Eleanor schaffte es tatsächlich meine Meinung von ihr noch etwas mehr zu verbessern, als sie zu lächeln begann, nachdem ich zu lachen begonnen hatte. Sie wirkte dadurch wie eine völlig andere Person. Weniger wie die junge Adelige, die sie eigentlich war, sondern vielmehr wie eine junge, hübsche Frau, der man so auch auf der Straße begegnen konnte. Jemand, die ständig viele Blicke auf sich zog und mit der man gerne sprach. Ein hübsches Mädchen aus der Nachbarschaft. Ich musste an mich halten mich daran zu erinnern, wer sie wirklich war und dass ich vorsichtig in ihrer Gegenwart sein musste. Ich durfte aus mehreren Gründen nicht damit anfangen zu viel von ihr zu halten und ihr näher zu kommen. Es hätte ohnehin keinen Erfolg.
Bei ihrer Frage wäre ich beinahe zusammengezuckt, konnte mich aber im letzten Moment beherrschen und lachte stattdessen einfach, als würde ich ihre Frage ganz locker sehen. Währenddessen zermarterte ich mein Gehirn, was ich ihr darauf für eine Antwort geben konnte. Sie hatte die Handzeichen gesehen und das vermutlich nicht nur einmal, es brachte also nichts diese Tatsache irgendwie zu leugnen, sie würde mir vermutlich ohnehin nicht glauben und sie durfte nicht das Gefühl haben, dass ich sie anlog. Ich brauchte sie vielleicht noch und dafür musste ich ihr Vertrauen besitzen. „Nun, lässt sich wohl schlecht leugnen, oder?", entgegnete ich mit einem schiefen Grinsen. „Ja, Admiral hört tatsächlich auf ein paar einfache Handzeichen..." Auf wie komplizierte Handzeichen er hörte, musste ich ihr ja nicht erzählen. Ich hatte viel Zeit gehabt, mit der ich nichts anfangen konnte und einen Hund, der einem aufs Wort gehorchte und auch kompliziertere Befehle ausführen konnte war Gold wert. „Sagen wir es so, ich habe meine Freizeit gut genutzt und es ist durchaus praktisch, wenn man in London einen Hund hat, der einen beschützen kann und vor Angreifern verteidigt, ohne dass man mit ihm deswegen reden muss, um einen Befehl zu geben. London ist ein unsicheres Pflaster...", erklärte ich, auch wenn das nur ein sehr kleiner Teil der Wahrheit war. „Er war ein Straßenhund, dem ich damals am Hafen begegnete. Ich hatte Mitleid mit ihm und nahm ihn auf, auch wenn es eine Weile dauerte bis ich sein Vertrauen gewinnen konnte. Er ist allen gegenüber normalerweise ziemlich zurückhaltend, aber zu Ihnen scheint er wirklich schnell Vertrauen gefasst zu haben- da könnte man fast eifersüchtig werden..." Ich wusste, dass mein Ton schon fast zu vertraulicher war- so sprach man eigentlich nicht mit jemanden, der so viel höhergestellt war, aber es war mir gerade egal. Eleanor war mir gegenüber so offen gewesen und irgendwie konnte ich sie nicht mehr in dem gleichen Licht betrachten wie zuvor.
Ich gab Admiral ein paar einfache Zeichen- nichts Kompliziertes um Lady Eleanor misstrauisch zu machen. Dieser wedelte darauf kurz mit dem Schwanz und baute sich dann beschützend vor mir auf. Alle seine Muskeln waren angespannt, seine Zähne gebleckt, die Ohren aufmerksam aufgestellt. Eleanor, zu welcher er zuvor noch so vertrauensvoll gewesen war, behandelte er jetzt wie jemanden, der eine ernsthafte Bedrohung für mich darstellte. Wenn ich ihm den Befehl geben würde, würde er sie in diesem Moment sogar töten. Er knurrte einmal, griff aber nicht an, so wie ich es befohlen hatte. Ich schnipste leicht mit den Fingern, damit sich Admirals Reaktion wieder auf mich richtete, dann gab ich ihm erneut ein paar Befehle. Augenblicklich entspannte sich Admiral wieder und begann erneut mit seinem Schwanz zu wedeln, ehe er sich auf den Boden legte und Eleanor unterwürfig seinen Bauch präsentierte. Ich grinste leicht. „Genau so funktioniert das. Er gehorcht mir blind auf Befehl, aber keine Sorge, er würde Ihnen von sich aus nichts tun, solange ich ihm nicht den Befehl gebe und das würde ich nicht tun, sonst wäre es immerhin etwas sinnlos gewesen Ihr Leben zu retten, nicht wahr?" Ich konnte nichts anders, meine Worte entlockten mir ein leises Lachen.
Admiral sprang schließlich wieder auf und zu mir zurück auf das Sofa, während ich meine Konzentration wieder auf Eleanor richtete, welche mir nun hoffentlich die Frage beantworten würde, wie es weiterging.
Meine Fähigkeiten? Davon hatte ich Dank Mask zum Glück zahlreiche und konnte dadurch vermutlich wirklich gut und einfach aufsteigen. Ich wollte gerade schon zu einer Antwort ansetzen um Lady Eleanor ein paar meiner Fähigkeiten aufzulisten, sodass diese leichter einen Job für mich finden konnte, als mit einem Mal eine mir fremde Stimme erklang. Ich war so auf Eleanor fokussiert gewesen, dass ich den jungen Mann nicht hatte eintreten sehen. Ich schalt mich innerlich sofort dafür. Das konnte nur Clemence sein, der ältere Bruder Eleanors, welcher nur ein bis zwei Jahre älter als ich war. Seine Stimme klang kühl, so wie ich auch erwartet hatte, dass Eleanor mit mir sprechen würde, was sie aber nie getan hatte. Clemence wirkte genau wie der perfekte, eingebildete, hochnäsige Adelige, den ich mir vorgestellt hatte und er erinnerte mich wieder daran, warum ich hier war. Diese Familie schwamm nahezu im Geld, während die Kinder im Waisenhaus täglich mit dem Leben zu kämpfen hatten. Ich musste für Gerechtigkeit sorgen.
