Waisenhaus-Kapitel: Erleichterung

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"Der Gang hier stinkt extrem", bemerkte Jayden nach einer Weile. "Wo sind wir?", "Am Ostkanal", antwortete Kaio. "Wenn wir weiter dem Gang folgen und dann ein paar Mal die Richtung wechseln, sind wir da.", "Aha...", "Kaio!" schallte plötzlich eine Stimme durch den Gang. "Du lebst ja noch!" Schritte näherten sich. "Diesmal mit Spionen im Schlepptau? Das wird ja immer besser!", "Okay, langsam nervt's mich, nichts zu sehen." knurrte Mari. "Wir sind keine Spione.", "Lucario? Mach etwas Licht mit deiner Aura, dann können wir uns davon überzeugen." Eine blau leuchtende Kugel erschien in der Handfläche des Kampf-Pokémon. Der Junge vor ihnen hatte zerzauste, dunkelblonde Haare und hellgrüne Augen. "Gwin!" rief Mari. "Du bist ja tatsächlich hier unten!", "Ah, wir kennen uns doch!" Ein etwas erschöpftes Lächeln umspielten Gwins Lippen. "Wie lange ist's her? Monate?", "Ein halbes Jahr fast.", "So lange kommt es mir gar nicht vor!" Gwin klatschte Mari ab. "Du bist jedenfalls weiter gekommen als ich. Laslow hat mich damals fertig gemacht. Soleil, du bist ja auch hier.", "Ja!" Soleil nickte. "Schön, dich zu sehen, Gwin!", "Ihr kennt euch?" fragte Jayden. "Vom Turnier damals, ja!" Mari nickte. "Nicht gut, aber wir haben uns schon gesehen.", "Dein Bekanntenkreis hat ja mir unbekannte Ausmaße..." murmelte er überfordert. "Was verschlägt euch denn hierher, Mari?" wollte Gwin wissen. "Wir suchen die Erzieher. Ist Jacky bei euch?", "Yep, kein Grund zur Sorge. Ich hätte mir denken können, dass du nicht weit bist, wenn sie hier aufkreuzt. Das Turnier hat echt beeindruckende Allianzen hervorgebracht. Die Mädchen sahen ziemlich aufgewühlt aus, als wir sie gefunden haben. Sind wohl lange gerannt.", "Arceus sei Dank. Du lebst also hier? Kein wirklich angenehmer Ort.", "Nein, nicht wirklich, aber die anderen brauchen mich gerade mehr denn je, deshalb musste ich meine Reise unterbrechen... Wir kommen alle aus dem Waisenhaus.", "Ich hätte nicht gedacht, dass du ein Waise bist.", "Tja, Überraschung." Er grinste. "Kommt, wir bringen euch zu unserem Versteck. Und haltet euch die Nase zu, es stinkt mit jedem Schritt mehr.", "Vielen Dank für die Warnung." sagte sie und presste eine Hand auf Nase und Mund, als sie sich in Bewegung setzten. "Wenn wir schon dabei sind, wer ist denn der dritte bei euch im Bunde?", "Das ist Jayden", sagte Mari. "Ein Freund von mir.", "Angenehm." Jayden warf Kaio immer wieder düstere Blicke zu. "Was hat dich denn gebissen?" fragte Mari ihn. "Nichts.", "Warum guckst du dann so grimmig?", "Ich gucke gar nicht grimmig. Es ist nur... mir ist gerade etwas in den Sinn gekommen. Wir kennen uns." Kaio spannte unweigerlich die Schultern an. "Kaio hat die Klosterschwestern beklaut, als ich mit ihnen mal hier als Packesel unterwegs war.", "Ich hatte keine Wahl! Inzwischen müsstest du das wissen!" erwiderte Kaio mit harter Stimme. "Ich weiß. Mir fällt in letzter Zeit ziemlich viel wieder ein." Kurz ruhte Jaydens Blick auf Mari. Etwas Unergründliches flackerte kurz in seinem Blick auf. "...Ähm... Was ist?", "Manchmal muss man keine Gedanken lesen können, um zu wissen, was in dem anderen vorgeht." Er ging an ihr vorbei. Maris erster Gedanke war: Er weiß es. Er weiß es. Shit. "Was die Erzieher wohl tun, wenn wir sie finden?" murmelte Mari nach einer Weile. "Bestimmt die Kinder kampflos laufen lassen und einen Blumenkorb als Entschuldigung hinterher schicken", meinte Jayden kurz angebunden. "Wenn das ein Witz sein sollte, war er nicht witzig." knurrte Mari ihn an. Jayden wollte antworten, wurde aber davon abgehalten. "Gwin! Kaio! Wo wart ihr so lange?" Die Stimme eines Mädchens drang zu ihnen durch. Am Ende des Gangs war das schwache Licht eines Feuers zu sehen. "Hey, Nina." begrüßte Gwin sie und deutete auf Mari und die anderen. "Wir sollten sie erstmal mit zu uns nehmen. Sag den anderen Bescheid, dass wir noch mehr Besucher haben." Sie nickte und ging davon. "Sag mal, Gwin?" Mari schloss zu ihm auf. "Du hast ja beim Turnier mitgemacht... Wie sieht's mit der Liga aus?", "Gute Frage." Ratlos rieb er sich den Nacken. "Weiß noch nicht, ich werde hier gebraucht... Sie sehen mich mehr oder weniger als ihren Anführer, weißt du?", "Hmmh...", "Weißt du, wer sonst noch alles da ist?", "Alle von uns,  Laslow und Chris höchstwahrscheinlich auch. Und dann noch diese eine Person, die ich unbedingt erledigen muss...", "Klingt nach einer fälligen Rechnung.", "Jap. Diese Person hatte Spaß daran, Jacky und mich zu verspotten. Blöderweise sind wir vor langer Zeit so sehr durchgedreht, dass wir uns auf einen Kampf eingelassen haben... den wir leider voll vermasselt haben. Ich musste mich danach bei Panzaeron entschuldigen.", "So heftig? Na dann... Mal sehen, ob er von mir nicht vorher in den Dreck getreten wird. Ihr beide seid echt stark und er hat euch besiegt?", "Äh... wir hatten gerade mal drei Orden. Und er... naja. Alle.", "....Oder ich trete ihn nicht in den Dreck, weil ihr euch auf einen Kampf eingelassen habt, den ihr niemals hättet gewinnen können." fügte er bei ihren Worten hinzu. "Jedenfalls nicht mit nur drei Orden.", "Pah. Der Idiot kriegt seine Schelle schon noch. Dieser arrogante Kotzbrocken hat auf uns herum getreten, wortwörtlich. Also... bei mir, jedenfalls. Wir streiten uns gerade darum, wer ihn platt macht. Ziemlich lächerlich, ich weiß." Sie lachte. Gwin schnaubte. "Pffft... muss ja echt lustig bei euch zu gehen." Dann setzten sie sich wieder in Bewegung. Nach kurzer Zeit erreichten sie den Stützpunkt der Waisen. 

