Admiral war, während ich gesprochen hatte, auf das Sofa gehüpft und hatte es sich zu meinen Füßen bequem gemacht und zusammengerollt. Ich wusste, dass er bemerkt hatte, dass etwas nicht stimmte- er hatte irgendwie schon immer ein Gespür dafür gehabt, wenn ich verletzt war oder es mir allgemein nicht gut ging- sei es auch nur ein Albtraum. Er war immer für mich da, wofür ich ihm wirklich dankbar war. Es war eine gute Entscheidung gewesen ihn damals aufzunehmen- nicht nur weil er ziemlich schlau, lernbegierig, treu und befehlsgehorchend war, sondern auch deswegen, weil er ein guter Freund war. Ich wollte ihn nicht mehr missen und ich war froh, dass er auch hier auf dem Anwesen an meiner Seite war. Der Ort hier war mir so fremd und ich mochte ihn mit all seinen vielen Verhaltensregeln nicht wirklich. Natürlich gab es da auch noch Matt und Jay, welche zu wirklich guten Freunden geworden waren, aber wenn sie wüsste, warum ich wirklich hier war, würde die Freundschaft wohl rasch enden. Ich hoffte nur, dass die beiden am Ende nicht in Schwierigkeiten kommen würden, wenn ich erst mal hier weg war. Mir wurde bewusst, dass mein momentaner Plan noch ziemlich unausgereift war. Ich konnte nicht einfach nach dem Coup abhauen, weil der Verdacht dann augenblicklich auf mich fallen würde. Wenn dann irgendjemand die Verbindung zum Waisenhaus zog, war es aus und vorbei. Außerdem vertraute ich darauf, dass ich tatsächlich irgendwann so weit in der Hierarchie aufsteigen würde, dass ich kein Misstrauen in Räumen erweckte, wo wertvolles gelagert wurde und ich zweifelte, dass ich jemals so weit aufsteigen würde. Vielleicht bekam ich eine kleine Entschädigung für meine Verletzung, da ich Adrian und Eleanor gerettet hatte, aber dabei würde es dann wohl auch schon bleiben.
Als eine Stimme erklang, bestätigte sich meine Vermutung, dass die Person, welche mit Admiral das Zimmer betreten hatte, tatsächlich Lady Eleanor war. Ihre Stimme hätte ich sofort auf Anhieb wiedererkannt, egal nach welcher Zeit. Es war auch schon knapp zwei Wochen her, dass ich sie wirklich zum letzten Mal gehört hatte, zumindest wenn man nur die Momente zählte, wo sie wirklich zu mir gesprochen hatte. Ich war erleichtert, dass es sich tatsächlich um sie handelte. Es hätte auch irgendjemand komplett Fremdes sein können, dem ich mich gerade anvertraut hatte. Admiral knurrte sie einen Moment an, vermutlich weil sie für seinen Geschmack zu nahe an mich herangetreten war. Normalerweise zeigte er kein so beschützendes Verhalten, es sei denn ich gab ihm den Befehl dazu, aber jetzt war ich verteidigt und konnte mich nicht selbst beschützen, weswegen Admiral es für mich übernahm. Ich hob leicht meine Hand und augenblicklich verstummte der Hund, blieb aber mit gespitzten Ohren und wachsamen Blick liegen. „Er wird dir nichts tun, nur wenn ich es ihm befehlen würde!", meinte ich zu Eleanor, ohne gesehen zu haben, wie sie darauf reagiert hatte- ich hatte immer noch zu große Schmerzen um mich wirklich zu rühren.
Ich lächelte leicht, als sie sich bedankte, dass ich die beiden gerettet hatte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sich jemals jemand ihres Standes bei jemandem wie mir bedanken würde. Innerlich dankte ich Gott dafür, dass ich das wenigstens einmal erleben konnte, ehe ich sterben würde. Ich hörte nur Ehrlichkeit aus ihrer Stimme, ohne dass irgendein negatives Gefühl mitschwang, worüber ich um ehrlich zu sein etwas überrascht war. Eleanor schien sich tatsächlich etwas von den Adeligen zu unterscheiden, welche ich in meinem Leben bisher kennenlernen durfte.
„Momentan bereue ich Ihre Rettung noch nicht, von daher kann ich sagen, dass ich es gerne getan habe und es nichts gibt, wofür Ihr euch bedanken müsst!", entgegnete ich mit einem ehrlichen Lächeln und bewegte meinen Kopf leicht, um sie ansehen zu können, woraufhin allerdings erneuter Schmerz durch meinen Kopf schoss und ich vor Schmerzen leise aufstöhnte. Jetzt lag ich aber wenigstens in einer Position, in der ich Lady Eleanor betrachten konnte. Sie hatte dieses starke puppenhafte Aussehen, welches sie so zerbrechlich wirken ließ, aber sie musste wesentlich stärker sein, als ich von ihr gedacht hatte. Sonst wäre sie nämlich nicht jetzt hier bei mir, sondern auf ihrem Zimmer, immer noch zitternd vor Schreck nur so knapp mit dem Leben davongekommen zu sein. Mein Blick wanderte von ihrem Gesicht zu ihren goldblonden Haaren und mir fiel auf, dass sie durchaus hübsch war. Nun gut, das war vermutlich noch untertrieben, sie war wunderschön. Rasch schob ich den Gedanken wieder beiseite. Er hatte hier nichts verloren und sie würde ohnehin niemals Interesse an jemanden meines Standes haben- vermutlich hatte sie sogar bereits einen Verlobten- es wäre nicht untypisch für ihr Alter.
