Kapitel 18 - Niffler an Halloween

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Das nächste Wochenende, an dem Dean und ich vorhatten uns zu treffen, stellte sich als Halloween heraus. Mir kam das eigentlich gerade recht, da alle mit dem Fest und der Feier zu sehr beschäftigt sein würden, um auf zwei Gryffindorzweitklässler zu achten oder Gerüchte über sie zu verbreiten. Denn ich musste gestehen, dass ich trotz meines Versprechens an Dean doch stark über die Konsequenzen einer möglichen Freundschaft oder gar Beziehung zwischen uns nachdachte.

Da Halloween war, hatten die Lehrer ausnahmsweise mal von Hausaufgaben abgesehen. So hatte ich genug Zeit, um alles vorzubereiten. Ich ließ Dean von Aridia einen knappen Brief mit Treffpunkt und Uhrzeit bringen und wartete dort auf ihn. Er kam zehn Minuten zu früh am Schlossportal an und ich ließ ihn noch etwa zwei Minuten zappeln und hielt mich hinter einem Baum versteckt. Dann ging ich auf ihn zu und winkte. Erleichterung machte sich auf sich auf seinem Gesicht breit, er hatte wohl daran gezweifelt, ob ich auftauchen würde. Aber ich hielt mein Wort.

„Hallo", begrüßte ich ihn glücklich und zog ihn in eine Umarmung, die er erwiderte.

„Wieso so glücklich heute?", fragte er mit einem leichten Grinsen auf den Lippen.

„Ach nichts", antwortete ich ausweichend. „Ich freue mich nur schon auf dein Gesicht später."

Er sah mich etwas verwirrt von der Seite an, folgte mir aber bereitwillig. Ich hakte mich wieder bei ihm ein und führte ihn in Richtung des Verbotenen Waldes. Dean stoppte mich sachte.

„Du weißt, dass wir da nicht reindürfen?", erkundigte er sich. Ich antwortete mit einer Mischung aus Augenverdrehen und schelmischem Grinsen. „Dann komm halt nicht mit. Aber dann verpasst du etwas."

Ich ging ohne ihn weiter, lauschte aber auf seine Schritte. Und tatsächlich holte er mich schnellen Schrittes nur wenige Sekunden später ein. Ich grinste zu ihm hoch. „Wusste ich es doch." Er schenkte mir nur ein belustigtes Grinsen, warf aber dem nahenden Waldrand aufmerksame Blicke zu. Ein Weg führte in den Wald hinein und nach kurzem Zögern folgte er mir wieder. Wir spazierten den Weg entlang, als würden nicht auf beiden Seiten gefährliche Kreaturen lauern und als wäre ich nicht letztes Jahr bei meiner Strafarbeit hier fast umgekommen.

Auf einer kleinen Lichtung hielt ich an und verließ den Weg. Dean seufzte zwar, aber auch er kam mit. „Hast du glänzende Gegenstände dabei?", fragte ich ihn und erntete dafür nur einen verwunderten Blick. Langsam zweifelte er wohl an meiner geistigen Gesundheit. Trotzdem schüttelte er den Kopf und ich verstaute meine Kette in meiner Jackentasche. Dann holte ich ein paar Knuts aus meiner anderen Tasche hervor. Ich ließ sie eine Münze nach der anderen vor mir auf die Wiese fallen. Zuerst passierte gar nichts und ich hörte Deans Räuspern hinter mir. Doch dann tauchte ein kleines, etwa maulwurfgroßes Wesen mit schwarzem Fell vor uns auf und schnappte sich einen der Knuts. Es ließ die Münze schnell in seinem Beutel verschwinden. Als wäre das der Startschuss gewesen, kamen auch sonst überall kleine Tiere hervor und stürzten sich auf das Geld. Ich drehte mich zu Dean um, der staunend die Niffler betrachtete.

„Sie sind so süß", stellte er fest und brachte mich damit zum Lachen. Das war es auch gewesen, was mir als allererstes an den Tierchen aufgefallen war. Mit ihren kleinen Knopfaugen, dem rundlichen Körperbau und den spitzen Schnauzen waren sie einfach nur hinreißend. Vorsichtig, um sie nicht zu verscheuchen, flüsterte ich: „Accio Decke!" Sie kam herangeschwebt und breitete sich von alleine aus. Ich nahm Platz und bedeutete Dean, das Gleiche zu tun. Er setzte sich dicht neben mich und stützte sich mit seinen Armen auf den herangezogenen Knien ab.

Schon bald wandte ich meinen Blick von den possierlichen Wesen ab und betrachtete stattdessen Deans fasziniertes Gesicht. Er streckte behutsam seinen Arm in die Richtung der Niffler aus. Anfangs erstarrten sie in ihrer Bewegung, doch als er keine Anstalten machte, ihnen ihre Schätze wegzunehmen, wuselten sie wieder herum. Ein besonders zutrauliches, dunkelbraunes Exemplar schnüffelte sogar an Deans Hand. Zart fuhr er mit seinen Fingern über den Pelz des zahmen Tierchens und sein Gesicht nahm den Ausdruck purer Verzückung an. Wer schon mal einen Niffler gestreichelt hatte, konnte bestätigen, dass das Fell eines Nifflers so weich war wie nichts anderes. Es fühlte sich an, als würde man eine Wolke streicheln. Eine Weile saß Dean einfach nur da und kraulte den immer mutiger werdenden kleinen Kerl. Auch mir wurde nun mehr Beachtung geschenkt. Vor einiger Zeit war ich schon einmal mit Eva und deren Schwester hier gewesen. Wenn man Pflege magischer Geschöpfe belegte, dann wurde man früher oder später hierhergeführt, weil man wohl selten so viele Niffler auf einem Haufen antraf. Anfangs waren es wohl nur zwei gewesen, die einer Unterrichtsstunde entkommen waren, doch sie hatten sich schnell vermehrt und so gab es hier nun eine ganze Nifflerkolonie.

Ein winziges Nifflerbaby begutachtete die metallischen Enden meiner Schnürsenkel und kaute schließlich darauf herum. Dabei zeigte es seine Minizähne und die klitzekleine, rosa Zunge. Verzückt beobachtete ich es auf seinem Weg langsam mein Bein hoch. Ich spürte die scharfen kleinen Krallen selbst durch den dicken Stoff meiner Hose durch. Behutsam nahm ich den kleinen Knirps auf meine Hand, wo er sogleich meinen Daumen annagte. Es tat nicht sonderlich weh, dennoch brachte ich ihn sicherheitshalber außer Reichweite. Mit dem Ellenbogen des anderen Arms stupste ich Dean an. Er machte beim Anblick des Nifflerbabys große Augen.

Vorsichtig setzte ich es auf seine geöffnete Handfläche. Glücklicherweise waren Niffler an die Wanderungen ihrer Sprösslinge gewöhnt, weshalb wir keine Angriffe der Eltern zu befürchten hatten. Ich stützte mich mit meinen Händen hinter meinem Rücken ab. Dean war ganz hingerissen von dem kleinen Geschöpf. Nach einer Weile ließ er es aber wieder auf den Boden zurück, da es angefangen hatte, heftiger in seinen Finger zu beißen. Stattdessen holte er seinen Zeichenblock aus einer Tasche, die mir bisher noch gar nicht aufgefallen war. Zusätzlich kramte er noch ein paar Stifte hervor, die ich erstaunt betrachtete. Ich kannte zwar diese Muggelerfindung und auch dessen Namen, hatte sie aber noch nie in der Hand gehalten. Und damit sollte man schreiben können? Wo war die Tinte?

Vorsichtig nahm Dean mir den Stift wieder weg. Bei der kurzen Berührung unserer Fingerspitzen setzte mein Herz einen Schlag aus. Dean fuhr sanft mit der dünnen Spitze des Stifts über das Papier und hinterließ einen grauen Strich. Dann malte er weitere Striche dazu und langsam begann sich abzuzeichnen, was er da malte. Es war einer der Niffler. Es faszinierte mich, ihm bei der Arbeit zuzusehen. Er bewegte den Stift mit einer solchen Selbstverständlichkeit, als könne er gar nicht danebenmalen. Bei mir hätte es schon längst in einem Strichmännchen oder einem Gekrakel geendet. Aber er zeichnete mit leichten, eleganten Bewegungen den Niffler ab. Er hörte in der Bewegung damit auf und betrachtete das Bild grüblerisch, um abzuwägen, ob noch etwas fehlte. Doch er schien zufrieden und das konnte er auch wirklich sein. Man hätte seine schnelle Zeichnung eins zu eins in einem Lehrbuch abdrucken können, so realistisch war sie. Er hatte sogar die kleine Rundung des Bauches durch die Tasche im Fell eingefangen.

Dean blickte mich aus seinen braunen Augen an und reichte mir das Bild. „Ich hoffe es gefällt dir. Es ist vielleicht nicht das Beste und sicherlich ist ein Foto detailgetreuer, aber ich dachte-"

Ich stoppte seinen Redeschwall, indem ich mich nach vorne in seine Richtung lehnte. Kurz blickte er verwirrt in meine Augen, dann glitt sein Blick runter zu meinen Lippen. Und dann ... dann küsste er mich. Mit geschlossenen Augen legte ich das Bild zur Seite und vergrub meine Hände in seinen weichen Locken. Auch er umfasste zärtlich meinen Hinterkopf und fuhr sanft mit den Fingern durch meine Haare. 

Eleonora Black und Slytherins Erbe ∥ Ⅱ ∥ AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt