26

325 48 2
                                    

Anfangs war ich total dagegen. Aus zwei Hauptgründen. Erstens: Ich hatte Angst, für verrückt gehalten zu werden. Zweitens: Ich wollte nicht, dass Zach eine ganze Reise und alles Drum und Dran zahlte. Und ich hätte kaum etwas dazu beisteuern können.

Nur hatte Zach die komplette Reise schon gebucht und bezahlt. Und damit meine ich, dass Mr. Parsons alles gezahlt hat, was mich nicht nur verwundert, sondern richtiggehend geschockt hat. Also blieb mir nichts anderes übrig, und ich beschloss, mich darauf zu freuen, anstatt alles zu verabscheuen.

-

Ich endete mit drei vollen Koffern.

Das lag jedoch nicht nur daran, dass ich keine Ahnung hatte, ob Bikini- oder Skianzugwetter herrschte, wo auch immer wir hinflogen, oder wie lange wir bleiben würden, sondern auch daran, dass ich einen Koffer für mich, einen für Beth und einen für meine noch nicht identifizierte Identität hatte packen müssen. Und um nicht durcheinander zu kommen, hatte ich nicht alles in zwei große Koffer schmeißen wollen.

Jed und Owen sahen mich an, als wäre ich geistesgestört, als ich einen Koffer nach dem anderen die Treppen nach unten ins Wohnzimmer beförderte, aber Brielle blinzelte mich verständnisvoll an.

„Und du willst mir wirklich nicht sagen, wohin wir fliegen?", fragte ich Zach, als wir in seinem Auto zum Flughafen in Ottawa fuhren.

Er lächelte. „Nein, das will ich wirklich nicht." Ich mochte Überraschungen, aber diese hier machte mir Angst. Die letzten paar Tage hatte er damit zugebracht, all die Arbeit, die er nicht aus seinem Büro mitnehmen konnte, zu erledigen. Den Rest hatte er in Akten dabei und sein Laptop lag auf dem Rücksitz.

Es war der zwanzigste Dezember und in Chelsea schneite es die Straßen zu. Es war ein seltsames Gefühl, Weihnachten dieses Jahr nicht mit meinen Geschwistern zu verbringen, aber ich war froh, es mit Zach zu feiern.

Erst als wir vor unserem Gate standen, erfuhr ich unser Reiseziel.

„London?!" Ich war noch nie in London gewesen und begann zu strahlen und auf und ab zu hüpfen, weil ich es total aufregend fand. Zach konnte über meine Aufregung natürlich nur lachen und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Abgesehen davon flogen wir natürlich nicht Economy, sondern First Class, was das Ganze noch ein bisschen abgefahrener machte. Mr. Parsons zahlte den Großteil der Reise, und obwohl ich ihm versichert hatte, dass er mir kein verdammtes First-Class-Ticket hätte besorgen müssen, sondern ich auch gut mit einem stinknormalen Economy-Ticket ausgekommen wäre, hatte er für Zach und mich First-Class gebucht. Klar, mittlerweile waren Zach und ich schon fast sechs Monate zusammen und Mr. Parsons und ich konnten mittlerweile sogar in einem Raum essen, ohne dass er mir unterstellte, ein geldgieriges Miststück zu sein, aber trotzdem. First-Class? Ich wollte gar nicht an das Hotel denken, das er uns ausgesucht hatte. Außerdem fand ich es seltsam, dass er Zach verbot, sein Geld für mich auszugeben und mir dann das Teuerste vom Teuersten zukommen ließ.

Aber ich beschwerte mich nicht. Kein bisschen. Ich fühlte mich zwar ein bisschen schlecht, aber gleichzeitig fiel es schwer, sich schlecht zu fühlen, weil ich wie jemand ganz Besonderes behandelt wurde.

Im Flugzeug hatten wir unsere eigene kleine „Suite". Weiche Ledersessel, ein Fernseher und man konnte die Kabinentüre schließen, für mehr Privatsphäre. Wir bekamen weiche, blaue Kuschelpyjama, die wir behalten durften. In Ledereingebundene Speisekarten.

Es war verrückt, was Menschen bereit waren zu zahlen, um von A nach B zu fliegen. Wenn das Flugzeug abstürzen würde, wären wir in der Economy-Class genauso am Arsch gewesen.

„War seinem Dad ein Privatjet zu billig?", fragte Beth, während ich die Speisekarte studierte und unsere Flugbegleiterin uns mit Sekt begrüßte.

Wir bestellten Kaviar zu Vorspeise, dann Lammrippchen mit Curry und Gemüse als Hauptgang und zum Dessert Vanilleeis mit Goldflocken. Ja, Goldflocken. Dazu tranken wir Champagner und Rotwein (in echten Kristallgläsern!). Für mich war das eine komplett andere Welt. Ja, okay, Zach hatte mich in den letzten Monaten hin und wieder in schicke Restaurants ausgeführt, aber nicht über den Wolken! Es kam mir fast ein bisschen lächerlich vor. Nein, es kam mir ziemlich lächerlich vor, aber so viel Luxus war gleichzeitig viel zu verführerisch, um ihm zu wiederstehen.

Gegen neun zogen Zach und ich uns in den Umkleidekabinen um und machten uns in dem kleinen Bad ein bisschen frisch, und als wir wieder zurück zu unserer Kabine gingen, hatte sich der kleine Raum mit einem Doppelbett ausgefüllt.

„Verdammt, ich träume", murmelte ich und Zach drückte mir erneut lachend einen Kuss auf den Kopf. Obwohl ich mir nichts Schöneres hatte vorstellen können, als über den Wolken in einem Doppelbett in Zachs Armen einzuschlafen, hatte ich Angst, Beth könnte aufwachen und vor mir in London aussteigen. Und ich wollte diese Erfahrung nicht ihr überlassen, also schaltete ich den Fernseher ein, aber tonlos, um Zach nicht beim Schlafen zu stören und beobachtete knappe vier Stunden später den Sonnenaufgang.

-

Bis heute bin ich mir sicher, dass ich Zach geliebt habe. Wirklich geliebt, ohne Wenn und Aber.

Trotzdem geht mir der Gedanke nicht aus dem Kopf, ob nicht vielleicht sein Wohlstand auch dazu beigetragen hat, dass ich bei ihm geblieben bin. Ohne seinen Reichtum, hätte ich ihm vielleicht den Gefallen getan und wäre weggelaufen. So schnell und so weit ich konnte.

Aber machen wir uns nichts vor: Niemand hätte etwas gegen einen reichen Partner, der einem First-Class-Flüge, teure Restaurantbesuche und Luxusurlaube ermöglichen kann. Der einen praktisch auf Händen trägt und für den kaum ein Wunsch zu teuer ist. Dabei war sein Haus für mich bereits mehr Luxusurlaub, als ich mir je hätte erträumen können.

-

Der Glamour hörte natürlich nicht auf, als wir aus dem Flugzeug stiegen. Zach hatte sich kein Mietauto geholt, aber das Wort Taxi kannte er nicht.

Oder sein Vater kannte es nicht.

Ich war mir nicht sicher.

Jedenfalls wartete eine schwarze Limousine darauf, uns zum Hotel zu fahren. Ich fühlte mich total und absolut fehl am Platz in meinen bequemen Reisejogginghosen und dem weiten Pullover in einer Limousine zu sitzen. Ich war noch nicht einmal geschminkt. Meine ungewaschenen Haare hatte ich im Flugzeug zu einem Knoten zusammengebunden. Außerdem hatte ich meine Periode, was bedeutete, dass meine Haut mich absolut verabscheute. Dadurch, dass ich nicht geschlafen hatte, war ich auch dementsprechend müde und glitt immer wieder in einen Halbschlaf, aber ich schlief nicht wirklich ein.

Spätestens als wir im Hotel ankamen, war ich wieder wach. Der Boden war aus glänzendem Marmor, die Säulen auch. Viel Gold und Glas. Dicke, rote Teppiche. Große Vasen mit hohen, weißen Lilien, die einen angenehmen Duft verströmten. Jeder angestellte trug ein freundliches, hilfsbereites Lächeln im Gesicht. Niemand sah mich an, als würden sie sich fragen, was jemand wie ich hier zu suchen hatte, obwohl sie es sich vielleicht dachten. Zach hatte innerhalb zwei Minuten eingecheckt und wir gingen auf unser Zimmer. Die Koffer wurden gebracht. Ich fiel sofort erschöpft auf das Bett, ohne mich großartig umzusehen. Die Zeitverschiebung machte mir zu schaffen. Hier war es elf Uhr Vormittag, aber zu Hause war es sechs Uhr Morgen.

Zach ließ sich neben mir fallen. Ich hatte die Augen geschlossen, als ich fragte: „Wenn ich jetzt einschlafe, auf einer Skala von eins bis zehn, wie schlimm ist es, wenn Beth wieder aufwacht?"

„Gar nicht schlimm", entgegnete Zach leise und streichelte über meine Haare. „Null. Heute steht nichts mehr an."

Noch im selben Moment fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.


AnnabethWo Geschichten leben. Entdecke jetzt