Waisenhaus-Kapitel: Verplappert

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Das Zimmer war wesentlich ordentlicher als die anderen. Es standen zwei Regale und ein Schrank in dem Raum, mitsamt einem Bücherregal. "Hm..." Mari ging zu einem der Schränke und zog eine Schublade auf. Diebesgut aller Art häufte sich in ihm. Mari kramte darin herum, während Kaio es ihr gleich tat und etwas fand. "Das ist Alex' Tagebuch!" Er hielt fassungslos ein kleines Buch in der Hand, in das Zeichnungen hinein gekritzelt wurden. "Sie sucht das schon seid Monaten...", "Die Typen nehmen euch wohl gerne Sachen weg. Wie viele seid ihr denn unten in der Kanalisation?", "Knapp zwanzig.", "Hmh... Hoffentlich sind die anderen okay." Mari schob die Schublade zu und öffnete eine andere. "Ich mache mir Sorgen um Jacky und die anderen...", "Mh? Deine Freundin? Redest du von ihr und den anderen Mädchen, die bei uns gelandet sind?", "Sie sind bei euch da unten?", "Robin und Nina haben sie aufgegriffen, als sie von der Polizei weg gerannt sind. Die letzte kam total fertig bei uns an.", "Sind sie okay?", "Ja. Rattfratz werden öfter mal bei ihnen vorbeischauen, aber das ist dort normal." Kaio schaute Formulare durch, die auf einem Tisch lagen. "Luxusbetten und Sterneessen kann man da unten nicht erwarten." Mari sah das Schubfach durch und stieß auf ein schwarzes, in Leder gebundenes Buch, das ziemlich teuer aussah. "Hm? Was ist das?" Sie nahm es heraus. Es war fest verschlossen, also war es wohl ein Tagebuch. "Hm. Verschlossen.", "So eins könnte sich niemand von uns leisten." Kaio musterte das Buch misstrauisch. "Das muss einem der Erzieher gehört haben.", "Das haben wir gleich. Guardevoir?" Mari sah zu ihrem Pokémon, das nickte und das Schloss knackte. "Danke." Sie schlug das Buch auf. "Polizisten sind in der Gegend um das Waisenhaus aufgetaucht. Warum auf einmal?? Wir waren die ganze Zeit sicher! Wir müssen bald abhauen.", stand dort geschrieben. Mari blätterte um. "Wieder sind weitere dieser Bälger in der Nacht abgehauen, aber wir dürfen nicht nachgeben. Wenn sie sich in der Kanalisation verstecken, können wir das schon lange." Mari legte den Kopf schief. "...Dann sind die Typen, die die Polizei angreifen, wohl Erzieher, hm? Die sind also auch da unten...", "Was?" Kaio kam zu ihr und lugte ihr über die Schulter. "Zeig mal." Mari hielt ihm das Buch hin und er musterte es. "Ich kenne diese Schrift! So schreibt nur der Boss. Alle nennen ihn nur so, keiner kennt seinen echten Namen.", "Tja. Wir wissen jetzt zwar, dass sie im Untergrund sind, aber nicht, wo genau.", "Wir sollten zurück", beschloss Kaio. "Du und deine Gruppe, ihr kommt mit mir mit!" Er steckte das Buch weg. "Vielleicht wissen die anderen mehr.", "Hm... klar." Mari nickte und lief in den Flur. "Jayden? Wo steckst du?", "Hier hinten!" kam seine Stimme von irgendwo und Mari lief zu ihm. Er war gerade dabei, einen Schrank im Flur unter die Lupe zu nehmen. "Was?" Er sah auf und hielt inne, als er Kaio sah. Erschrocken spannte er sich an und stand langsam auf. "Keine Sorge, ich kenne den hier." beschwichtigte Mari ihn. "Das ist Kaio. Keine Gefahr.", "...Gut. Habt ihr was gefunden?", "Kann man so bezeichnen, ja. Ein Tagebuch, in dem stand, dass sie sich in die Kanalisation zurückgezogen haben.", "Hm." Jayden musterte Kaio scharf etwas misstrauisch. "...ich finde hier nichts. Wenn die Typen im Untergrund sind, sind sie dort nicht allein. Die sind auch da." Er deutete mit dem Kinn auf Kaio. "Sollten sie den Untergrund nicht genau kennen, wenn sie seid einiger Zeit dort leben?", "Merk du dir den Weg durch ein Labyrinth, Jayden." sagte Mari