Waisenhaus-Kapitel: Vergangenes

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"Heh. Wir machen Überstunden." befand Mari und ging wieder zu Jacky. „Ich werd' langsam echt müde. Nicht nur von der ganzen Rennerei und Aufregung... Du, Jacky, ich muss dir etwas beichten.", „Was denn?" fragte sie. „Ich... hab mich verplappert.", „Wovon redest du?", „Ich habe vor Jayden aus Versehen etwas von den drei Garados gesagt...", „WAS?!" In dem Moment war Jacky froh, nichts in der Hand zu halten, weil es ihr sonst galant zu Boden geglitten wäre. „Mari, wenn er wüsste, wovon du redest...!", „Ja, deswegen ja! Ich glaube, er hat sogar schon einen Verdacht, so, wie er sich aufgeführt hat...", „Aber wie oft kommt es vor, dass jemand durch die Zeit reist? Ich bin mir sicher, dass er nicht so denkt...", „Er hat mich komisch angestarrt. Außerdem... wenn man die Legenden von Sinnoh kennt, dann könnte man sich so was in der Art ja auch denken, wenn man uns auf dem Kraterberg findet, oder?" Jacky hielt den Atem an. „Er war ja bei den anderen dabei, als sie uns gesucht haben! Stimmt, das hatte ich total vergessen!" Sie knirschte mit den Zähnen. „Ugh, hoffen wir, dass es ihn nur daran erinnert hat... Dir könnte ja dasselbe auch woanders passiert sein. Zufällig... Wir sollten uns auf jeden Fall nichts anmerken lassen." Sie drückte Mari eine der Salatschüsseln in die Hand. „Auf den Tischen im Foyer steht schon das Essen. Jeder Tisch bekommt eine dieser Schüsseln.", „Okay." Mari nickte und brachte die Schüssel zu einem der Tische. „Ich sage den Waisen Bescheid, dass sie sich bedienen können.", „Ich räume die Küche auf und komme dann nach!" rief Jacky ihr hinterher. „Okay!"

Mari klapperte die Behandlungszimmer ab und sagte jedem Bescheid, bevor sie wieder ins Foyer trat. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Kinder sich zeigten und sich hungrig an die Tische setzten. Gwin und Kaio kamen als letzte. Mari lehnte sich an die Wand und beobachtete die Waisen mit warmen Augen. Ihre glücklichen Gesichter zu sehen, war für sie Lohn genug und die Strapazen der gesamten Aktion wert. „Jetzt stellt sich nur noch die Frage, was als Nächstes passiert." Jayden lehnte sich neben sie an die Wand. „Tja, das kann keiner sagen." Mari gähnte etwas. „Warum legst du dich nicht hin? Ihr habt viel durchgemacht." Jayden rieb sich den Ellenbogen, um den ein dünner Verband gewickelt worden war. Er trug immer noch seine zerrissenen Sachen. „Hm, ja, gute Idee..." Mari stieß sich von der Wand ab. „Was machst du jetzt?", „Ich mach mich zur Liga auf. Endlich mal." meinte er und drehte den Kopf zu ihr. „Wenn ich morgen früh losfliege, könnte ich bald schon am Anfang der Siegesstraße sein.", „Hm, das wird sicher interessant..." Mari gähnte erneut. Kurz schwieg Jayden, schüttelte dann ratlos den Kopf und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Vielleicht schaue ich mal beim Kloster vorbei.", „Was zum Henker willst du denn da?" Überrascht drehte Mari sich zu ihm. „Ich meine... da ist doch gar keiner mehr, oder?", „Vielleicht haben die Klosterbrüder und Schwestern was Nützliches zurück gelassen", gab er zurück und wandte den Blick ab. „Nicht alle, die dort waren, waren wirklich böse. Viele haben sich damals um mich gekümmert. Sie waren wie... Eltern.", „Ich wei- ...Ähm, wirklich?" Jayden nickte und beobachtete die Waisen. „Hätten sie das nicht getan, wäre ich vielleicht einer von ihnen geworden... Ich weiß, dass ich von Nate entführt wurde, aber ich wurde dort gut behandelt. Von den meisten, jedenfalls. Und mein Bunker wartet darauf, ausgeräumt zu werden. Der arme Süßkram..." Er schüttelte den Kopf und klang übertrieben wehmütig. „Der Staub hat sich bestimmt schon an den Zucker geklebt. Wie soll ich weitermachen, wenn ich nichts davon essen kann?", „Du hattest einen Bunker dafür Wie viel hast du da bloß gehortet, bis unters Dach?" Jaydens darauf folgendes Grinsen sprach Bände. „Es ist so viel, dass man alle im Kloster damit hätte versorgen können. Also wirklich nicht viel.", „Nicht... viel. Aha.", „Bist du etwa neidisch?" Er drückte ihr grinsend den Ellenbogen in die Seite. „Ich und neidisch? Niemals." Mari schob lachend seinen Arm weg. „Mit Süßigkeiten kann man so gut wie jeden unter seine Kontrolle bringen, weißt du? Kleine Kinder, Pokémon, ein Mädchen, das mit ihrer Freundin auf einen Berg steigen wollte und dabei den Reiseführer beleidigt hat...", „ICH hab dich bestochen. Nicht anders herum", korrigierte Mari ihn. „Hast du etwa Leute damit bestochen?", „Oft genug." Er lachte und winkte ab. „Möchtegern-Halbstarke aus der Stadt, die die Klosterwand mit Graffiti besprühen wollten, zum Beispiel.", „So was macht man nicht, Jayden. Man gibt unartigen Kindern keine Süßigkeiten als Belohnung.", „...Oder ein kleines Mädchen, dass am Strand gefunden und zum Übernachten ins Kloster gebracht wurde...", „Wie das?" Mari hielt inne. „Zwei Mädchen wurden damals am Strand gefunden." Jayden schien ihr Zögern zu bemerken und blinzelte leicht, „Beide sahen aus, als wären sie durch die Hölle gewandert. Leute aus dem Kloster hatten sie gefunden und mitgenommen.", „Oh... Hört sich ja schlimm an." Mari gab sich Mühe, nicht aufzufallen. Jayden erinnerte sich also doch daran... Aber er schien sie doch noch nicht im Verdacht zu haben. Arceus sei Dank. „Und wieso genau hast du das Mädchen bestochen?", „Soll ich ehrlich sein? Ich wollte sie mir vom Hals halten." Er musste leicht lächeln. „Sie war die ganze Zeit auf den Beinen und wollte keine Ruhe geben, aber... naja, irgendwie wusste ich, dass es um mehr ging." Mari versuchte, den leichten Stich in ihrem Herzen zu ignorieren. Vom Hals halten... na schönen Dank auch. Sie fühlte sich leicht in ihrem Stolz verletzt. „Um mehr? Das heißt...?", „Ich dachte, dass die beiden vielleicht von ihrem Zuhause abgehauen wären oder von ihren Eltern schlecht behandelt wurden... Ich kannte meine Eltern damals nicht... wusste nicht mal, ob sie mich jemals geliebt hatten oder nicht... deswegen habe ich die Zeit genutzt, die ich hatte, und jeden gefragt, ob irgendwer die Mädchen kennt. Selbst in der Stadt. Deswegen musste ich sie auf Abstand halten. Damit sie nicht abhaut, wenn jemand ihre Eltern finden sollte. Aber nichts kam dabei heraus." Der Stich verschwand wieder. Mari hatte es noch nie laut ausgesprochen und würde es wahrscheinlich auch niemals tun, aber... Jayden war schon ziemlich süß. Wie gut, dass sie diejenige war, die Gedanken lesen konnte und nicht anders herum. Das wäre ihr ziemlich peinlich. „Das ist ein oder zwei Jahre her. Wegen den beiden war ich überhaupt noch in Tessera, als ich euch getroffen hab. Sie haben das Manaphy gerettet, dass mir Kräuter wegen Lanturn geben wollte, als es verletzt worden ist.", „Das mit Lanturn hast du mir erzählt." Mari fand, dass sie und Jacky reife Arbeit geleistet hatten. Hach ja, wenn Jayden wüsste, dass er sie gekannt hatte, bevor er sie kennen gelernt hatte... Das wäre ziemlich witzig. „Nate wollte eigentlich, dass ich mit Lanturn zu einem Kurort nach Hoenn fliege. Aber... naja, dazu kam es nie und deswegen war ich noch da.", „Glücklicher Zufall." Mari grinste leicht, als Soleil zu ihr herüber rief: „Mari, hilfst du mir beim Abräumen?", „Natürlich. Entschuldige mich." Sie nickte Jayden zu, bevor sie zu der Blondhaarigen lief. „Hier, nimm