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Obwohl ich mich nach diesem Gespräch am liebsten in meinem Bett verkrochen hätte, konnte ich der Verlockung des Buckingham Palace nicht wieder widerstehen. Ich hatte in meinem Leben noch nie ein Schloss gesehen und zog Zach damit auf, dass sein Haus vergleichsweise so klein war. Wir bekamen sogar die Wachen in ihren roten Uniformen und schwarzen Flauschhüten zu sehen, die wie Spielfiguren auf und ab marschierten, oder sich keinen Millimeter bewegten.

Danach streiften wir händchenhaltend ziellos in der Stadt umher, um einen Eindruck von London abseits der Touristenattraktionen zu bekommen. Da wo wir umherwanderten, waren gar nicht so viele Menschen, wie alle immer behaupteten. Das konnte allerdings auch daran liegen, dass es eiskalt war und ich eine rote Nase bekam, die Zach unfassbar süß fand. Wir kamen an einem McDonalds vorbei und weil ich langsam fast genug davon hatte, mehrere tausend Dollar... Euro in meinem Magen mit mir rumzuschleppen, aßen wir dort.

Als wir wieder im Hotel waren und Zach sich an die Arbeit setzte, rief ich Zuhause an. Erst hob Jed ab und ließ ein paar dumme Sprüche los, warum ich nicht längst in der Klapsmühle saß. Dann nahm Brielle ihm das Telefon aus der Hand und quetschte mich über das Hotel und das Essen und den Sex aus. Als Owen sie ablöste, war ich bereits ziemlich gereizt, aber er stellte als einziger die Frage, die man wohl als normaler Mensch stellen würde, wenn die jüngere Schwester in London sitzt und Ärzte versuchen herauszufinden, was mit ihrer Psyche nicht stimmt.

„Alles okay? Geht es dir gut?"

„Ja... Ja, es ist ein bisschen... nervaufreibend", seufzte ich und rieb mir über die Stirn. „Aber ich habe nichts Anderes erwartet. Und eigentlich darf ich mich nicht beschweren." Das durfte ich wirklich nicht. Ich lebte ein absolutes Luxusleben und hatte keinen Cent ausgegeben. Ich hatte den tollsten Kerl der Welt an meiner Seite und hatte das Gefühl, ihm rein gar nichts zurück zu geben. Nein, beschweren war wirklich das letzte, das ich gedurft hätte.

Ich biss mir auf die Unterlippe, weil mir eine Frage auf der Zunge brannte, bei der ich mir nicht sicher war, ob ich sie stellen sollte. „Owen...?"

„Ja?"

„Kannst... du dich an Bristol erinnern?"

„Natürlich. Schwarzer Kater. Gelbe Augen. Pinke Pfötchen. Er hat alle gekratzt und angefaucht, nur dich und Jed nicht. Euch wollte er immer verteidigen und beschützen."

Ich schluckte. „Weißt du, was mit ihm passiert ist?"

Er sagte lange nichts. „Das weißt du doch...", meinte er dann verwundert. „Er ist weggelaufen. Vermutlich mit einem Weibchen durchgebrannt. Oder er wurde überfahren. Keine Ahnung. Er war doch schon immer eigen. Warum fragst du? Wie kommst du jetzt auf Bristol, das ist doch schon Jahre her..."

Ich zupfte an der Bettdecke herum. „Bist du sicher, dass er weggelaufen ist?"

„Was soll es denn sonst gewesen sein?"

„Ich meine, woher weißt du, dass er weggelaufen ist?", beharrte ich.

„Anna, alles okay?"

„Beantworte einfach meine Frage."

Er schwieg noch einen Moment. „Er ist nicht mehr zum Fressen gekommen. Wir haben nach ihm gesucht und gerufen, aber er ist verschwunden geblieben. Irgendwann hat unsere Mom gesagt, dass er vermutlich weggelaufen ist." Leise stieß ich den Atem aus, weil ich nicht wusste, was ich nun tun sollte.

Kurz spielte ich mit dem Gedanken, Owen die Wahrheit zu sagen, aber dann verstand ich, warum manche Menschen ihre Familie und Freunde anlogen. Vielleicht hatte Mom die Wahrheit gewusst und sie uns verschwiegen, weil wir Kinder gewesen waren. Und was hätte Owen oder Brielle oder Jed die grausame Wahrheit großartig gebracht?

AnnabethWo Geschichten leben. Entdecke jetzt