiner Muttersprache. Du kommst aus Deutschland, hat uns Dylan erzählt. Wie würdest du deine Englischfähigkeiten einschätzen?"

"Also in der Schule hatte ich immer eine 2 und ich denke, dass wenn ich mir nicht überlegen muss, was ich sagen will, sondern nur auswendig lerne, kann ich das ganz gut. Aber man hört natürlich meinen deutschen Akzent raus, oder?", fragte ich unsicher.

"Das stimmt, finde ich. Außerdem lernt sie ja auch viel dazu, jetzt wo sie in den Staaten lebt.", meinte Dylan. Wow, er setzte sich ja regelrecht für mich ein.

"Außerdem kann man ja, wenn wir sie nehmen, die Rolle so umschreiben, dass sie aus Deutschland kommt oder so", schlug Dylan vor.

"Okay, na dann spielt uns mal die Szene vor.", meinte eine streng aussehende Frau mit Nerdbrille.

Dylan stand auf und ging grinsend auf mich zu. Ich versuchte, keinen Panikanfall zu bekommen. Es klappte eher weniger gut.

"Okay, er ist auch nur ein Mensch. Er sieht noch nicht mal perfekt aus. Er hat riesige Nasenlöcher! Und... Und er hat offensichtlich einen eher schlechten Geschmack bei Frauen. Ich meine, Britt Robertson!", sagte ich mir. Natürlich wusste ich, dass Britt Robertson bestimmt total nett war und auch echt schön war, aber sie war mir einfach unsympathisch, weil sie mit Dylan zusammen war und nicht ich. Eigentlich schon krank, dass ich mir das so sehr wünschte, obwohl ich noch nie eine richtige Unterhaltung mit ihm hatte.

Also fing ich an mit meinem Text.

"Mason, ich weiß, dass wir uns noch nicht lange kennen. Aber... bei uns ist es irgendwie anders! Ich habe dieses Gefühl noch nie so intensiv erlebt wie bei dir. Ich weiß auch, dass es kitschig ist, aber anders kann ich meine Gefühle gerade einfach nicht ausdrücken." Ich sah Dylan eindringlich in die Augen und bewegte mein Gesicht langsam immer näher zu seinem.

"Du... Ich... Ich bin süchtig nach dir, nach deinem Geruch, nach dem Klang deiner Stimme und nach deinem Lachen. Ich kann mir nicht vorstellen, jemals wieder ohne dich zu leben! Verdammt nochmal, ich liebe dich!"

Und plötzlich nahm Dylan meinen Hinterkopf in die rechte Hand und zog ihn zu seinem Gesicht. Gleichzeitig legte er mir seine andere Hand an die Hüfte und küsste mich stürmisch.

Automatisch drückte ich mich enger an ihn und vergrub meine Hände in seinen Haaren. Es war ein sehr leidenschaftlicher Kuss, aber irgendwie auch merkwürdig. Alles war eher angedeutet und zaghaft, obwohl es so durchdringend wirkte. Eben ein Filmkuss, vermutete ich. Leider war er auch sehr schnell vorbei. Langsam löste sich Dylan von mir und ich sah ihn wehmütig an.

Schnell konzentrierte ich mich auf einen neutralen Blick.

Und dann fingen die Leute auf den Stühlen leise an zu klatschen.

"Das war echt gut, Lucy! Ich könnte mir echt vorstellen, dass du die Rolle bekommst. Ich werde mich auf jeden Fall dafür einsetzen".

Dann zwinkerte er mir zu und verbeugte sich sarkastisch vor dem Regisseur. Der fragte mich noch nach meiner Handynummer und sagte, dass sie sich spätestens in 5 Tagen melden würden. Wie in Trance verabschiedete ich mich und ging aus dem Saal. Fassungslos stand ich für einen kurzen Moment in der Eingangshalle, dann ging ich raus und suchte nach einer U-Bahnstation.

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