mir das ab, ja?" Das Mädchen tänzelte mit einem Stapel Schüsseln zu ihr, den Mari ihr wohlwollend abnahm. „Susan ist immer noch nicht zurück. Oh, vielleicht wurde sie von den rachsüchtigen Schatten des Untergrunds angegriffen! Vielleicht greifen schon die schwarzen, scharfen Klauen nach ihr, ganz lautlos und kaum sichtbar-", „Wohl kaum, Soleil", scherte Mari ihr dazwischen und bugsierte die Schüsseln zur Küche. „Ich meine, sie vorhin mit Gwin reden gesehen zu haben. Hat's ihnen denn geschmeckt?", „Nichts ist mehr übrig geblieben!" Soleil stellte einen Stapel Teller auf der Küchentheke ab. „Manche von ihnen haben so viel gegessen, dass sie fast geplatzt sind!", „Na, das ist schön." Viv kam zu ihnen und meldete sich freiwillig für den Abwasch und Mari und Soleil ließen sie machen. „Was macht ihr eigentlich nach der Liga?" wollte Soleil wissen. „Wahrscheinlich Einall verlassen", antwortete Mari. „Ihr verlasst Einall?", „Ja. Und du? Gehst du nach Johto zurück?", „Oh... Vielleicht. Aber ich bleibe nicht so lang, immerhin ist Susan noch hier.", „Wir werden eine andere Region erkunden. Wie du zu sagen pflegen würdest: ‚Wir werden in die unendlichen Weiten der Welt hinausziehen, um geheimnisvolle und neue Gegenden bis auf ihre Grundfesten zu erkunden, in denen vielleicht noch unentdeckte Geheimnisse schlummern.' ...Ugh, das war nicht so gut..." Mari musste lachen. „Unsinn, du hast das toll gemacht!" Soleil lachte mit ihr. „Ich fände es langweilig, mich wie Leute in meinem Alter zu benehmen, deswegen rede ich gerne so... naja, so wie du eben versucht hast.", „Ich kann dir nicht das Wasser reichen. Das ist schwerer als erwartet.", „Du bist auch viel zu jung dafür~" tadelte Soleil mit einer übertrieben abwertenden Geste und grinste über beide Ohren. „Jugend heutzutage...", „Ja ja, Oma.", „WAS?! HEY!!!", „Pfft. Hahaha..." Mari hielt sich den Bauch. „Na dann. Ich geh mal. Ich bin müde wie ein Relaxo mit Schlafmangel.", „Hehehehe... Gute Nacht!" Sie winkte Mari euphorisch zu, als die Glastür des Pokémon-Centers aufging und Susan zusammen mit Gwin herein kam. „Hey, ihr beiden, wo wart ihr denn abgeblieben?" wollte Mari wissen. „Wir waren... spazieren und haben viel besprochen." Susan faltete die Hände hinter dem Rücken. „Spazieren, huh?" Mari verschränkte skeptisch die Arme, lächelte dann aber. „Na, Gwin? Nimmst du jetzt an der Liga teil oder nicht?", „Klar!" Er hob selbstbewusst das Kinn. „Wenn ich gewinne, werden mehr auf uns Waisen aufmerksam. Erwartet deswegen nicht, dass ich es euch leicht mache!" Er grinste mit blitzenden Augen. „Hoffentlich bist du nicht schlecht gelaunt, wenn du dich auf der Zuschauertribüne wiederfindest, Mari!", „Das hättest du wohl gerne so, damit du dich nicht von mit fertig lassen machen musst, nicht wahr, Gwinny?", „Gwinny..." Susan lachte und Gwin boxte sie in die Seite. „Sehr witzig.", „Hab ich mir abgeschaut~" sagte Mari mit einem Engelsgesicht. „Ach wirklich? Von wem?", „Sag ich nicht~" Gwin zog eine Grimasse. Susan lehnte sich etwas vor, dabei wurde ihre Stimme leiser: „Eigentlich ist das nicht wirklich etwas, worin ich mich einmischen sollte, aber... stört es dich nicht, dass Kattlea sehr viel Zeit mit Jayden verbringt?", „Wie kommst du darauf?", „Naja... nicht, dass du eifersüchtig wirst oder so...", „Dazu gibt es keinen Anlass." Mari schüttelte den Kopf. „Also nein.", „Oh... na dann! Sehen wir uns morgen in meiner Schneiderei?", „Darauf kannst du zählen. Wir kommen zu dir." Mari nickte ihr zu und sah noch einmal kurz zu Jayden, der sich mit Kattlea unterhielt.

Saviors of Tomorrow 2 (Eine Pokémon-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt