Gekonnt parierte ich mein Pferd durch, nachdem ich dicht gefolgt von meinem Vater und einigen Jagdhunden den Stall erreichte. Vor uns erhob sich das Anwesen der Familie; jedes Mal aufs Neue imposant. Und das, obwohl ich in meinem Leben wahrlich genug Gelegenheiten gehabt hatte es zu bewundern. Deutlich weniger bemerkenswert war dagegen mein Stallknecht, dessen Aufgabe es sein sollte sich um mein Pferd zu kümmern, und zwar augenblicklich! Stattdessen glänzte der Kerl durch Abwesenheit, was mich ungemein ärgerte. Immerhin musste ich vor dem Mittagessen noch meine Reitkleidung ablegen und etwas anderes anziehen. Ich wollte für meinen Kammerdiener hoffen, dass er daran gedacht und bereits etwas hingelegt hatte, aber so wie ich ihn kannte hatte er es vergessen. Am Ende würde ich noch aufgrund meiner unfähigen Diener zu spät kommen, war das zu fassen? Mein Magen jedenfalls hatte lautstarke Einwände gegen diese Vorstellung. Und war es denn zu viel verlangt, nach einem (im Übrigen sehr erfolgreichen) Jagdausflug mit seiner Lordschaft, meinem Vater, einen anständigen Stallburschen zur Stelle zu haben? Was glaubten diese faulen Angestellten denn eigentlich wen sie hier warten ließen?! Zugegeben, ich war vielleicht nicht mein älterer Halbbruder und Erbe, aber etwas Respekt stand mir doch wohl trotzdem zu, verdammt! Auf jeden Fall mehr als denen.
Verärgert und ungeduldig drückte ich meinem Pferd die Beine in die Flanken, was der Stute ein entrüstetes Schnauben und Vater einen tadelnden Blick entlockte. Aber zum Teufel mit ihnen, immerhin hatte ich allen Grund ungeduldig zu sein!
"Ihr da!", rief ich zwei der nächstbesten Stallburschen zu, "Sitzt dort nicht so unnütz herum! Kommt her, sofort!"
Wild mit einer Hand gestikulierend winkte ich die beiden zu mir heran, während ich mit der anderen die Zügel fester anzog um meine Stute ruhig zu halten. Mein scharfer Ton gefiel ihr anscheinend nicht besonders. Und nicht nur ihr. Ich wusste, dass Vater es nicht mochte, wenn ich so mit der Dienerschaft umging. Allerdings störte es ihn auch nicht genug um mich ernsthaft davon abzuhalten.
"Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!", blaffte ich einen der Männer an, bevor ich schwungvoll aus dem Sattel stieg und dann dem anderen die Zügel in die Hände drückte. Beide waren älter als ich, aber ich kommandierte schon mein ganzes Leben lang Leute herum, ganz egal welchen Alters, also stellte das kein Problem für mich dar.
"Ihr wisst ja hoffentlich selbst was jetzt eure Aufgabe ist. Na los, warum steht ihr denn immer noch hier? An die Arbeit!"

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Dollhouse
RomantizmEngland zur Zeit der Industrialisierung. Eleanor scheint das perfekte Leben zu führen. Ihre Familie ist hoch angesehen, reich und besitzt jede Menge Land und Angestellte. Sie bekommt Privatunterricht, ihre Gesellschaft ist vorsortiert und ihre Zukun...