kess und er seufzte. "... Ja, gut. Okay. Hast recht. Habt ihr was über deren genauen Aufenthalt gefunden? Untergrund allein ist nicht wirklich präzise.", "Nein.", "Wundervoll. Das hilft uns ja echt weiter...", "Mari!" Soleil kam die Dachbodentreppe herunter gehetzt. Sie hielt etwas in der Hand. "Schau, was ich auf dem Dachboden gefunden hab! Er lag versteckt unter den Holzdielen!" Sie hielt Mari einen zerkratzten Pokéball hin. "Ist da was drin?" wollte Mari wissen. "Ja! Ein Zettel. Warte!" Soleil klappte den Ball auf und nahm einen kleinen Papierfetzen heraus. "'Wo der Südkanal mündet', steht hier." Die drei wechselten vielsagende Blicke. "Wie viele Kanäle gibt es unten in der Kanalisation?" wollte Jayden wissen. "Fünf", antwortete Kaio. "Den Nord-, Süd-, Ost-, West- und den Zentralkanal. Aber der Südkanal ist gefährlich geworden. Wilde Pokémon treiben sich dort herum... mehr als sonst irgendwo in der Kanalisation.", "Dann liegt es auf der Hand", sagte Mari. "Unser Ziel ist anscheinend die Mündung des Südkanals. Gut gemacht, Soleil.", "Kein versteck entkommt mir!" brüstete sie sich stolz. "Die Wahrheit ist mein Licht und mein Ziel sind die Schatten!" Kaio zog eine verdutzte Grimasse und Jayden zog die Augenbrauen hoch. "Beruhigend zu wissen, dass Soleil wieder ganz Soleil ist", kommentierte er. "Anscheinend haben wir jetzt ein Ziel. Worauf warten wir noch?", "Auf gar nichts.", "Wir sollten uns aus dem Haus schleichen." sagte Kaio. "Ich bin durch den Keller reingekommen, von da führt ein Gang in die Kanalisation. Die Erzieher haben ihn wohl dort einbauen lassen, um schnell verduften zu können, wenn es auffliegt.", "Dann musst du wohl unseren Führer spielen", sagte Mari. Kaio seufzte. "Was anderes bleibt mir ja nicht übrig. Kommt mit." Zielstrebig lief er voran. Mari legte Soleil und Jayden jeweils einen Arm um den Nacken und lief zwischen ihnen hinter Kaio her. "Lasst uns ein paar Verbrecher jagen! Die Pflicht ruft!", "Bist du dir sicher, dass wir ihm vertrauen können und er uns nicht direkt zu diesen Kerlen locken will?" bedachte Jayden. "Wir würden ihnen direkt in die Arme laufen.", "Ich weiß nicht, wieso..." Mari schloss die Augen. "...aber irgendwie vertraue ich Kaio einfach." Dann fügte sie noch per Gedanken hinzu: 'Und denk dran, ich bin das Gedankenkontrollgerät undercover. Sollte er das tatsächlich vor haben, finde ich das als Erste heraus.', 'Momentan schleichst du dich aber in meinen Kopf und nicht in seinen. Ich glaube, ich sollte auf meine Gedanken aufpassen.' Jayden drehte schmunzelnd den Kopf weg. Sie liefen weiter hinter Kaio her. 

Sie stiegen die Treppen zum Keller hinunter und Kaio stemmte sich gegen ein paar Vorratskisten, in denen keine Lebensmittel mehr waren. Er schob die beiseite und legte ein Loch in der Wand frei. Er ging hinein. Die anderen folgten ihm und ihre Anspannung wuchs mit jedem Schritt. Das Scharren von Klauen auf Stein war zu hören. Knurren und fauchen ertönte. "Soll ich Licht machen?" fragte Mari. "Lass das lieber. Die Rokkaiman, die hier leben, mögen kein Licht." flüsterte Kaio zurück. "Sie können schnell aggressiv werden. Verhaltet euch am besten einfach ruhig.", "Hmh... naja, ich nehme es im Notfall noch lieber mit einem dutzend Rokkaiman auf als mit drei wildgewordenen Gara....dos." Zu spät bemerkte sie, was sie gesagt hatte und hielt sich die Hand vor den Mund. Oh oh. Jetzt hatte sie sich verplappert. Sie hoffte inständig, dass Jayden ihr nur halb oder am besten gar nicht zugehört hatte. Der Trainer schwieg, während er neben ihr her lief. 

Saviors of Tomorrow 2 (Eine Pokémon-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt