Hagrids Hund Fang wollte während der hoffentlich möglichst kurzen Abwesenheit seines Herrchens versorgt werden. Diese Aufgabe übernahm eigentlich Professor Kesselbrand, der Lehrer für Pflege Magischer Geschöpfe. Fang hatte einen Narren an mir gefressen und so bat ich den alten Mann, ihn begleiten zu dürfen. Er freute sich, besonders als ich meine Erfahrungen mit Drachen in den Sommerferien schilderte.
Wie wir da über die Ländereien von Hogwarts spazierten, bekam man glatt den Eindruck, als gäbe es die Schrecken in der Schule gerade gar nicht.
Mein Begleiter gestand mir, dass er schon immer Drachen hatte näher erforschen wollen und sogar schon eine Reise nach Rumänien geplant hatte. Dann hatte er allerdings einige Finger an einen Knallrümpfigen Kröter verloren und musste sich davon erstmal erholen.
Allgemein schien der Lehrer etwas unvorsichtig im Umgang mit Tiere zu sein. Sobald er die Tür von Hagrids Hütte aufgeschlossen hatte, kam der Saurüde herausgeschossen. Den Professor in seinem Weg warf er einfach um.
Mir schleckte er wild das Gesicht ab und war augenscheinlich froh, wieder Gesellschaft zu haben. Als ich den ungestümen Rüden wegdrückte, um dem Kesselbrand wieder auf die Beine zu helfen, bemerkte ich riesige Spinnweben an seinem rechten Hinterlauf.
„Nanu, was hast du denn da gemacht, Fang?", fragte ich den Hund, der leider nicht antwortete.
Der Lehrer lag weiterhin auf dem Boden und wirkte ähnlich hilflos wie ein Käfer, der auf seinem Panzer liegt. Hastig griff ich ihn unter der Achsel und stellte ihn wieder auf die Beine.
„Oh, sehr aufmerksam. Vielen Dank!", sagte er und kramte in seinem mitgebrachten Jutesack. Fang schnüffelte interessiert daran. Mit etwas Mühe wegen der fehlenden Finger bugsierte Kesselbrand eine große Fleischkeule hinaus und ließ sie wegen des Gewichts sogleich zu Boden fallen. Hungrig machte sich Fang darüber her.
„Ich gieße ihm eben noch etwas Wasser ein", schlug ich vor, was der Lehrer für eine gute Idee hielt.
Ich betrat die Hütte und schnappte mir Fangs Napf von Boden. Draußen war ein Brunnen, woraus ich das Wasser erst würde holen müssen. Fließendes Wasser gab es in der Hütte nicht, nur einen Wasserbottich, den Fang wohl schon leer gesoffen hatte.
Mit etwas Mühe kurbelte ich einen vollen Wassereimer hoch und füllte Fangs Napf. Offensichtlich durstig machte er sich gleich darüber her. Während er trank ließ ich meinen Blick über Hagrids Kürbisbeeten und den angrenzenden Wald schweifen.
Dabei fielen mir Fußspuren auf, die aus Richtung der Bäume queer durchs Beet in Richtung Schule führten. Ich kniete mich hin und besah mir die Abdrücke genauer. Es waren zwei verschiedene Abdrücke, also wohl auch zwei Personen. Ein Vergleich mit meiner Schuhgröße zeigte, dass sie wohl etwa in meinem Alter sein mussten oder ähnlich große Füße hatten. Zumindest der eine, denn der andere hatte sehr große Füße.
Mir fiel eigentlich nur ein Paar ein, das auf diese Beschreibung passte und denen ich nächtliche Spaziergänge zutraute: Harry und Ron.
Zurück im Schloss fand ich sie im Gemeinschaftsraum, in einer Ecke tuschelnd. Überhaupt war fast das ganze Haus nun ständig hier, denn alle anderen Aktivitäten waren ja abgesagt worden und es gab immer wieder abendliche Diskussionen über die Kammer des Schreckens.
Ich marschierte zu den beiden Jungs hinüber und ließ mich neben sie fallen. Überrascht sahen sie mich an. „Was wolltet ihr gestern Abend im Verbotenen Wald?"
Sie wechselten einen Blick. Bereits an ihrer Nasenspitze konnte man ihnen ansehen, dass ich sie auf frischer Tat ertappt hatte.
„Was meinst du denn?", versucht Harry sich an der Rolle des Unwissenden.
Ich kniff die Augen zusammen. Das Unschuldslamm stand ihm nicht. „Entweder ihr sagt mir, was bei Merlins Bart ihr im nicht ohne Grund Verbotenen Wald gemacht habt, während ein Monster sein Unwesen treibt..."
„Oder?", fragte Ron hoffnungsvoll. Er witterte eine Chance, es mir nicht erzählen zu müssen.
„Oder ich erzähle Snape davon", beendete ich meine Drohung, ziemlich zufrieden mit mir. „Vielleicht auch noch McGonagall, je nachdem, wer euch schneller von der Schule wirft."
