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Brielle kam gegen Mittag wieder und brachte mir mein Handy. Zach war schon in New Jersey gelandet, als sie angerufen hatte und war drauf und dran, in den nächsten Flieger zu steigen und wieder zurückzukommen.

„Lass das", sagte ich leise in mein Telefon. „Bleib bei deiner Mom und Cami, du siehst sie ohnehin kaum."

„Anna-"

„Zach. Mir geht es gut. Ich werde in einer Stunde entlassen."

„Nein, du willst dich gegen ärztlichen Rat selbst entlassen, du dumme Nuss!"

„Ich verspreche, dass ich mich einfach nur auf die Couch oder in mein Zimmer legen werde. Ich darf nicht lesen und nicht fernsehen, also werde ich meinen Geschwistern dabei zusehen, wie sie den Truthahn im Ofen verbrennen lassen."

Zach stieß halb amüsiert, halb ungläubig den Atem aus, und es war einige Sekunden still in der Leitung. „Bist du sicher? Was hat der Arzt gesagt?"

Natürlich hatte ich Zach nicht sagen wollen, was passiert war. Ich hatte ihn anlügen und bloß von einem Ohnmachtsanfall erzählen wollen. Aber Brielle hatte ihre Klappe nicht halten können und die ganze Geschichte erzählt.

„Du hast gesagt: Ruf Zach an, nicht: Lüge Zach an!", hatte sie beleidigt gemeint, als sie mir erzählt hatte, dass sie Zach die Wahrheit gesagt hatte und ich ein Kissen nach ihr geworfen hatte.

„Nichts Besonderes...", wich ich seiner Frage aus.

„Anna, ich schwöre, wenn du mich in dieser Sache anlügst, steig ich in den nächsten Flieger und frag den Arzt selbst." Er klang nicht sauer. Nur besorgt. Ich wäre an seiner Stelle vermutlich auch besorgt gewesen, wenn meine Freundin sich wie eine Wahnsinnige ein paar Kopfnüsse an der Kühlschranktüre geholt hätte, ohne davon zu wissen.

Ich musste lächeln.

„Mir geht es gut. Versprochen. Wir hören uns später." Bevor er etwas darauf erwidern konnte, legte ich auf. Was hätte ich auch sagen sollen? Ich bin zwar ausgeflippt und hab mir fast ein Loch in den Schädel geschlagen, aber der Arzt hat gesagt, sowas kommt vor.

Ich unterschrieb die Entlassungspapiere und bestätigte, dass ich mich gegen ärztlichen Rat entlassen wollte. Zuhause half Owen mir auf die Couch und ich fühlte mich wie eine Achtzigjährige. Brielle umschwirrte mich wie eine Fliege, was ich einerseits rührend, andererseits beunruhigend fand. Die beiden hatten sich noch nie so sehr um mich gekümmert. Jed wusste nicht recht, wie er mit mir umgehen sollte, denn er spuckte noch viel mehr freche Kommentare aus als sonst.

Im Wohnzimmer hatte ich von den vielen Geräuschen, die aus der Küche kamen, jedoch Kopfschmerzen bekommen und war auf mein Zimmer gegangen.

Jetzt lag ich auf meinem Bett, den Laptop auf dem Schoß und googelte nach möglichen Ursachen meines Anfalls.

Von einer bipolaren Störung, bis Gehirntumoren war alles dabei. Irgendwann war es mir zu blöd, und ich klappte meinen Laptop wieder zu und legte ihn auf den Boden neben mein Bett.

„Hey, vielleicht hab ich einfach seit über zehn Jahren einen Tumor im Hirn, der langsam wächst und gegen einen... Bewusstseinsnerv drückt", spekulierte ich.

Beth lachte auf. „Red dir das nur ein, aber ich bin so echt, wie das Blut, das Owen vom Küchenboden aufgewischt hat."

Bei ihrem Kommentar lief es mir kalt den Rücken hinunter.

Das Essen mit meinen Geschwistern und ihren Besuchern übersprang ich. Brielle brachte mir etwas von dem Truthahn mit ein paar Bratkartoffeln und Gemüse auf mein Zimmer. Ich nahm meine Schmerzmittel ein und wollte gerade aufstehen und ins Bad gehen, als ich merkte, dass ich noch ziemlich wackelig auf den Beinen war und mich wieder setzen musste.

AnnabethWo Geschichten leben. Entdecke jetzt