Es gab nicht viele Dinge, die mir Angst machten, seit mein Vater tot war.
Aber nach so einem seltsamen Gefühl mit pochendem Schädel die Augen wieder auf zu machen und keine Ahnung zu haben, wo man ist, hat mir durchaus Angst gemacht.
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„Wie spät ist es?", war meine erste Frage, als ich mühsam versuchte, meine Augenlider voneinander zu trennen. Alles war hell und verschwommen. „Und welchen Tag haben wir?"
„Es ist zehn Uhr Vormittag", hörte ich Owen sagen.
„Es ist Thanks Giving", erklärte Brielle.
„Bin ich ohnmächtig geworden?"
„Schön wär's", entgegnete Jed und kassierte einen Schlag von Brielle oder Owen, vermutlich auf den Hinterkopf. Zumindest hörte ich einen dumpfen Schlag und Jeds Grummeln.
„Mein Kopf tut weh", stöhnte ich und presste die Augen zusammen.
„Wundert mich nicht", bemerkte mein kleiner Bruder. „Hast ihn ja oft genug gegen den Kühlschrank geknallt."
„Jed!", knurrte Owen. „Es reicht, warte draußen!" Jedrek verdrehte vermutlich die Augen, gehorchte aber brav, denn ich konnte ihn den Raum verlassen hören.
„Was ist passiert?", fragte ich verwirrt und schaffte es endlich meine Augen zu öffnen und meine Geschwister zu erkennen, die links und rechts von dem weißen Bett standen.
Krankenhaus.
„Kann jemand die Lichter ausschalten? Das ist ja zum Verrücktwerden!", krächzte ich und Owen ging sofort zur Türe, um die grellen Deckenleuchten auszuschalten. Dann ging er sogar zu den Fenstern und zog die Vorhänge vor.
„Weißt du gar nichts mehr?", fragte Brielle und setzte sich auf die Bettkante. Ich schüttelte vorsichtig den Kopf.
„Wir haben über Weihnachten geredet... Und dann ist mir schwindelig geworden. Und ich hatte das Gefühl umzukippen. Und dann ist alles schwarz geworden."
„Jed hat recht", meinte Owen und nickte. „Das ist die bessere Version."
„Gott, ihr zwei seid wie kleine Kinder! Mach dich nützlich und hol ihren Arzt!", fauchte Brielle, stand auf und schob Owen raus, bevor sie sich wieder an mein Bett setzte.
„Sagst du mir, was passiert ist?"
„Naja..." Sie spielte am Zipfel des Polsters herum. „Du bist irgendwie... Ausgerastet..."
„Ich bin ausgerastet?"
Sie nickte vorsichtig. Noch nie hatte sie mich so angesehen. So besorgt. So ängstlich. „Du hast Sachen durch die Gegend geworfen und geschrien... Du hast immer wieder nach... Nach unserer Mom gerufen." Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Das war ich von ihr gar nicht gewohnt. „Weißt du das wirklich nicht mehr?"
Ich schüttelte erschrocken den Kopf.
„Wir wollten dich beruhigen, aber es war, als wüsstest du gar nicht mehr, wer wir sind. Und dann hast du angefangen, deinen Kopf gegen den Kühlschrank zu schlagen. Viermal. Dann bist du umgekippt und warst bewusstlos..."
„Beth?" Vielleicht hatte ich so fest zugeschlagen, dass sie mir aus dem Kopf gepurzelt war.
„Ja?" Nein, sie war noch da.
„Weißt du, was passiert ist?"
„Nein... Es war plötzlich alles schwarz. Ich bin auch eben erst wieder wach geworden. Wie geht es dir?"
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Annabeth
Mystery / Thriller„Wenn ich abends einschlafe, dann weiß ich nicht, ob in meinem Körper Anna oder Beth aufwachen wird." -- -- Wann Beth sich in Annas Kopf eingenistet hat, weiß Anna nicht mehr. Sie weiß nur, dass Beth eine Menge schlechter Entscheidungen trifft, die...