Jetzt drifteten ihre Gesichtsausdrücke schon fast in Todesangst um. Ron, der erst zu Schuljahresanfang einen Heuler seiner Mutter bekommen hatte, wusste, was ein Schulverweis für ihn bedeuten würde.
„Na schön, na schön", sagte er schnell. „Wir erzählen's dir."
Und das taten sie. Sie hatten sich wohl vor Hagrids Verhaftung schon mal aus der Schule geschlichen und die Verhaftung dank des Unsichtbarkeitsumhangs von Harry mitbekommen. Er hatte etwas davon gefaselt, dass man nur den Spinnen folgen bräuchte, um die Wahrheit herauszubekommen.
„Und?", fragte ich ungeduldig. „Was habt ihr herausgefunden?"
„Hagrid war es nicht", antwortete Harry. „Und seine Liebe für seltsame Kreaturen ist wirklich unermesslich."
Scheinbar waren sie auf eine Großfamilie Akromantulas, also Riesenspinnen gestoßen. Das erklärte die Spinnweben auf Fangs Hinterlauf, den hatten sie nämlich mitgenommen. Weil die wohl nur Hagrid nicht fraßen, sonst aber nicht wählerisch waren, hatten sie keine Lust mehr auf einen netten Plausch, sondern wollten lieber einen kleinen Mitternachtssnack zu sich nehmen. In Form von Harry und Ron.
Eine wilde Flucht durch den Verbotenen Wald später landeten sie wohlbehalten zurück in ihren Betten. Ich ließ es mir nicht nehmen, sie für ihre riskante Aktion zur Schnecke zu machen. Schließlich hätte weiß Merlin was passieren können.
Aragog, das Oberhaupt der Spinnenfamilie, das Hagrid aufgezogen hatte, hatte den Jungs erzählt, dass die Kammer, als sie vor fünfzig Jahren schon mal offen gewesen war, ein Mädchen auf einer der Toiletten gestorben war.
„Etwa die Maulende Myrte?", hakte ich ungläubig nach. Wir Mädchen benutzten die Toiletten nicht, wenn es nicht absolut dringend war. Sonst lief man zu viel Gefahr, über ihr schreckliches Leben zugetextet zu werden und komische, neiderfüllte Komplimente zu bekommen. Ich wäre lieber freiwillig in die Kammer des Schreckens gegangen, als dorthinein.
Deshalb musste ich auch ihre Bitte ausschlagen, für sie nach den Geschehnissen jener Nacht zu fragen. „Spinnt ihr?", fragte ich. „Sie beschwert sich doch eh schon über alles und jeden, da brauche ich nicht auch noch dieses Fass aufmachen!"
Wir überlegten, was wir stattdessen machen konnten.
„Irgendwie sollte der Erbe doch zu fangen sein", murmelte ich vor mich hin und strengte mein Hirn so sehr an, dass ich dachte, mein Schädel würde gleich bersten. „Vielleicht können wir ein Lockvogel nehmen und dem Erben oder seinem Monster eine Falle stellen..."
Ron schnaubte. „Weil es ja so einfach ist, dafür einen Freiwilligen zu finden! Außerdem sind alle, die mit dem Monster Kontakt hatte, jetzt versteinert im Krankenflügel. Danke, aber ich würde gerne noch weiterleben!"
Diese Meinung überdachte er aber noch einmal, denn die Prüfungen standen bald an. Auf McGonagalls Verkündung folgte noch mehr Murren und Protest als auf die Absage des Quidditchspiels. Weder meine Freunde, noch ich verstanden, warum man die Prüfungen nicht absagte. Immerhin war wohl gerade niemand konzentriert genug, um einen Test abzulegen.
Die einzige gute Nachricht, die ein paar Tage später kam, betraf die Alraunen. Sie waren endlich groß genug, um sie für einen Trank benutzen zu können und schon am Abend würden sie sich wieder bewegen können.
Dazu meinte Harry: „Hermine sollte man vielleicht lieber in Ruhe lassen. Wenn sie von den Prüfungen in drei Tagen erfährt, flippt sie noch aus!"
Obwohl den Versteinerten sehr bald geholfen werden konnte, was die Gefahr durch das Monster aber noch durchaus real. Deshalb fand auch der Duellierclub wieder statt, wenn auch ohne Lockhart. Niemand war darüber sonderlich unglücklich.
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Eleonora Black und Slytherins Erbe ∥ Ⅱ ∥ Abgeschlossen
FanfictionEleonoras zweites Jahr auf Hogwarts beginnt. Nachdem sie letztes Jahr mehr oder weniger erfolgreich Voldemort aufgehalten hat, steht ihr nun ein weiteres Jahr voller Abenteuer bevor. Dabei hatte sie sich doch eigentlich so fest vorgenommen, nichts V...