Überrascht vernahm ich, dass Lady Eleanor sich eigentlich in ihrem Zimmer und nicht bei mir aufhalten sollte. Ich wusste nicht an welchen Grund ich gedacht hatte, aber wirklich verstehen, warum sie denn nun hier war, tat ich nicht. Vielleicht fühlte sie sich einfach etwas schuldig für das, was passiert war.
Ohne mich selbst einzumischen, verfolgte ich das Gespräch zwischen den beiden Geschwistern und war erstaunt, dass die beiden nicht gerade gut miteinander auszukommen schienen oder sich zumindest in einigen Punkten nicht gerade entsprechen zu schienen.
Ich widersprach Lord Clemence nicht, als er meinte, dass ich keine geeignete Etikette kennen würde. Hätte ich es getan, hätte ich ihn in seinem Verdacht nur bestätigt. Ich wusste, dass es eine Ausnahme war, dass Admiral immer noch hier war, aber was hatte das mit meiner Arbeit zu tun? Noch keinem war er in den letzten zwei Wochen negativ aufgefallen, eher im Gegenteil, er hatte sich sogar nützlich gemacht.
Ich wollte schon zu einer Antwort des Dankes ansetzen, als Clemence sich schließlich an mich wandte, aber die Antwort blieb mir im Hals stecken. Er wollte mich also tatsächlich entlassen? Ich wusste, dass diese Welt knallhart war zu Verletzten, aber ich hatte soeben das Leben seiner Schwester und seines Bruders gerettet. Wie herzlos musste dieser Mann sein? Natürlich, in seinen Augen war ich nur ein wertloser Angestellter, aber dass ich seine Geschwister gerettet hatte, schien ihm völlig egal zu sein. Ich musste mich wirklich zusammenreißen um ihm nicht laut und deutlich meine Meinung zu sagen. Er war nicht Eleanor, er würde eine ehrliche Antwort nicht hinnehmen, vermutlich dürfte ich mich dann nicht einmal mehr ausruhen, sondern würde sofort das Anwesen verlassen müssen.
Eleanor wurde von Clemence aus dem Raum geschickt und sie warf mir einen Blick zu, den ich als zuversichtlich deutete. Hatte sie tatsächlich vor sich gegen ihren Vater und Bruder zu stellen? Entweder war diese junge Frau dümmer oder mutiger, als ich gedacht hatte.
Aber ich wusste, dass ich selbst kämpfen wollte und musste, wenn ich hierbleiben wollte. Ich durfte nicht gefeuert werden, nicht ehe ich an eine Möglichkeit gekommen war etwas Wertvolles zu stehlen.
Ich atmete tief durch und kämpfte mich Millimeter für Millimeter unter Schmerzen auf. Jede noch so kleine Bewegung verursachte einen höllischen Schmerz in meinem Kopf und es entlockte mir einen leisen stöhnenden Laut. Doch schließlich stand ich. Admiral war an meine Seite geeilt und verlieh mir eine gewisse innere Stärke, für die ich ihm wirklich dankbar war. Unter Schmerzen, wobei ich versuchte mir diese nicht anmerken zu lassen ging ich zu Lord Clemence hinüber und kniete mich vor ihm hin. Ich musste diesen Job behalten und das um jeden Preis, egal was ich dafür tun musste und wie sehr ich mich erniedrigen musste. Für sie war es ohnehin ein gewohnter Anblick, dass die Angestellten sich verbeugten oder in die Knie gingen. „Keine Sorge Lord Clemence, ich bin durchaus noch arbeitsfähig!", sagte ich mit fester Stimme, wobei ich mich beherrschen musste, dass dieser kein spöttischer oder kühler Unterton beiwohnte. „In zwei Tagen werde ich wieder meine Arbeit als Stallbursche antreten können!" Ich wusste, dass es riskant war, denn meine Kopfverletzung könnte dadurch vielleicht niemals vollständig verheilen und es konnte zu Komplikationen kommen, aber ich durfte diesen Job nicht verlieren. Ich musste den anderen helfen. Ich richtete mich wieder auf und warf kurz Eleanor einen Blick zu, wobei sich meine Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln anhob. Ich war ihr dankbar, dass sie sich für mich hatte einsetzen wollen, es hätte aber vermutlich ohnehin nicht viel gebracht. Dann blickte ich Lord Clemence fest und entschlossen in seine Augen. „Entweder das, oder ich werde tatsächlich ein Hausdiener. Ich besitze durchaus einige Fähigkeiten, die der Familie Leighton nützlich sein könnten. In zwei Tagen könnt Ihr euch gerne selbst davon überzeugen, Lord. Ich bin mir sicher, dass ich jede Aufgabe, die Ihr mir stellt nach Ihrer Zufriedenheit erledigen kann!" Ich sprach voller Überzeugung, meine rechte Hand leicht zu einer Faust geballt, während ich versuchte den stechenden Schmerz zu ignorieren.
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Dollhouse
Storie d'amoreEngland zur Zeit der Industrialisierung. Eleanor scheint das perfekte Leben zu führen. Ihre Familie ist hoch angesehen, reich und besitzt jede Menge Land und Angestellte. Sie bekommt Privatunterricht, ihre Gesellschaft ist vorsortiert und ihre Zukun...