In einer großen, viereckigen Nebenkammer des Kanals schwebten Laternecto umher, um den Raum zu erhellen. Jugendliche aller Altersgruppen saßen auf dem verdreckten Boden zusammen. Ihre Klamotten waren so ausgeleiert und zerrissen, dass die Ärmel oder der Bauchbereich abgetrennt werden mussten. Viv und Kattlea saßen bei einer Gruppe Jungs in der Ecke der Kammer. Beide sahen mitgenommen aus; Kattleas Kaare fielen ihr verknotet und verdreckt über den Rücken und Vivs Schienbein war durch Risse in ihrer Jeans zu sehen. Susan hatte warum auch immer ihr Nähzeugs dabei und nähte das T-Shirt eines Mädchens. Jacky saß an der Wand und tastete mit verzogenem Gesicht an ihren Oberarm. Der war aufgeschürft. "Jacky!" Mari lief zu ihr und fiel ihr um den Hals. "Ich hab Panik bekommen, als du plötzlich weg warst!", "Und ich erst, als ich plötzlich von Polizisten stand." Mit einem leisen Lachen erwiderte sie die Umarmung und stand ächzend auf. "Ohne Licht bist du in den Kanälen verloren. Jede von uns hatte Glück, dass die zwei uns abgepasst haben." Sie deutete zu einem Jungen und dem Mädchen, Nina, dass sie vorhin bereits gesehen hatten. "Ihr Glücks-Knilze." Mari ließ sie wieder los. "Wir haben rausgekriegt, wo die Schwarzarbeiter sind. Hast du dir wehgetan?", "Nichts ernstes. Ich bin ausgerutscht und hab mir an der Wand den Arm aufgeschürft, weil ich den Boden vor mir nicht sehen konnte.", "Na dann ist ja gut... In Zukunft lass ich dich nirgendwo mehr allein hingehen.", "Ich brauche niemanden, der mich babysittet! Das ist nicht fair, Mari! War ich nicht vor wenigen Wochen noch die, die auf dich aufpassen musste?", "Ich weiß absolut nicht, was du meinst." Mari kicherte hinter vorgehaltener Hand. 

Saviors of Tomorrow 2 (Eine Pokémon-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt