6_Cyril Lloyd

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Lady Eleanor wirkte ebenso überrascht wie wir uns hier anzutreffen. Aber nachdem ich meine Entschuldigung losgeworden war und Lady Eleanor mich ansprach, war ich fast überraschter als durch die Tatsache Admiral und sie hier anzutreffen. Sie sprach mich mit meinem Namen an. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Immerhin hatte sie diesen erst ein einziges Mal gehört und es gab unzählige verschiedenste Angestellte auf diesem Anwesen. Warum sollte sich eine der Herrschaften die Mühe machen und versuchen sich all diese Namen zu merken? Sie konnten daraus immerhin keinen Nutzen ziehen.

Mit nun etwas aufmerksameren Blick betrachtete ich Lady Eleanor wie beiläufig. Sie wirkte anders- ebenso wie ihre Schwester Lady Gracelyn. Sie waren nicht diese typischen vornehmen Herrschaften, die ihre Diener nur wie strohdummes, wertloses Vieh betrachteten. Und sie war aufgeweckter und somit gefährlicher, als ich sie zu Beginn eingeschätzt hatte. Ihr gegenüber musste ich mich in Acht nehmen. Als sie mir versprach dafür zu sorgen, dass Admiral nicht verprügelt werden würde, stahl sich augenblicklich ein dankbares Lächeln auf meine Lippe, welches ehrlich gemeint war. Ihr Zögern danach riss mich aber in die Wirklichkeit zurück.

Als sie danach meinte, dass sie dieses Anliegen zuerst ihrem Bruder und oder Vater übermitteln müsste, machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit. Ich hatte genug über Lady Eleanors Familie in Erfahrung gebracht, dass ich wusste, dass Admiral den beiden völlig egal sein würde. Keine Ahnung ob sie ihn verprügeln, erschießen oder nur vertreiben würden, aber hier zu bleiben würde ihm unmöglich sein. Lady Eleanor würde sie also bei Gelegenheit informieren? Ich war von Mask ausreichend gut ausgebildet worden, dass ich die Lüge spürte. Es war keine reine Lüge, aber ich spürte eine gewisse Ungewissheit welche Lady Eleanor ausstrahlte. Vermutlich war sie von der aktuellen Situation überfordert und unsicher wie sie weiter verfahren sollte.

Um meine Tarnung nicht auffliegen zu lassen- Lady Eleanor war keine schlechte Lügnerin, jeder normalen Person wäre die Lüge oder genauer gesagt die Nicht-Wahrheit vermutlich gar nicht aufgefallen- sagte ich nichts dazu. Als sie sagte, dass ich Admiral erstmal hierbehalten durfte- mich nur um seine Verpflegung kümmern musste- neigte ich meinen Kopf mit aufrichtiger Dankbarkeit. „Ich danke euch Lady Eleanor für eure Großzügigkeit! Ich werde das niemals vergessen. Admiral bedeutet mir alles!"

Als sie hinzufügte, dass die Köche ein paar Reste für Admiral übrighaben würden, wanderte ein Lächeln über ihr Gesicht- was sie aber rasch wieder verbarg. Das Lächeln hatte wohl eine Seite von ihr gezeigt, die sie anderen nicht zeigen wollte. „Ich verspreche, dass Admiral keinen Ärger verursachen wird- er gehorcht mir aufs Wort!" Matt machte sich bemerkbar, welcher bei der Tür stand und immer wieder hinausgeblickt hatte ob die Luft dort rein war. „Vielen Dank für alles Lady Eleanor!", bedankte er sich und winkte mich dann zu sich. „Wir sollten gehen. Die Luft ist gerade rein..." Ich nickte und huschte zur Tür. Dort befahl ich Admiral lautlos mir zu folgen. Ich hatte ihm einige Handzeichen beigebracht, damit er meine Befehle auch dann verstehen konnte, wenn ich gerade leise sein musste und somit nicht sprechen konnte. Ich warf einen letzten Blick zu Lady Eleanor. Sie könnte in Zukunft zweierlei sein: Entweder ein Weg um schnell aufzusteigen in der Hierarchie der Diener oder ein Hindernis was meinen ganzen Plan zum Scheitern verurteilen konnte. Ich musste in Zukunft ihr gegenüber einfach aufpassen.

Ich nickte ihr noch einmal kurz zu und huschte dann hinter Matt gemeinsam mit Admiral aus der Tür und auf den Flur, welcher tatsächlich menschenleer war. Matt lotse mich daraufhin in die Küche und dort zu seiner Mutter, welche gemeinsam mit den anderen an der Vorbereitung des Mittagessens war. „Mom, das ist Admiral- Cyrils Hund. Lady Eleanor erlaubte..." Doch er hatte seinen Satz noch gar nicht zu Ende gebracht als sich die stämmige, aber durchaus hübsche Frau mittleren Alters mit einem warmen Lächeln zu Boden beugte und Admiral ein großes Stück Fleisch entgegenhielt. Sie zwinkerte mir zu. „Gibt's bestimmt nicht jeden Tag, aber heute sind viele Reste übrig geblieben..."

Ich nickte ihr mit einem dankbaren Lächeln zu. So viel Herzlichkeit hatte ich schon lange nicht mehr erlebt. Admiral schnappte nicht nach dem Fleisch, sondern setzte sich mit aufmerksamen gespitzten Ohren hin und wartete auf mein Okay. Ich bewegte meine Hand leicht und Admiral nahm das Fleisch vorsichtig aus der Hand um sich dann auf den Boden zu legen und das Fleisch genüsslich zu verschlingen. „Keine Sorge- Admiral ist hier gut aufgehoben- kümmert euch ruhig um eure Arbeit!" Ich gab Admiral einen kurzen Befehl, dass er hierbleiben und auf mich warten solle, ehe ich ihn ein letztes Mal kurz kraulte. „Vielen Dank!" Matts Mutter nickte mir lächelnd zu und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit, während sich Admiral in eine Ecke der Küche zurückzog und sich dort niederließ.

Als Matt und ich die Küche über die Geheimgänge verließen und wieder zurück in den Garten kehrten, merkte Matt an wie gut Admiral auf mich hören würde. „Ich habe ihn lange trainiert...", entgegnete ich mit einem schiefen Grinsen. Anschließend setzte Matt seine Besichtigungstour durch und zeigte mir den Rest des Gartens und des Hauses. Ich würde bei dieser Größe wohl noch ein paar Tage brauchen bis ich mich wirklich zurechtfinden würde. Anschließend kehrten wir in den Stall zurück und Matt begann mir beizubringen wie ich mit den Pferden umzugehen hatte und welche Tätigkeiten ich erledigen musste. Ich hatte zum Glück einen Draht zu Tieren und kam somit gut mit den Pferden zurecht. Trotzdem waren es viele neue Sachen, die ich lernen musste und ich merkte, dass ich mit der Zeit immer erschöpfter wurde. Irgendwann ordnete Matt eine Pause an und ich ließ mich auf einen Ballen Stroh sinken.

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