Ich wachte vor Zach auf. Es war Weihnachten und ich hatte absolut keine Absichten, mich mit ihm zu versöhnen. Ja, es mochte zickig und kindisch sein, aber ich war wirklich gekränkt. Also schlich ich vor ihm aus dem Hotel und verbrachte den ganzen Tag alleine in der Innenstadt. Ich ging am Eislaufplatz vorbei, an dem wir hatten Eislaufen wollen. An den Punschständen, an denen wir hatten Punsch trinken wollen. An dem riesigen Christbaum, vor dem wir uns hatten küssen wollen.
„Knick bloß nicht ein", warnte Beth mich, als ich seinen fünften Anruf entgegen nehmen wollte. „Soll er doch glauben, dass wir überfahren wurden." Ich war immer noch beleidigt und Beth fegte meine Zweifel weg, also steckte ich mein Handy wieder zurück in die Tasche und knabberte an meinem großen Lebkuchenherz herum, das ich mir recht armselig selber gekauft hatte. Als es längst dunkel war und wieder zu schneien begann, setzte ich mich wieder in einen Bus und fuhr zurück zum Hotel.
„Anna, wo zur Hölle warst du?", fragte Zach sauer, als ich die Suite wieder betrat und ins Schlafzimmer ging, ohne ihn zu beachten. Dort kämpfte ich mich erst aus der Jacke und wühlte dann in meinem Schrank nach bequemen Anziehsachen. „Ich war krank vor Sorge! Weißt du, wie spät es ist?" Es war eine rhetorische Frage. Es war fast zehn Uhr nachts. Ich merkte, wie seine wütende Energie das Fass zum Überlaufen brachte, aber ich biss die Zähne zusammen und zog einen kuscheligen, dunkelblauen Pulli heraus. „Sowas kannst du nicht bringen, ich hab dich zig Mal angerufen und-"
„Ich bin nicht reich!", rief ich plötzlich und drehte mich schwungvoll um. Obwohl ich es nicht wollte stiegen mir schon wieder die Tränen in die Augen.
Zach sah mich an, als sei ich verrückt. „Was?"
„Ich bin nicht reich, okay?" Ich warf den Pulli aufs Bett. „Wenn dir was nicht passt, kannst du in den Flieger steigen und nach Hause fliegen, aber ich kann das nicht. Ich bin auf dich angewiesen, und ich hasse es!" Ich rieb mir die Augen mit meinem Westenärmel trocken und versuchte nicht wie ein kleines Kind zu klingen. „Ich meine, ich mag es schon. Der ganze Luxus und alles. Und ich bin dir unendlich dankbar, dass du das alles für mich machst. Aber wenn du entscheidest, dass ich dich nerve, kannst du einfach abhauen, und dann sitze ich hier fest!"
Er blinzelte mich ungläubig an. Sein Mund bewegte sich, aber es kam kein Laut heraus. Er schien ziemlich perplex. „Du denkst, dass ich abhauen und dich einfach hier zurücklassen würde?" Entweder war er amüsiert oder gekränkt.
Ich zuckte mit den Schultern und schniefte. „Keine Ahnung... Vielleicht?"
„Okay, damit ich das richtig verstehe." Er war eindeutig amüsiert. Jetzt verrieten ihn seine zuckenden Mundwinkel. „Weil es Probleme in meinem Job gab und ich aus Frust gesagt habe, dass du nervst, dachtest du, dass ich zurück nach Kanada fliege und du hier festsitzt, weil du dir den Rückflug nicht leisten kannst?" Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Er stieß einen leisen Lacher aus und kam zu mir. „Anna, für wen hältst du mich? Das würde ich doch niemals machen." Er kam zu mir, legte seine Arme um mich und ich vergrub mein Gesicht in seinem Shirt.
„Ich liebe dich", flüsterte er und drückte mir einen Kuss in die Haare. Jetzt brach ich doch wieder in Tränen aus.
„Um Himmels willen", murrte Beth. „Du bist so schnell eingeknickt, wie ein Streichholz."
„Klappe", gab ich zurück. Sie ruinierte mal wieder erfolgreich den Moment.
„Frohe Weihnachten", flüsterte er in mein Ohr und ich weinte noch viel mehr.
„Jetzt hab ich unser erstes gemeinsames Weihnachten versaut!"
„Gar nicht wahr", lachte Zach, drückte mich ein Stück von sich und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Wir haben noch zwei Stunden. Was mich darauf bringt..." Er löste sich ganz von mir und ging zu unserem Schrank hinüber, während ich mir das Gesicht trocken rieb und versuchte mich zu beruhigen. Ein paar Sekunden später kam er wieder zu mir und legte meine Hände um ein viereckiges Schächtelchen mit einer roten Schleife.

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Annabeth
Misterio / Suspenso„Wenn ich abends einschlafe, dann weiß ich nicht, ob in meinem Körper Anna oder Beth aufwachen wird." -- -- Wann Beth sich in Annas Kopf eingenistet hat, weiß Anna nicht mehr. Sie weiß nur, dass Beth eine Menge schlechter Entscheidungen trifft, die...