Kapitel 1 - Urlaub in Transsilvanien

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Die Ferien waren wundervoll. Ich verbrachte die erste Hälfte wie geplant mit Eva und ihrer Familie. Ihre Schwester Annabell kannte ich ja schon aus Hogwarts und erkannte sie auch dank ihrer wilden roten Locken schnell wieder. Ich verstand mich sehr gut mit ihr. Die beiden hatten auch noch einen älteren Bruder, der aber schon eine Freundin hatte und mit ihr in London wohnte. Beide arbeiteten für das Zaubereiministerium. Sie hatte ich nur einmal kurz am Anfang der Ferien kennengelernt, als wir das erste Wochenende im großen Haus der McNamaras verbrachten. Mit nach Rumänien konnten sie leider nicht, weil sie nicht frei bekommen hatten. Vermutlich hatten sie auch gar keine Lust auf Familienurlaub mit der Freundin ihrer Schwester (das wäre dann ich).

Ihre Eltern waren ebenfalls sehr nett, hatten mich gleich zur Begrüßung umarmt und mich gebeten, sie Suzanne und Philip zu nennen. Philip arbeitete im St. Mungos Hospital als Heiler und Suzanne schrieb Artikel für den Tagespropheten. Sie waren vermutlich das absolute Paradebeispiel für eine Zaubererfamilie. Sie waren sogar so herrlich normal, dass ich meine verworrenen Familienverhältnisse am liebsten gar nicht erwähnt hätte.

Wir reisten nach zwei Nächten bei Eva daheim mit einem Portschlüssel nach Rumänien. Meine beste Freundin hatte nicht zu viel versprochen, denn es war großartig. Es war ein kleines Zaubererdorf in Transsilvanien. Das Hotel war nicht allzu groß, sodass man keine Angst haben musste, sich zu verlaufen. Außerdem hatte es eine rustikale, familiäre Atmosphäre. Die Drachenstation, die sich um Drachennotfälle aus ganz Europa und manchmal sogar aus Asien kümmerte, lag nur etwa zehn Fußminuten vom Hotel entfernt. Von hausgroßen, ausgewachsenen Drachen bis hin zu Babydrachen von der Größe einer Faust gab es dort alles. Sie kamen in die Station, wenn sie sich verletzt hatten, zu nah an ein Menschendorf herangekommen waren oder auch, wenn sie von Privatpersonen gehalten worden waren. Das war, wie uns Isaac, einer der Pfleger, immer wieder einschärfte, leider verboten. Wir hatten bei der Führung, die er uns gegeben hatte, alle gespannt an seinen Lippen gehangen. Vielleicht hatte Annabell etwas mehr noch aufgepasst als wir anderen, denn sobald jemand in ihrer Nähe auch nur entfernt ein Wort wie Isaac sagte, nahm sie die Farbe ihrer Haare an und bekam für mindestens eine Minute kein einziges Wort heraus. Natürlich bemühten Eva und ich uns daraufhin, nur noch ähnlich klingende Wörter zu sagen. Nachdem ich mich laut über den „Eisspeck" meiner besten Freundin beschwert habe und sie mir daraufhin „Ay, the egg!" mit einer wilden Mischung aus spanischem und deutschen Akzent antwortete, erklärten wir das Spiel allerdings für beendet.

Das hieß aber noch lange nicht, dass es nicht viele andere spannende Dinge gab, die man dort machen konnte. Weil in einem großen Umkreis kein einziger Muggel lebte, konnten wir uns Besen ausleihen und damit am helllichten Tag Ausflüge machen, ganz ohne Tarnzauber benutzen zu müssen. Es war allerdings teilweise auch entsetzlich heiß. Unser Hotel hatte einen eigenen Pool, den wir nur allzu gerne in Beschlag nahmen. Außer uns machte noch eine amerikanische Familie länger Urlaub dort. Es war ein schwules Ehepaar, das eine Tochter in unserem Alter und einen zwei Jahre älteren Sohn adoptiert hatte. Mit dem Mädchen, Eliza, verstanden wir uns von Anfang an blendend und mit der Zeit freundeten wir uns auch mit ihrem Bruder Scott an. Das aber erst, als ihm seine Bücher ausgingen und er merkte, dass wir recht passabel Quidditsch spielen konnten. Von da an schloss er sich – wenn auch gelegentlich über die Mädchenquote murrend – uns bei unseren Aktivitäten an.

