Nach einigen Sekunden lösten wir uns schweratmend voneinander. Ich bereute den Kuss aber keineswegs, war mir nur noch nicht sicher, was seine Gefühle für mich anbelangten. Sein gerötetes Gesicht und die riesigen Pupillen sprachen da aber eine eindeutige Sprache. Ich lächelte ihn an. Er erwiderte mein Lächeln und legte einen Arm um meine Schultern. Zufrieden lehnte ich mich an ihn und genoss seine Körperwärme. Eine Weile lang sagte keiner von uns beiden etwas. Wir betrachteten nur die Niffler vor uns, die langsam wieder verschwanden, weil sie keine Knuts mehr fanden. Als auch der letzte von ihnen verschwunden war, drehte ich meinen Kopf, sodass ich Dean ansehen konnte. Er lächelte mir zu.
„Was heißt das jetzt für ... uns?", fragte ich leise.
Sein Lächeln wurde breiter. „Das, was du möchtest, dass es heißt."
Ich überlegte. Was wollte ich von Dean? Wollte ich eine Beziehung mit ihm? Dieser Gedanke erschien mir zuerst eigenartig, doch sobald ich an unseren Kuss dachte, war mir plötzlich alles klar. „Ich möchte eine Beziehung", sagte ich. „Mit dir."
Er drückte mir einen Kuss auf den Scheitel. „Dann hast du ja Glück gehabt, ich nämlich zufälligerweise auch."
„Ändert sich dadurch irgendetwas?" Ich musste natürlich sofort wieder alle möglichen Konsequenzen durchgehen.
Er hob mein Kinn mit seinem Finger an, sodass ich ihn wieder ansah. „Eleonora, für mich ist das alles genauso neu wie für dich. Wir müssen beide erst herausfinden, wie es für uns beide am besten ist."
Ich nickte und kuschelte mich wieder an ihn. Mit kam ein schrecklicher Gedanke. „Oh bei Merlins karierter Unterhose! Was soll ich nur Severus sagen?", rief ich verzweifelt und verbarg mein Gesicht in meinen Händen. Mein Pate hielt ohnehin schon wenig von Gryffindors, wie musste er dann erst reagieren, wenn ich ihm einen als meinen Freund präsentierte. Dean hatte ja noch nicht einmal eine reinblütige Abstammung vorzuweisen. Damit wäre ich wohl endgültig bei den Malfoys untendurch. Sie würden mich vermutlich noch nicht einmal beachten, wenn der Dunkle Lord mir verzieh. Oder besser noch besiegt war. Sie würden es auf jeden Fall erfahren, schließlich ging Draco mit mir in eine Stufe. Wieder seufzte ich schwer. Ich konnte mich schon mal auf Heuler bis in alle Ewigkeit einstellen. Und auf unzählige Beleidigungen und vielleicht sogar Schläge, wenn Lucius mich in die Finger bekam.
„Was ist los?", fragte Dean besorgt und streichelte mir über den Kopf. Ich tauchte hinter meinen Händen wieder auf und sah ihn verzweifelt an. „Meine Fam- Die Malfoys ... wenn sie von uns erfahren, dann wird ihnen das ganz sicher nicht gefallen. Lucius hat ziemlichen Einfluss in der Zaubererwelt. Wir werden niemals einen Job finden können!" Daran, dass ich theoretisch eine Großfamilie ein Leben lang mit meinem Geld aus dem Gringottsverlies versorgen konnte, dachte ich im Moment nicht.
„Hey, hey, hey! Mach dir doch nicht gleich solche Sorgen. Ich zumindest werde ihnen keinen Brief schreiben und ihnen von uns erzählen", beruhigte er mich. „Und Draco wird, wenn wir uns halbwegs benehmen, auch nichts mitbekommen."
Ich sah ihn mit feuchten Augen an. „Dann sollen wir unsere Beziehung vorerst geheim halten?"
Er nickte zustimmend. „Ich hatte aber eh keine Knutschereien in der Großen Halle vor", fügte er dann grinsend hinzu. Durch seine Worte beruhigt, stieg ich in sein Spielchen mit ein. „Nicht? Blöd, dann muss ich mir doch jemand anderen suchen."
Er lächelte schelmisch und zog mich näher zu sich heran. „Du gehst nirgendwohin. Und es sieht so aus, als würdest du dich vorerst mit mir abfinden müssen."
Ich legte meinen Kopf in seine Halsbeuge. „Und ich würde es auch gar nicht anders wollen."
Wir verbrachten den restlichen Nachmittag aneinander gekuschelt auf der Decke und redeten. Er erzählte mir von seiner Kindheit und wie es war, mit etlichen Halbgeschwistern aufzuwachsen. Im Gegenzug erzählte ich ihm von meiner Zeit bei den Malfoys, ließ aber vieles weg und beschränkte mich auf meine schönen Erinnerungen. Zum Beispiel die, wie Draco gerade frisch seinen Spielzeugbesen bekommen hatte, begeistert darauf geklettert war und erst einmal auf der anderen Seite wieder heruntergerutscht war. Ich erzählte ihm auch von dem Hauselfen der Malfoys, Dobby, mit dem ich früher immer gespielt hatte. Dabei merkte ich allerdings, wie sehr er mir fehlte und wechselte schnell das Thema.
Am Ende unseres Gesprächs kannte ich die Namen sämtlicher seiner Halbgeschwister und konnte jeweils mindestens eine peinliche Geschichte über sie erzählen. Außerdem wusste ich, dass Deans Lieblingsfarbe Dunkelrot war und er den Geschmack von Rosinen überhaupt nicht mochte. Das Gerede über unser Lieblingsessen machte hungrig und ich rief die Box mit dem Essen herbei, das ich mir von den Hauselfen hatte machen lassen. Zum Glück enthielt nichts davon Rosinen und so war Dean von meiner Essensauswahl begeistert. Diesmal stoppte ich, bevor mir völlig übel war und betrachtete lieber die Niffler, die immer wieder über die Lichtung hopsten. Und natürlich meinen neuen, festen Freund. Ich prägte mir von seinen dunklen Haaren, über die große Statur, bis hin zu seinen Grübchen jedes kleine Detail ein. Von der Art, wie er lachte, mit Lachfältchen um die Augen und diesem warmen Strahlen darin konnte ich gar nicht genug bekommen. Deshalb erzählte ich jeden Witz, an den ich mich erinnern konnte. Das endete darin, dass er sich vor Lachen gar nicht mehr einkriegte, weil ich ihm den Witz mit dem Hippogreifen und der Vettel in der Bar erzählt hatte.
Als langsam Glühwürmchen und Feuerfliegen, ihre magischen Verwandten, auftauchten, beschlossen wir, dass es an der Zeit war, ins Schloss zurückzukehren. Ich packte mit einem Zauberstabschlenker alles zusammen und ließ es vor mir her schweben. Wir liefen Hand in Hand zum Schloss, was mir warme Schauer durch den Arm sandte. Die anderen Schüler waren alle beim Abendessen, das sich wegen der besonderen Dekorationen und Speisen wohl niemand außer uns entgehen ließ. Deshalb wagten wir es auch, weiterhin Händchen zu halten und gingen so in Richtung unseres Gemeinschaftsraums. Ich hatte das Gefühl, dass ich das dämliche Grinsen wahrscheinlich nie wieder von meinem Gesicht bekommen würde. Ein Blick auf Dean und sein breites Strahlen verriet mir, dass es ihm nicht anders ging.
Doch dann hörte ich etwas, was mein Blut beinahe zu Eis gefrieren lies. Ich stoppte und sah mich mit weit aufgerissenen Augen um. Wir standen mitten auf der Treppe, die sich, wenn wir nicht bald abstiegen, in eine andere Richtung bewegen würde.
„Nora?", fragte Dean besorgt von der Seite und berührte mich sanft an der Schulter. „Alles okay bei dir?"
Ich schüttelte den Kopf und bedeutete ihm, leise zu sein. In der Ferne hörte ich die Stimme raunen: „reißen ... zerfetzen ... töten ..." Ich folgte ihr, bis ich sie an einer Abzweigung wieder verlor. Dean folgte mir mit immer besorgterem Blick.
„Hungrig, so hungrig ... eine Ewigkeit ..." Die unheimliche Stimme kam von links, wohin ich Dean mitzog. Ich hatte nicht den leisesten Schimmer, warum ich gerade diese Stimme hörte und Dean nicht. Schon gar nicht, wem diese Stimme gehörte. Das einzig Vergleichbare war die Stimme des Dunklen Lords, die ich letztes Jahr gehört hatte. Aber dieses Mal ... es klang älter, blutrünstiger, tierischer. Ich legte den Kopf schief, um die Stimme besser orten zu können. Wenn die Stimme dem Dunklen Lord gehörte, dann sollte ich besser jemandem Bescheid geben. Davor würde ich mich allerdings hüten, wenn es nur ein Scherz der Weasley-Zwillinge sein sollte.
Ich bog um die Ecke in den einzigen Korridor, durch den wir jetzt noch nicht gelaufen waren. Der mir gebotene Anblick schockierte mich zutiefst. An einer Wand zwischen zwei Fenstern leuchteten riesige, rote Buchstaben, von den Fackeln daneben erhellt.
DIE KAMMER DES SCHRECKENS WURDE GEÖFFNET. FEINDE DES ERBEN, NEHMT EUCH IN ACHT.
Ich zog erschrocken die Luft ein und tastete nach Deans Hand. Er legte mir seine warmen Hände auf die Schultern, doch auch die halfen leider kaum gegen den Schock. Den bekam ich, als ich sah, was genau das braune Bündel war, das vom Fackelhalter baumelte. Mrs Norris, Filchs Katze! Starr geradeaus blickte sie mit ihrem Lampenaugen, die schon so viele Schüler in Angst versetzt hatten. Sie wirkte unnatürlich steif, als wäre sie ausgestopft. Vorsichtig befreite ich mich von Deans Griff und ging näher an die Katze heran. Das arme Tier war an seinem Schwanz aufgehängt worden.
„Wir sollten besser von hier verschwinden", forderte Dean mich auf. Nur das Zittern seiner Stimme verriet seine Anspannung und dass er ebenso geschockt war wie ich. Doch dafür war es jetzt zu spät.
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Eleonora Black und Slytherins Erbe ∥ Ⅱ ∥ Abgeschlossen
FanfictionEleonoras zweites Jahr auf Hogwarts beginnt. Nachdem sie letztes Jahr mehr oder weniger erfolgreich Voldemort aufgehalten hat, steht ihr nun ein weiteres Jahr voller Abenteuer bevor. Dabei hatte sie sich doch eigentlich so fest vorgenommen, nichts V...