Ich finde es bis heute seltsam, dass sich die Symptome meiner DIS erst so viele Jahre nach meiner traumatischen Kindheit gezeigt haben. Aber Jamie hatte davor nie Lust gehabt, an die Oberfläche zu schwimmen.
Beth resultierte aus einer anderen dissoziativen Erkrankung, aber dazu kommen wir noch.
Ich weiß bis heute nicht, was Jamie in diesem Moment dazu gebracht hat, aus seiner Höhle zu klettern. Ich weiß nicht einmal, ob er es selbst so genau weiß. Aber irgendetwas an dieser Situation wird er bestimmt mit dem Trauma verbunden haben, sonst wäre Folgendes nicht passiert.
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Egal wie sehr ich im Wasser strampelte ich kam nicht mehr an die Oberfläche.
„Mom!", rief eine schrille, brüchige Stimme panisch in meinem Kopf, aber ich konnte nicht ausmachen, wem sie gehörte. „Mom! Er ertrinkt!"
Kurz sah ich Bilder in meinem Kopf aufpoppen, aber ich konnte sie absolut nicht zuordnen.
„Bristol ertrinkt! Er ertrinkt! Mommy!"
Plötzlich tauchte ich auf und schnappte nach Luft, aber die Stimme wurde immer lauter, schrie nach meiner Mom und weinte hysterisch, weil sie meinte, dass Bristol ertrank. Ich sah unseren Garten. Ich sah die Wassertonne. Das Wasser rann an den Seiten herunter.
Meine Hände taten weh, ich wusste nur nicht, warum. Dann hörte ich ein hämmerndes Geräusch, als würde jemand gegen Glas schlagen. Bei genauerer Betrachtung merkte ich, dass es meine Fäuste waren, die gegen das Küchenfenster hämmerten. Ich sah, wie meint Vater den schweren Deckel auf die Tonne legte und wegging.
Ich bekam keine Luft mehr. War ich wieder unter getaucht?
In der Spiegelung der Glasscheibe konnte ich einen kleinen, braunhaarigen Jungen erkennen.
„Bristol ertrinkt! Bristol!"
„Anna!" Zachs Stimme drang in mein Bewusstsein, aber ich sah nur die Tonne. Die Tonne. Die Tonne. Ich spürte den Kloß in meinem Hals. Und die schweren Schritte vor der Haustüre als mein Vater sie aufriss und mich schreiend am Küchenfenster entdeckte.
„Anna, hör auf damit! Anna!"
Ich drückte mich in die Ecke. Mein Gesicht war ganz nass vor Tränen und ich schnappte tränenerstickt nach Luft.
„Mom!"
„Halt den Mund!", hörte ich ihn brüllen. „Hör auf wegen diesem Dreckskater zu heulen!" Mein Vater packte mich und ich wand mich in seinem Griff.
„Lass mich los!"
„Anna!" Wieder tauchte ich unter. Es war, als würde mein Kopf explodieren. Ich war in unserer Küche, aber dann auch nicht. Ich spürte die Kälte des Wassers auf meinem Gesicht und gleichzeitig den brennenden Schmerz, als er mir den ersten Schlag verpasste. Wieder tauchte ich auf und rang nach Luft.
„Beth?!", weinte ich. Sie antwortete nicht. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie da war.
„Anna!" Wieder Zachs Stimme. Aber ich konnte ihn nicht sehen, er war nicht da. Was war bloß los? Ich wollte, dass das aufhörte, aber ich wusste noch nicht einmal, was passierte.
„Anna, sag mir, was du sehen kannst, okay? Du musst mir sagen, was du sehen kannst, egal, was du glaubst zu sehen, ist nicht echt, okay? Es ist nicht echt."
Zitternd sah ich mich um. „Da... Da ist das Geschirr vom Mittagessen... und... und die Orangensaftpackung steht auf dem Tisch..." Sogar die kleinen Magnete auf dem Kühlschrank, die Brielle immer gesammelt hatte waren da. Es war so recht, es musste echt sein.
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Annabeth
Mystery / Thriller„Wenn ich abends einschlafe, dann weiß ich nicht, ob in meinem Körper Anna oder Beth aufwachen wird." -- -- Wann Beth sich in Annas Kopf eingenistet hat, weiß Anna nicht mehr. Sie weiß nur, dass Beth eine Menge schlechter Entscheidungen trifft, die...