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PTBS. Posttraumatische Belastungsstörung.

Zwei hübsche Worte für Hangman, findet Ihr nicht? Ein bisschen viele Vokale vielleicht.

Nicht jeder, der an PTBS leidet, leidet automatisch an einer dissoziativen Identitätsstörung. Aber jeder, der an DIS leidet, leidet unter PTBS.

Unser Vater hat randaliert, wenn er wütend gewesen ist und wenn er getrunken hat noch mehr. Geschirr und Möbel sind durch das Haus geflogen. Man hat die Türen zu den Zimmern von meinen Geschwistern und mir nie abschließen können. Jede Nacht bin ich wachgelegen und habe schwitzend und zitternd seinen schweren Schritten auf dem Flur gelauscht, bis sie vor einer Türe zum Halten gekommen sind. Entweder vor Brielles, Owens, Jeds oder meiner. Wenn wir Glück gehabt haben, ist er nur in sein Zimmer gegangen und auf sein Bett gefallen, nicht aber, ohne zuvor die Lampe umzustoßen und dann wütend auf die Lampe zu sein, weil sie sich ihm in den Weg gestellt hat.

Wenn er in mein Zimmer gekommen ist, um zu schreien, mich zu beschimpfen oder mich zu verprügeln, hat er auch immer die Türe aufgerissen, weshalb ich einen halben Herzinfarkt erlitt.

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„Iu! Iu, iu, iu, iu, iu!", rief Jedrek während er sich hastig von der Türe wegdrehte.

„Jed!", rief ich sauer und rollte mich von Zach herunter. Schnell kroch ich unter der Decke hervor, um meinem kleinen Bruder zu beweisen, dass ich durchaus noch meine Hose anhatte. Das machte das kleine Trauma, dass er vermutlich gerade durchlitt, vielleicht erträglicher.

„Ich hoffe, du zahlst mir jetzt meine Therapiestunden", bemerkte er und drehte sich vorsichtig wieder zu mir. „Das hinterlässt sicher bleibende Schäden."

„Was soll in seinem Gehirn noch groß kaputt gehen?", fragte Beth. Ich verdrehte die Augen. „Was willst du?"

„Ich wollte dich nur fragen, ob du weißt, wann Owen nach Hause kommt, aber das wollte ich nicht sehen!"

Ich zog ihm sein Cappy vom Kopf und die blonden Haare fielen ihm ins Gesicht. Schließlich haute ich ihn mit seiner Kappe aus meinem Zimmer und auf den Flur hinaus. „Dann klopf das nächste Mal gefälligst an!"

Ich warf sein Cappy den Flur hinunter, schlug die Türe zu und lehnte mich dagegen.

„Weißt du, wann Owen kommt?", fragte Jed nochmal. Ich stöhnte auf.

„Nein, keine Ahnung! Verdufte!" Nachdem ich hörte, dass er wieder nach unten trabte, stieß ich einen angestrengten Seufzer aus und ließ den Kopf fallen. Mein Herz pochte noch immer vor Schreck.

„Du kannst von Glück reden, dass du Einzelkind bist", meinte ich.

„Ich hab eine Schwester", erwiderte Zach plötzlich. Verwirrt hob ich den Kopf und zog die Augenbrauen zusammen.

„Was?"

„Halbschwester", räumte er ein. „Meine Mom hat wieder geheiratet."

„Warum hast du das nie erzählt?"

„Du hast nie gefragt", lächelte er und ich legte den Kopf schräg, konnte ihm aber kaum böse sein.

Schließlich hatte ich ihm auch nichts von Beth erzählt und sie war sowas wie meine Schwester.

Er schwang sich von meinem Bett und nahm mich an der Hand. „Komm schon, wir fahren zu mir, und ich lass dir das tollste Schaumbad ein, das du dir vorstellen kannst. Und dann lass ich dir eine Hühnersuppe machen. Vielleicht darf ich sie sogar selber salzen."

Ich musste lachen und ließ mich nun doch bereitwillig von ihm zu seinem Auto ziehen. Dabei liefen wir Jed zum Glück nicht wieder über den Weg. Vermutlich war er auf dem Weg zu seinen Freunden, trotz Hausarrest und hatte deshalb nach Owen gefragt. Normalerweise würde ich Jed suchen und zusammenstauchen, aber mit dem tollsten Kerl der Welt an der Hand, war nicht leicht denken.

AnnabethWo Geschichten leben. Entdecke jetzt