Der nächste Tag verlief recht ähnlich wie der vorige. Jamie hatte noch immer nicht auf meine Fragen geantwortet. Da ich erst spät eingeschlafen war, war ich auch dementsprechend müde.
Dr. Cromwall suchte wieder nach einer verspäteten Haselnussallergie, die er nicht fand und langsam tat sich in mir der Verdacht auf, dass er tatsächlich nicht daran glaubte, dass ich die Wahrheit sagte. Dann wurden wieder Blutdruck und Herzschlag gemessen. Dann führte er mich in einen Raum, der wie ein Sportzimmer aussah. Zumindest standen ein Laufband und andere Foltergeräte darin, die ich nicht recht zuordnen konnte. Die Belastungsfähigkeit meines Körpers sollte getestet werden. Ich erwähnte nochmals, dass ich fast täglich joggen ging, aber Beth einfach länger durchhielt.
Eine junge Ärztin kam herein, die ich noch nie gesehen hatte.
„Das wird ein Wettbewerb", ließ Beth mich wissen, während die Frau mich verkabelte und einen komischen Clip an meinem Zeigefinger anbrachte.
„Hat bei sowas schon mal jemand einen Herzinfarkt bekommen?", fragte ich die Frau.
Sie lachte. „Nein, zum Glück noch nicht."
Und dann musste ich laufen. Zehn Minuten. Auf der Stelle. Und reden durfte ich auch nicht. Aber ich unterhielt mich mit Beth, die immer wieder meint, besser abzuschneiden als ich. Danach war ich auch dementsprechend schlecht gelaunt, weil ich wusste, dass sie recht behalten würde.
„Was denkst du, wollen Sie noch von mir?", fragte ich Zach, während wir in einem der Räume warteten. Er zuckte mit den Schultern.
„Ich dachte, wir könnten uns heute nach den ganzen Tests den Buckingham Palace ansehen. Wenn du möchtest." Damit war meine Laune wieder deutlich besser. „Morgen ist Weihnachten", bemerkte er dann noch.
„Ich weiß", seufzte ich. Morgen würden keine Tests gemacht werden. Morgen würden Zach und ich durch die Stadt wandern, eislaufen, Lebkuchen naschen und den Abend vor dem Kamin ausklingen lassen. Hoffentlich mit Sex, und hoffentlich würde Jamie nicht wieder dazwischenfunken. Und hoffentlich würde morgen nicht Beth aufwachen.
Bevor ich wieder entlassen wurde, wurde ich nochmal mit dem MID Psychologen in einen Raum gesteckt und hatte sofort das Gefühl, dass ich mich nach, was auch immer gleich passieren würde, wieder mies fühlen würde. Aber Beth genoss es.
„Haben Sie meine Resultate ausgewertet?", fragte ich und setzte mich an den Tisch.
Er nickte. „Ja, aber deshalb bin ich nicht hier."
„Warum müssen Sie diesen Test eigentlich auch bei Beth machen?"
Er seufzte, ließ sich mir gegenüber nieder und sah mich mit Unbehagen an. „Wollte ich anfangs nicht, aber Dr. Cromwall ist sich unsicher, wer von Ihnen beiden wirklich die richtige Persönlichkeit ist."
„Hat er mich gerade als falsche Persönlichkeit bezeichnet?", fragte Beth eingeschnappt.
„Verstehen Sie mich nicht falsch", meinte der Mann schnell, da er meinen irritierten Gesichtsausdruck offensichtlich bemerkt hatte. „Ich rede hier nicht von richtig und falsch. Ich rede davon, wer als erstes in diesem Körper war."
„Ich."
„Das glaube ich Ihnen", erwiderte er sofort. „Aber Dr. Cromwall tut das nicht."
Ich hatte doch gewusst, dass Dr. Cromwall ein misstrauischer Mensch war, der sich hinter seiner Brille als vertrauenswürdiges Häschen tarnte.
„Siehst du?", fragte Beth. „Deshalb mag ich diesen Typen viel lieber."
„Ja, langsam versteh ich's", gab ich zurück. „Warum bin ich hier?", fragte ich den Mann noch einmal. „Muss ich noch ein paar Fragebögen ausfüllen?"
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Annabeth
Mystery / Thriller„Wenn ich abends einschlafe, dann weiß ich nicht, ob in meinem Körper Anna oder Beth aufwachen wird." -- -- Wann Beth sich in Annas Kopf eingenistet hat, weiß Anna nicht mehr. Sie weiß nur, dass Beth eine Menge schlechter Entscheidungen trifft, die...