11_Cyril Llyod

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Ich hatte Adrian Leighton mittlerweile oft genug erlebt, um zu wissen, dass er mit Kritik oder Zweifel an seinen Fähigkeiten nicht gerade gut zurechtkam. Aber trotzdem war mir keine andere Wahl geblieben als ihn auf den schlechten Zustand seines Hengstes hinzuweisen, weil es nun mal einfach die Wahrheit gewesen war. Außerdem konnte ich nicht gebrauchen, dass der Hengst- den ich in Gedanken Lightning, aufgrund eines weißen Flecks in Form eines Blitzes, getauft hatte- Adrian vielleicht abwarf und mir die Schuld dafür gegeben wurde. Ich wollte hierarchisch aufsteigen und nicht entlassen werden, dafür war dieser Coup einfach zu wichtig. Ich hasste es die ganze Zeit wortwörtlich am Boden herumkriechen zu müssen und jedem Befehl, sei er auch noch so stumpfsinnig, folgen zu müssen, aber vorerst blieb mir keine andere Wahl. Trotzdem ein Grund mehr möglichst bald aufzusteigen, damit die Arbeit, die ich verrichten musste, nicht mehr ganz so schlimm war. Immerhin musste ich nicht mehr nur noch Ställe von den Pferden irgendwelcher unwichtigen Personen ausmisten. Zum persönlichen Stallburschen von Adrian Leighton aufgestiegen zu sein war da wenigstens ein kleiner Fortschritt und ich hatte vor möglichst bald eine Methode zu finden, wie ich noch weiter aufsteigen konnte. Irgendwie musste ich meinen Wert beweisen.

Ich hörte kaum zu, als Adrian mich natürlich augenblicklich zurechtwies. Ich hatte es ohnehin schon kommen sehen und ich hatte ihn zumindest vorgewarnt- etwas anderes konnte nicht behauptet werden. Auch wenn am Ende der Junge wohl nie die Schuld tragen würde, dafür stand er gesellschaftlich zu weit oben. Ich hoffte nur, dass dem armen Pferd kein Leid zugefügt wurde. Jeder konnte mal einen schlechten Tag haben und irgendetwas beunruhigte das ohnehin temperamentvolle Pferd, weswegen es kaum zu bändigen war. Wenn nicht von mir, wie dann von Adrian, welcher sein Pferd auch so schon kaum beherrschte?

Dieser versuchte gerade auf Lightning aufzusteigen, welcher allerdings so unruhig auf der Stelle tänzelte, dass er es kaum schaffte und beinahe schon wieder aus dem Sattel gefallen wäre. Ich hielt das Pferd an den Zügeln fest und redete beruhigend auf es ein- in der Hoffnung, dass das alles gut gehen würde. Tatsächlich saß Adrian irgendwann im Sattel, aber der Hengst hatte seine Ohren angelegt und die Augen weit aufgerissen, während er unruhig mit den Hufen aufstampfte. Das hier war eindeutig keine gute Idee, aber Adrian schien geradezu besessen davon zu sein, dass er alles unter Kontrolle hatte und ich wagte es nicht, ihn erneut hinzuweisen, dass das keine gute Idee war. Selbst auf seinen Befehl hin könnte ich gefeuert werden- er musste seinem Vater vermutlich nicht mal einen wirklichen Grund dafür nennen. Es würde ausreichen, dass er mich hier nicht wollte. Es war wirklich schrecklich von dem Wohlwollen einer anderen Person abhängig zu sein.

Adrians Tonfall half nicht gerade das Pferd zu beruhigen, als dieser lautstark nach den Zügeln verlangte, welche ich ihm- wenn auch widerwillig- überreichte. Noch immer sprach ich mit leiser, beruhigender Stimme auf das Tier ein, aber Lightning war so unruhig, dass mein Einfluss auf ihn gerade so gut wie nicht vorhanden war, obwohl er sich mir gegenüber eigentlich immer ziemlich ruhig und folgsam verhalten hatte.

Eine Stimme erklang, welche Adrians Namen rief und ich drehte mich suchend zu der Person um, auch wenn das wohl nicht nötig gewesen wäre, denn auch wenn ich die Stimme schon seit zwei Wochen nicht mehr gehört hatte, so hatte ich doch sofort Lady Eleanors Stimme erkannt. Sie hielt eine Reitgerte in der Hand und kam auf uns zu, doch ihr Satz verstummte mittendrinnen und ich drehte mich abrupt zu Adrian um, welcher der einzige Auslöser dafür sein konnte. Ich bekam gerade noch mit, wie er scharf an den Zügeln des Hengstes zog, woraufhin Lightning laut wieherte und panisch stieg. Der junge Leighton konnte sich gerade noch festhalten, aber das Pferd war mittlerweile komplett am Durchdrehen. Adrian machte das Ganze nicht besser, indem er wütend wurde und noch mehr an den Zügeln zerrte, während er mit lauter, befehlender Stimme versuchte das Pferd wieder unter Kontrolle zu bringen. Dieses erschrak durch seine Versuche erneut und stieg, ehe es einfach nur blindlings lospreschte. Ich hatte gerade genug Geistesgegenwart und Reaktionsvermögen, um Lady Eleanor, welche in meiner Nähe stand und damit genauso im Weg des Pferdes, wie auch ich, grob am Arm zu packen und mit mir in einen Heuhaufen zu ziehen. Nur wenige Millisekunden später war das Pferd auch schon an uns vorbei und außerhalb des Stalles.

Matt kam bleich in den Stall rein, als ich mich bereits wieder aufrappelte. „War das gerade Lord Adrian?" Ich antwortete ihm nicht, sondern schnappte mir stattdessen den Strick, an welchem er gerade einen Hengst in den Stall hereinführte. Ich wusste zwar, dass das das Pferd eines der Mitglieder der Familie Leighton war, aber das spielte gerade keine Rolle. Es war gerade wichtiger das Pferd zu retten. Und natürlich auch Adrian, wenn auch bei ihm weniger aus Sympathiegründen, sondern weil ich mir davon erhoffte, dass ich vielleicht einen kleinen Vertrauensbonus bekommen würde. Ich zog das Pferd mit mir und schwang mich im Laufen auf seinen Rücken. Zwar hatte ich noch nie tatsächlich auf dem Rücken eines Pferdes gesessen, geschweige denn war ich aufgestiegen, aber ich war durchaus geübt im Erklimmen verschiedenster Hindernisse aufgrund meiner zahlreichen Fluchten von irgendwelchen Coups- nicht immer war ich bei kleinen Taschendiebstählen geblieben, vor allem nicht mit Mask.

„Was machst du da, Cy? Bist du verrückt?", hörte ich Matt noch rufen, da war mein Pferd auch schon aus dem Stall geprescht. Ich lenkte es mit meinen Beinen und den Fingern in der Mähne, was erstaunlich gut funktionierte. Gerade war ich wirklich froh, dass ich so einen guten Draht zu Tieren hatte, aber dennoch war das eine eher selbstmörderische Aktion.

Ich erspähte Adrian auf seinem Hengst ein ganzes Stück entfernt- noch hing dieser irgendwie im Sattel, aber Lightning stieg erneut und Adrian rutschte immer tiefer gefährlich herab. Ich beugte mich vor und flüsterte dem Pferd beruhigend zu, während ich meine Knie noch etwas fester gegen mein Pferd drückte, wodurch es noch etwas schneller galoppierte. Ich hatte nicht mehr viel Zeit.

Mittlerweile stieg der Hengst nicht nur noch ab und an, sondern hatte angefangen richtig zu bocken und vollführte wilde Sprünge. Ich kam bei Adrian an und griff nach den Zügeln, welche vom Hals des Pferdes herabhingen. Der junge Lord hatte sie schon längst losgelassen und versuchte sich verzweifelt am Hals des Pferdes festzuhalten, aber er rutschte immer wieder ab, während er das Pferd laut anschrie und dadurch alles nur noch schlimmer machte.

Von dem Rücken meines Pferdes aus, welches ich in sicherem Abstand vor den wirbelnden Hufen des anderen Pferdes halten musste, schaffte ich es allerdings nicht die Zügel zu erwischen und so rutschte ich vom Rücken meines Hengstes herab und versuchte beruhigend zu dem vollkommen panischem Tier zu sprechen. Allerdings übertönte Adrian lautstark jeden meiner Versuche.

Lightning machte einen weiteren Satz und es passierte, was zwangsläufig irgendwann passieren musste: Adrian stürzte vom Rücken des Pferdes. Er kam neben dem Pferd auf dem Boden auf und rollte sich zusammen, um sich wenigstens irgendwie vor den wirbelnden Hufen zu schützen. Jetzt gerade wirkte er vielmehr wie ein kleiner, verängstigter Junge. Er erinnerte mich an die Kinder im Waisenhaus und das ließ mich jede Gefahr und jeden Rückbehalt vergessen. Ich rannte zu ihm hinüber und zog und zerrte ihn aus der Gefahrensituation heraus- Adrian selbst schien entweder zu verängstigt oder zu verletzt sein, um es selbst zu tun. Lightning hatte sich immer noch nicht beruhigt und scheute immer wieder. „Ruhig, mein Junge!", sprach ich beruhigend, während ich immer weiter auf ihn zuging- in seinem momentanen Zustand stellte er sowohl eine Gefahr für sich als auch für jeden anderen dar. Tatsächlich begann der Hengst sich langsam ein wenig zu beruhigen- er stieg nicht mehr, aber er tänzelte immer noch unruhig auf der Stelle herum.

Doch es kam anders, als ich erwartet hatte. Adrian schrie irgendetwas, aber ich war zu fokussiert auf den Hengst um zu verstehen was er sagte. Lightning bekam wieder Panik und stieg erneut. Ich versuchte seinen herumwirbelnden Hufen auszuweichen, aber da traf mich auch schon eine seitlich am Kopf. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen und ich stürzte zu Boden. Ich spürte noch den sanften Stupser einer Pferdenase und dachte mir: Wenigstens hat sich Lightning wieder beruhigt, dann wurde ich ohnmächtig, während Blut aus der Wunde sickerte und das Gras rot färbte.

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