Ich war überrascht von Eleanors Selbst-Reflektiertheit. Sie ging nicht von vorneherein davon aus, dass es die richtige Entscheidung gewesen war sie zu retten, sondern meinte, dass die Zeit es zeigen würde. Sie stellte sich nicht von Vorneherein auf eine höhere, bessere Ebene, so wie ich es eigentlich von allen Adeligen gewohnt war. Nun noch etwas interessierter, mustere ich sie einen Moment lang schweigend- ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen.
Als sie dann auch noch anfing „schlecht" über ihren Bruder zu reden, war es aus und vorbei mit mir. Ich war fasziniert von dieser jungen Frau, die so weniger adelig wirkte, als sie es eigentlich war. Ihre Worte entlockten mir ein leises Lachen. Wir wussten beide, was sie meinte und es war unnötig, dass sie ihren Satz vollendete.
Ich blickte Lady Eleanor etwas überrascht an, als sie mit einem Mal Liz's Namen erwähnte. Ich konnte mich nicht daran erinnern ihn zuvor erwähnt zu haben. Hatte ich etwa während der Ohnmacht vor mich hingeredet? Ich hoffte nur, dass ich nicht mehr als Liz Namen erwähnt hatte. Aber vermutlich war das nicht der Fall, sonst würde ich nicht immer noch hier liegen und Lady Eleanor wäre mit mir völlig allein. Die junge Frau überraschte mich erneut, als sie mir gegenüber offen und ehrlich über ihre Schwester, sowie Mutter zu sprechen begann. Sie fixierte dabei irgendeinen Punkt hinter mir, weswegen ich davon ausging, dass dort vielleicht ein Gemälde von ihrer Mutter hing. Dann war die Countess of Collingwood also überhaupt nicht ihre richtige Mutter? Ich hatte zwar davon gehört, dass diese die zweite Frau des Earls war, aber es hatte mich nie genug interessiert um zu wissen, welches Kind nun von wem war.
„Ich danke Ihnen für ihre Worte, um ehrlich zu sein bedeuten diese mir viel, weil ich ihrer Stimme entnehmen kann, dass sie diese ehrlich meinen. Außerdem können Sie meinen Schmerz wohl nachvollziehen, ebenso wie ich den Ihren. Ich möchte Ihnen ebenfalls mein Beileid mitteilen!", entgegnete ich mit sanfter Stimme. „Und ich danke Ihnen für ihre Ehrlichkeit!"
Ich musterte Lady Eleanor weiterhin einen Moment lang schweigend. Was machte sie so anders? Ein paar Sachen hatte ich mittlerweile bemerkt, aber dennoch fehlten immer noch viele Informationen und die Gründe, welche dazu geführt hatten. Auch verstand ich die Faszination nicht, welche sie auf mich ausübte. Ich wollte mehr über sie erfahren. Ich wollte Zeit mit ihr verbringen. Ich wollte sie zum Lachen bringen. Lagen meine Gedanken an meiner Kopfverletzung oder hatte sie auf jeden diesen Einfluss.
„Wie wird es jetzt weitergehen?", erkundigte ich mich, vornehmlich um mich von meinen eigenen Gedanken abzulenken, welche mich wiederum von meinem eigentlichen Ziel ablenkten. „Ich werde wohl eine ganze Zeit lang nicht mehr arbeiten können- zumindest als Stallbursche. Der Doktor meinte, dass ich meinen Kopf schonen soll, was bedeutet, dass ich zumindest eine Woche lang kaum werde aufstehen können und auch danach werde ich wohl kaum ständig auf Zack sein können, was die Arbeit als Stallbursche durchaus erfordert..." Fragend blickte ich Lady Eleanor an, auch wenn sie vermutlich gar keine Antwort darauf kennen würde. Ich hoffte nur, dass meine kleine Rettungsaktion nicht zur Folge hatte, dass ich ein bisschen belohnt und dann entlassen wurde, weil ich ja vorerst nicht mehr als Stallbursche würde arbeiten können.
Admiral war mittlerweile wieder aufgestanden und vom Sofa heruntergesprungen. Er blickte mich einen Moment fragend an, und als ich ihm das „Okay" gab, lief er zu Lady Eleanor hinüber, welche er neugierig beschnupperte. Dann begann er mit seinem Schwanz zu wedeln und leckte ihr über die Hand. Selbst er mochte die junge Dame also, was selten vorkam. Normalerweise war er anderen Menschen gegenüber eher scheu. Ich war mir nicht sicher, ob das nicht zu viel war, weswegen ich Admiral einen kleinen Wink gab und er zurück zu mir auf das Sofa hüpfte. Dieses Mal legte er sich hin und wirkte nicht mehr so misstrauisch Eleanor gegenüber. „Er mag Sie!", stellte ich mit einem kleinen Lächeln nun auch laut fest und ein leises Lachen kam über meine Lippen. „Sie dürfen sich geehrt fühlen, denn da wären Sie abgesehen von mir die Einzige, Admiral hält lieber Abstand zu anderen Menschen!"
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Dollhouse
RomanceEngland zur Zeit der Industrialisierung. Eleanor scheint das perfekte Leben zu führen. Ihre Familie ist hoch angesehen, reich und besitzt jede Menge Land und Angestellte. Sie bekommt Privatunterricht, ihre Gesellschaft ist vorsortiert und ihre Zukun...