Suzanne und Philip waren große Fans von Besenausflügen und Wanderungen. Ständig versuchten sie uns dazu zu überreden, mitzukommen. Wir fanden aber die Drachenstation ganz interessant und flogen lieber so in der Gegend herum, als bei kommentierten Führungen mitzumachen. Bei einer erklärten Eva, Annabell und ich uns allerdings doch bereit, mitzukommen. Der Tagesausflug zum Schloss von Graf Dracula. Es war ein relativ langer und anstrengender Flug, doch die Führung dort war sehr interessant. Wir bekamen nicht nur die langweiligen Räume, die man den Muggeln zeigte zu Gesicht, sondern durften in die Sarghalle, wo Dracula damals geschlafen hat. Bis ihn ein junger Zauberer zur Strecke brachte. Außerdem wurden uns nicht minder faszinierende Fakten über Vampire erzählt, die uns bestimmt noch in Verteidigung gegen die Dunklen Künste helfen könnten. Eva und ich hatten uns darauf gefreut, Vampire zu sehen, wurden aber leider enttäuscht. Richtige Vampire lebten heutzutage zurückgezogen und griffen nur selten an. Das Zaubereiministerium kontrollierte sie regelmäßig und es war strengstens verboten, andere zu beißen.

Als Andenken bekamen wir noch ein Fläschchen Weihwasser. Natürlich war es kein echtes Weihwasser, wie die Muggel dachten, sondern ein Vampirabwehrtrank, der hauptsächlich Silberpartikel enthielt. Ich konnte es mir nicht nehmen lassen, sofort meinem Paten davon zu schreiben, der immerhin ein wahres Zaubertrankgenie war. Insgesamt schrieben wir uns relativ häufig, wodurch meine Eule Aridia kaum Zeit zum Ausruhen hatte.

Leider war auch irgendwann die Zeit in Rumänien vorbei und ich musste meinen Koffer packen. Selbstverständlich freute ich mich auf den Fuchsbau und die Weasleys, aber dafür würde ich Eva in nächster Zeit nicht sehen. Ich vermisste sie, ihre Familie und das Drachenreservat jetzt schon. Mir war in letzter Zeit sogar der Gedanke gekommen, dass ich nach meinem Abschluss auf Hogwarts genau wie Charlie Weasley und Isaac hier mit den Drachen arbeiten könnte. Allerdings hatten beide etliche schmerzhaft wirkende Narben von den Drachen, sodass ich mir in meinem Berufswunsch noch nicht allzu sicher war.

An meinem letzten Abend veranstalteten wir ein großes Abschiedsessen, denn auch die amerikanische Familie würde abreisen. Die Ferien in Ilvermorny waren wohl zu etwas anderen Zeiten, als die von Hogwarts. Eva jammerte mir die Ohren voll, wie sie ihre verliebte Schwester denn so ganz alleine aushalten solle. Ein kurzer Blick auf die nervöse Annabell und den fast noch unsichereren Isaac gegenüber ließ mich grinsen. Die beiden hatte es voll erwischt.

Ich tröstete meine beste Freundin mit den Versprechen, ihr jeden Tag zu schreiben, was auch Eliza ihr zusicherte. Wir redeten noch lange, so lange, bis Eva einfach mit dem Kopf auf ihrem Teller einschlief. Danach sahen wir ein, dass wir alle dringend ins Bett gehörten. Isaac trug ein sichtlich glückliche Annabell in unser Dreibettzimmer. Dabei musste er sich Evas und meine Beschwerden anhören, warum er denn uns nicht auch trug. Doch irgendwie schafften wir es schließlich alle ins Bett und schliefen innerhalb von Sekunden ein.

Am nächsten Morgen wurde ich von einem Schrei geweckt. Wir hatten verschlafen! Annabell scheuchte uns als verantwortungsvolle Vertrauensschülerin gleich nach dem Anziehen runter zum Frühstück. Charlie, Suzanne und Philip saßen bereits zusammen. Sobald wir den Raum betraten, stand Charlie auf.

„Bereit?", fragte er mich. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und sah vermutlich so unbereit aus, wie nur möglich. Dabei half es nicht, dass meine dunklen Locken mir wild von Kopf abstanden und ich mein Shirt falsch herum trug.

Aber Annabell drückte mir meinen gepackten Koffer und den Eulenkäfig in die Hand. „Vermutlich", antwortete ich also und gähnte.

Charlie musste grinsen. „Na dann kann es ja los gehen."

So schnell ging es dann aber doch nicht, weil ich mich noch von den McNamaras verabschiedete. Dem Rest hatte ich schon gestern Tschüss gesagt. Vermutlich wären bei Eva Tränen geflossen, aber wir sahen uns ja in wenigen Wochen am Gleis 9 ¾ wieder. Außerdem war sie viel zu sehr damit beschäftigt, gierig auf das Frühstücksbuffet zu schauen.

Und so kam es, das ich unter allgemeinem Winken mit Charlie vor dem Hotel stand und nach seinem Arm griff. Schon im nächsten Augenblick erfasste mich ein Wirbel und riss mich mit sich.

Eleonora Black und Slytherins Erbe ∥ Ⅱ ∥ AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt