Kapitel 16 - Snape, Gummistiefel und Hühnchen

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Am Ende der Stunde hatte ich dank des Adrenalins wachbleiben können und meinen Trank sogar noch halbwegs gerettet. Er reichte bei Weitem nicht an meine anderen Tränke heran, allerdings hatte er immerhin die richtige Farbe und Konsistenz. Beim Abgeben des Gebräus rammte mich jemand äußerst unsanft von der Seite. Es war Draco – wer auch sonst? Ich blickte ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Ein paar Tropfen des Tranks liefen kalt an meiner Hand hinunter.

Er feixte nur und raunte: „Jetzt wirst du bestraft werden! Severus lässt keine blöden Ausreden zählen!"

Diese Aussage erschreckte mich kaum. Vielmehr ließ sie mich darüber rätseln, wieviel Draco von seiner Mutter erzählt bekam. Es schien nun nicht gerade so, als wüsste er von Severus Patenschaft. Oder er ging davon aus, dass mein Pate mich dennoch nicht leiden könnte.

Dean kam mit besorgtem Gesicht dazu. „Ist alles in Ordnung?", wollte er wissen und legte mir sanft eine Hand auf die Schulter. Dracos Augen weiteten sich angesichts dieses Körperkontakts. „Du lässt so jemanden dich berühren? Hat Gryffindor dich wirklich schon so sehr verdorben?", zischelte er.

Ich spürte das immer stärker werdende Verlangen, mich auf ihn zu stürzen oder ihm meinen Trank in die gegelten Haare zu schmieren. Dann wäre er äußerlich genauso lächerlich wie innerlich. Leider vereitelte Severus meine Pläne.

„Was ist hier los?", wollte er eisig wissen. Auch er beäugte Deans Hand mit missmutigem Gesicht.

„Nichts", antwortete Draco mit einem fiesen Grinsen. Er und seine Gorillafreunde gaben ihre Tränke ab und verzogen sich. So sehr Draco vermutlich an die Überlegenheit eines langen Stammbaums glaubte, so wenig traute er sich, deswegen andere Schüler bestrafen zu lassen. Zumindest nicht auf direktem Wege und damit als einzige Begründung.

Der Zaubertranklehrer blickte den Slytherins noch kurz hinterher. Er drehte sich zu Dean und mir um. „Wenn Sie uns nun bitte verlassen würden, Mr Thomas. Diese Sache ist nicht für ihre Ohren bestimmt, so sehr Sie sich auch an Miss Black festklammern mögen."

Irritiert blickte Dean auf seine Hand, die nun wirklich keine Anstalten machte, sich an mir festzuklammern. Dennoch nahm er sie von meiner Schulter, warf mir noch einen aufmunternden Blick zu und verließ das Klassenzimmer. Die Tür schloss mit einem Knall. Der Raum wirkte nun eigenartig klein und auch die Zimmerdecke schien ungewöhnlich stark nach unten zu drücken. Zum ersten Mal kam mir die Idee, dass mein Pate mich wirklich mit einer Strafe belegen konnte. Bei dem dunklen Funkeln in seinen Augen war das sehr wahrscheinlich.

„Wirst du mich vom Astronomieturm baumeln lassen?", fragte ich vorsichtig.

„Nicht heute", antwortete er vielsagend.

„In die Kerker sperren?"

„Zu langweilig." Das Funkeln verstärkte sich.

„Bei der Maulenden Myrte?"

„Verlockend."

„Was habe ich überhaupt so Schlimmes gemacht?", wollte ich wissen. „Schon klar, ein paar Zutaten vertauscht und fast den Klassenraum gesprengt, aber wer hat das nicht schon mal getan?"

„Dein Fehler hätte einen beträchtlichen Teil der Klasse das Leben ebenso kosten können wie meine Wenigkeit. Hogwarts hat genug andere Schüler, der Verlust wäre nicht allzu unverschmerzbar gewesen. Aber es herrscht ein gewisser Lehrermangel. Professor Dumbledore hätte monatelang suchen müssen."

Ich war mir immer sicherer, dass er scherzte. Zumindest hätte man es bei anderen Menschen so genannt. Der stets vor Ironie triefende Zaubertranklehrer hätte dazu wohl gar nicht in der Lage sein sollen.

Eleonora Black und Slytherins Erbe ∥ Ⅱ ∥ AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt