Ich schlief fast bis um zwei Uhr nachts durch. Dabei hatte ich nicht mitbekommen, dass Zach all unsere Koffer ausgeräumt und die Sachen verstaut hatte. Nein, ich hatte noch nicht einmal den Zimmerservice mitbekommen, der einen Strauß Rosen und eine gekühlte Flasche Champagner hereingeschoben hatte. Was sich der Angestellte wohl gedacht haben musste, als er mich gesehen hatte...: Ein Mädchen, wie ein Seestern auf dem Bauch im dem Doppelbett schlafend, mit Jogginghose, Pullover und der Kapuze auf dem Kopf. Und Zach, der das Trinkgeld gab und in seinem Hemd, der teuren Hose und den perfekten Haaren vermutlich eher so aussah, als würde er in ein so teures Hotelzimmer gehören, das vermutlich an die tausend Euro pro Nacht kostete, was ein bisschen mehr als tausend Dollar waren.
Und meine Vorahnung, was Beth anging, bestätigte sich. Ich hatte doch gewusst, dass die miese Ratte sich in mein Bewusstsein schummeln würde. Als sie mitten in der Nacht aufwachte, war Zach gerade erst eingeschlafen und sie weckte ihn nicht. Stattdessen sah sie sich ein bisschen genauer um.
Es war eine Suite mit drei Zimmern. Wohnbereich, Schlafzimmer und Badezimmer. Das Schlafzimmer war mit dem Bett, dem riesigen Schrank, dem Fernseher und dem Tisch mit dem Spiegel schon ziemlich gut ausgestattet. Alle Möbel wirkten ein bisschen so, als stammten sie aus der Barockzeit oder so.
Beth schlich über den warmen, hellen Teppichboden in den Wohnbereich. Das Licht der Lampen an der Wand war gedimmt und verströmte eine angenehme Atmosphäre. Ein offener Kamin, mit einer Marmorablage darüber, auf der eine alte, hölzerne Kaminuhr stand. Gemälde in vergoldeten Rahmen hingen an den Wänden. Die Fenster waren hoch und gaben den Blick über die ganze Stadt frei. Die Vorhänge waren dick und hingen schwer von den goldenen Vorhangstangen. Das Sofa war weich und geräumig und stand direkt vor dem Kamin. Hinter der Couch stand ein großer, gedeckter Eichentisch mit sechs Stühlen und einem Kerzenhalter. Neben dem Kamin stand ein kleiner Arbeitstisch. Überall standen hohe Vasen mit Blumen. Eine weitere Türe führte ins Bad. Eine Toilette, zwei breite Waschbecken, große Spiegel, eine Dusche und eine Badewanne, die noch größer war als Zachs. Mit dem Regler an der Wand konnte man die Helligkeit der Lichter einstellen. Die Handtücher waren kunstvoll gefaltet und super weich.
Beth mochte keine Bäder. Zumindest nicht, wenn sie nicht vorher geduscht hatte. Sie wollte nicht in ihrem eigenen Schweiß und Dreck baden. Also stieg sie unter die Dusche und verwöhnte meine Haare mit dem sicher super teuren Shampoo und Conditioner. Es war eine Regendusche und ich liebte es.
„Wollen wir die Massagefunktion testen?", fragte Beth neugierig und nahm den Duschkopf aus der Halterung.
„Nein, wollen wir nicht, denn ich weiß, wie du die Massagefunktion testen willst."
„Du bist langweilig." Sie spielte ein bisschen mit den Lichtern in der Duschkabine herum, die das Wasser leuchten ließen und stieg nach einer guten Stunde aus der Kabine.
Sie trocknete meine Haare und schlüpfte in den super, weichen, kuschligen Bademantel, bevor sie sich ein Glas Champagner eingoss und sich damit wie eine Prinzessin auf der Couch vor dem Kamin niederließ.
„Daran könnte ich mich wirklich gewöhnen." Sie trank einen Schluck. „Ich hab einen Plan. Wir heiraten Zach, und dann schubsen wir ihn die Treppen runter und lassen es wie einen Unfall aussehen."
Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich jetzt den Kopf geschüttelt und die Augen verdreht. Zach las uns doch ohnehin schon jeden Wunsch von den Augen ab, was zum Geier fehlte Beth denn noch?
Den Rest der Zeit stöberte sie in den Hotelangeboten herum und blätterte durch diverse Broschüren der Stadt.
Gegen sieben stand Zach auf und merkte alleine an Beths Haltung und der Art, wie sie das Sauna- und Massageangebot kommentierte, dass nicht ich auf dem Sofa lag.
Ich hasste es, dass Beth das Luxusfrühstück ans Bett gebracht bekam und nicht ich.
„Und?", fragte sie und naschte eine Erdbeere, während sie sich in dem Bademantel auf dem Bett drapierte. Auf der Seite liegend, und den Kopf auf die Hand gestützt. Die Finger vergrub sie in meinen superweichen Haaren. „Was machen wir heute?"
„Wir bleiben hier, aber wir erwarten ein paar Leute", erwiderte Zach, der ihr im Schneidersitz gegenüber saß und Beth stöhnte genervt auf.
„Um Himmels willen! Geht's nicht präziser? Anna liebt Überraschungen, schon klar, aber ich hasse sie!"
„Tja, zu schade nur, dass ich auf dich weniger Rücksicht nehme." Grinsend warf er eine Traube nach Beth.
„Du bist gemein." Sie nahm die Traube von der Decke und steckte sie sich in den Mund.
„Und du magst mich nicht."
„Gar nicht wahr. Manche Dinge an dir mag ich sogar sehr", grinste sie und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.
„Okay, solche Bemerkungen darf wirklich nur noch Anna machen", stellte er klar.
„Dafür ist sie zu brav", erwiderte Beth und griff wieder nach den violetten Weintrauben. „Ich will ein bisschen Sight-Seeing machen. Können wir uns diese riesige Glocke ansehen?"
Zach zog amüsiert die Augenbrauen hoch. „Big Ben?"
Beth runzelte verwirrt die Stirn. „Wer ist Big Ben?"
„So heißt die riesige Glocke", kicherte Zach.
Beth grinste versaut, aber ihr Grinsen galt diesmal mir. „Können wir seine riesige Glocke ab jetzt Big Zach nennen?" Sie konnte sich selbst nicht ernst nehmen und begann zu lachen, was Zach ziemlich irritierte.
„Und ich will diese Brücke mit den zwei Türmen sehen", bemerkte sie noch.
„Die Tower Bridge."
„Angeber", murrte sie, woraufhin Zach die Augen verdrehte.
„Wir haben einen Termin", meinte er dann und stand auf, um ins Bad zu gehen.
Beth verzog das Gesicht. „Termin? Das klingt nach Arbeit. Oder Pflicht. Dafür hab ich nicht angeheuert!" Ich hörte Wasserrauschen, und Beth rutschte vom Bett und ging in den Wohnbereich und von dort aus ins Bad.
„Beth!", rief Zach wütend, als sie die Türe ohne anzuklopfen aufriss. Er stand unter der Dusche und die Glastüre war durchsichtig.
Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Was ist denn? Das hab ich alles schon mal gesehen!", entgegnete sie genervt. „Und ich sehe es auch, wenn Anna es sieht, stell dich nicht so an."
„Um Himmels Willen", murmelte er nur kopfschüttelnd und fragte sich vermutlich gerade, warum er sich das alles überhaupt antat.
„Wie muss ich mir unseren Termin vorstellen? Ein Ärztekongress?", fragte Beth und klang wenig amüsiert.
„Keine Ahnung!", gab Zach zurück und verteilte Shampoo in seinen Haaren. „Wir werden es herausfinden."
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Annabeth
Mystery / Thriller„Wenn ich abends einschlafe, dann weiß ich nicht, ob in meinem Körper Anna oder Beth aufwachen wird." -- -- Wann Beth sich in Annas Kopf eingenistet hat, weiß Anna nicht mehr. Sie weiß nur, dass Beth eine Menge schlechter Entscheidungen trifft, die...