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Von einem Ärztekongress konnte wohl kaum die Rede sein. Um ein Uhr nachmittags saßen wir in einem Raum (vielleicht ein Konferenzraum?) in dem Hotel. Ich hatte Beth noch nie so nervös und unruhig erlebt. Sie sagte kaum ein Wort und nahm jede Bewegung haarscharf wahr. Auch ihr war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass uns gleich ein paar Ärzte, Psychologen und sogar Uniprofessoren auf unsere mentale Gesundheit testen wollten. Wir beide hatten keine Ahnung, was uns erwarten würde.

Zach hielt die ganze Zeit über meine Hand. Ob er das jedoch machte, um mich zu beruhigen oder um Beth die Nervosität zu nehmen, war mir nicht ganz klar. Schließlich war sie diejenige, die gleich diverse Auskünfte würde geben müssen. Unter all den -vielleicht fünfzehn- Leuten, waren nur zwei Frauen. Sie alle trudelten einer nach dem anderen ein und stellten sich Zach und Beth (und mir) vor. Sie erläuterten, was ihre Fachgebiete waren, und warum sie sich für meinen Fall interessierten. Ich wollte nicht wissen, wie viel Geld Mr. Parsons und Zach ausgegeben hatten, um diese Leute alle in einem Raum zu versammeln.

Für mich.

Ich fand nicht, dass ich den Aufwand wert war. Aber zumindest wirkten alle sehr kompetent, offen und freundlich, sodass Beth sich ein wenig entspannte.

Wir setzten uns alle an einen Tisch. Jeder hatte Zettel und Stifte vor sich liegen. Beth wurde Tee angeboten, aber sie lehnte ab. Am Kopfende des Tisches saß ein älterer Mann, aber nicht der Älteste im Raum. Er trug eine Brille mit kleinen, runden Gläsern, war bestimmt fast zwei Meter groß und ziemlich stämmig. Aber sein Gesicht wirkte freundlich. Er erinnerte mich ein bisschen an meinen Physikprofessor.

Bevor die Prozedur begann, stand er auf, bedankte sich dafür, dass seine Kollegen alle gekommen waren und Zach und ich die Reise auf uns genommen hatten. Dabei wurde mir bewusst, dass er vermutlich der Einzige war, der von Mr. Parsons persönlich kontaktiert worden war. Die anderen hatte der Doktor wohl selbst eingeladen. Ich hatte seinen Namen vergessen und Beth wusste ihn auch nicht mehr. Er versicherte mir, dass ich vollkommen offen sein konnte.

Beth war immer noch nervös und mir fiel auf, dass sie noch niemanden darauf aufmerksam gemacht hatte, dass nicht Anna vor dem Komitee saß, sondern Beth.

„Okay, beginnen wir bei den Formalitäten", lächelte eine der beiden Frauen. Sie erinnerte mich an Meryl Streep. „Ihr Name ist Annabeth Carter, sie wurden in Chelsea geboren und sind dort aufgewachsen." Beth wusste nicht, ob sie mit einem Nicken oder Kopfschütteln reagieren sollte und das endete damit, dass sie einfach nur wie eine Salzsäule dasaß und wie ein verschreckter Hase, der den Schuss eines Jägers gehört hatte, in die Runde blickte.

„Beth, was ist los?", fragte ich sie. „Du musst schon mitmachen."

Sie räusperte sie kurz und bemühte sich, den vielen Leuten in die Augen zu sehen, war aber so nervös, dass sie immer wieder den Blickkontakt unterbrechen musste. So kannte ich sie gar nicht.

„Naja, ja. Ich meine, nein. Ich... Sie sollten vermutlich wissen, dass ich Beth bin. Ich weiß, dass Sie mit Anna reden wollten, aber sie...ähm..."

Die Leute begannen sofort etwas auf ihre Papiere zu schreiben, was Beth Zusehens verunsicherte.

„Okay", lächelte einer der jüngeren Männer. „Wir haben zwar nicht schon beim ersten Treffen mit Ihnen gerechnet, aber ich kann vermutlich im Namen aller hier sagen, dass wir uns freuen Sie kennenlernen zu dürfen." Einstimmiges Nicken. Warum fiel Beth das Atmen plötzlich so schwer.

„Beth, was ist denn los, rede mit mir!", forderte ich sie auf, weil ich Angst hatte, dass sie mir gleich vom Stuhl kippen würde. Auch Zach hatte längst bemerkt, dass etwas mit ihr nicht stimmte und streichelte mit dem Daumen über meinen Handrücken.

AnnabethWo Geschichten leben. Entdecke jetzt