35_Cyril Lloyd

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"Was soll das heißen, du hast sie beschäftigt?"

Ich wollte schon zu einer Antwort ansetzen und mich erklären - sie ablenken, von dem, was ich gerade gesagt hatte- aber zum Glück war das gar nicht mehr notwendig. Vermutlich hatte Eleanor doch auch etwas zu viel von dem Alkohol gehabt, den wir ausgeschenkt hatten. Allgemein schienen meine Worte sie eher zu verwirren als sonst etwas. Ein amüsiertes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Sie war niedlich, wenn sie so war. Ich musste nur aufpassen, dass ich ihren alkoholisierten Zustand nicht zu sehr ausreizte und ausnutzte. Das würde weder sie mir, noch ich mir jemals verzeihen.

Pflichten vernachlässigen? Sollte ich jetzt ein wenig beleidigt sein, weil Eleanor das tatsächlich von mir dachte? "Keine Sorge, ich vernachlässige nicht meine Pflichten, sondern nur meinen Schlaf", entgegnete ich mit einem leisen Lachen. "Lady Cecilia hat mich entlassen, damit ich morgen für euren Ausflug nach London ausgeruht und bei Kräften bin. Sie wünschte, dass ich Euch begleite. Über die Entführung lässt sich aber wohl streiten. Ich würde sagen, wenn Ihr mir freiwillig folgt, kann man es eher weniger als Entführung bezeichnen."

"Du musst den Verstand verloren haben."

Vielleicht hatte ich das. Vermutlich schon vor viel zu langer Zeit. Und der einzige Grund dafür war Lady Eleanor. Sie brachte mich zu Sachen, die ich sonst so niemals gesagt oder getan hätte. Ich war mit meiner Aussage von zuvor viel zu unvorsichtig gewesen- hätte sie anders formulieren müssen. Wenn Eleanor herausbekam, dass ich ein Dieb war, hatte ich alles verspielt. Ich würde hängen, die Waisenkinder würden keine Hilfe bekommen und Eleanor hatte ich dann automatisch auch für immer verloren. Sie mochte teilweise vergessen können,  dass ich nicht adelig war, aber sie würde niemals vergeben und vergessen können, dass ich ein Dieb war. Dieser Fakt durfte niemals ans Licht kommen. Es musste mein Geheimnis bleiben, bis ich wieder von hier weg war. Und bis dahin wollte ich jede Sekunde mit ihr genießen.

Es brachte wohl nichts mehr es zu verleugnen. Lady Eleanor zog mich wie magisch an. Und das war ein riesiges Problem. Ich konnte es mir nicht leisten. Und gleichzeitig konnte ich auch nicht widerstehen. Sie war wie das kostbarste Kleinod, das ich jemals gesehen hatte. Wie sollte ein Dieb wie ich sich da nur zurückhalten können? Es war unmöglich. Sie war außergewöhnlich. Noch nie war ich einer Frau wie ihr begegnet. Ich wusste, ich würde es später bereuen, wenn ich sie einfach so gehen lassen würde. Und doch gab es einfach keine Möglichkeiten für uns. Keine Zukunft, selbst, wenn sie sich jemals für mich interessieren sollte. Selbst, wenn sie eine gemeinsame Zukunft wollen sollte. Es war ausichtlos. Warum nur waren wir in solch unterschiedliche Stände geboren worden? Warum nur war alles so schrecklich kompliziert? Und ich vergaß wieder und wieder den wichtigsten Punkt: Das alles würde ein Ende haben und zwar bald. Sobald ich genug gestohlen hatte und es jemand anderen gab, der schuldig war, würde ich nur noch ein kleines bisschen hier bleiben, um keinen Verdacht auf mich zu ziehen und dann würde ich mich um das Waisenhaus kümmern müssen. Wir würden es weit weg von London erbauen müssen, wo niemand uns kannte und sich über das Geld wunderte. Ich konnte nicht hierbleiben. Meine Zeit mit Eleanor war begrenzt. Und vielleicht wollte ich sie aus genau diesem Grund bis in die letzte Sekunde auskosten und nicht an die Zukunft denken. Nur würde ich mit jedem Tag immer besser aufpassen müssen, dass Eleanor mir nicht zu nahe kam, während sie Schutzschicht um Schutzschicht einriss.

Bei Eleanors Nachfrage, dass und ob Cecilia ihren Ohrring verloren hatte, nickte ich nur knapp und zuckte dann mit den Schultern, als würde ich dem keine große Bedeutung zumessen und Eleanor schien immer noch so durcheinander zu sein, dass sie diese Antwort zuließ ohne weitere Fragen zu stellen.

"Ich würde es gern."

Sie wollte mir also tatäschlich vertrauen? Nur zu dumm, dass ich mir selbst nicht vertrauen würde. Ich war ein meisterhafter Lügner. Ich versuchte meine Ehrlichkeit bei Eleanor zu bewahren und wäre mir nicht bewusst, sie auch nur einmal angelogen zu haben, da sie stets die für mich richtigen Fragen gestellt hatte. Dennoch blieb ich wohl für immer ein Lügner und Dieb. Niemand, dem man jemals vertrauen sollte. Und dennoch würde ich Eleanor niemals absichtlich schaden. Aber war das nicht vielmehr nur eine Ausrede? Wenn es so weiterging, würde ich Eleanor eines Tages mit der Wahrheit das Herz brechen, das war mir bewusst. Und dennoch war ich so egoistisch und konnte sie nicht aufgeben. 

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