Wir verbrachten noch den restlichen Vormittag bei Hagrid, bis Rons Schnecken langsam weniger wurden und mir einfiel, dass Eva gar nicht wusste, wo ich war. Deshalb verabschiedeten wir uns von dem Wildhüter und gingen hoch zum Schloss.
In der Eingangshalle trafen wir auf McGonagall, die Harry und Ron ihre Strafarbeit für die ungewöhnliche und höchst verbotene Anreise verpasste. Ron würde Filch beim Polieren aller Trophäen des Pokalzimmers helfen müssen und Harry Lockhart beim Beantworten seiner Fanpost. Beides würde heute Abend stattfinden und beide beschwerten sich lauthals darüber und wollten mit dem jeweils anderen tauschen. Ich wollte ihnen die Benutzung von Vielsafttrank vorschlagen, ein Trank, der einen das Aussehen von jemand anderem annehmen ließ. Davon hatte ich in dem Buch gelesen, das Severus mir zum Geburtstag geschenkt hatte. Hermine brachte mich allerdings mit einem Todesblick zum Schweigen. Sie fand sehr wohl, dass die beiden dafür leiden sollten, Regeln gebrochen zu haben. Also presste ich die Lippen zusammen und ging in die Große Halle zum Mittagessen.
Dort lauerte auch schon Eva auf mich und wollte alles über den Kampf zwischen den Slytherins und Gryffindors wissen. Meine Beteuerungen, dass es eigentlich rein verbal stattgefunden hatte, ließ sie nicht gelten. Und so musste ich ihr haarklein von jedem Wort berichten, das gefallen war. Auch sie konnte es nicht fassen, wie mein Cousin Hermine mit dem Schimpfwort hatte betiteln können.
Den Nachmittag über hockten wir über Büchern in der Bibliothek, da die Lehrer uns schon in der ersten Schulwoche Unmengen an Hausaufgaben aufgehalst hatten. Dean, Seamus und Neville hielten sich ebenfalls dort auf. Die Anwesenheit des Erstgenannten brachte Eva dazu, mir immer wieder laut und plötzlich ins Ohr zu kichern. Nach dem zehnten Mal schlug das ziemlich auf meine Stimmung. Deshalb tat ich etwas, mit dem sie bestimmt nicht rechnete.
Ich packte meine Sachen und setzte mich zu den Jungs an den Tisch. Meine beste Freundin starrte mich nur entgeistert an. Dann brach sie in Lachen aus und wurde von Madam Pince aus der Bibliothek geschmissen. Dean hatte das Geschehen nur mit seinen hübschen, braunen Augen beobachtet und glücklicherweise unkommentiert gelassen. Mir wäre bei Merlin keine Ausrede eingefallen.
Ohne Evas Kicheranfälle war ich rasch fertig und hatte sogar noch Zeit und Lust, Neville bei seinen Aufgaben zu unterstützen. So gut er auch in Kräuterkunde war, so schlecht war er in Zaubertränke. Ich gab mein Bestes, um ihn bei seinem Aufsatz über die Eigenschaften von Lenkpflaumen zu unterstützen und gab ihm dann einige Tipps für die nächste Unterrichtsstunde. In dem Fach war ich recht gut und schaffte es meistens, einen den Anforderungen genügenden Trank zu brauen. Ich hatte festgestellt, dass meine Tränke mir sogar noch besser gelangen, wenn dabei Zauberstabeinsatz vonnöten war. Was auch immer bei meinem Zauberstab schieflief, er bescherte mir gute Noten in den meisten Fächern. Geistesabwesend holte ich den Stab aus meiner Tasche und betrachtete ihn genauer. Hatte ich nicht letztes Jahr noch so unbedingt herausfinden wollen, was es mit ihm auf sich hatte? Auch jetzt wallte Neugier in mir auf. Sie wurde immer stärker je länger ich den Zauberstab betrachtete. Mit dem Daumennagel fuhr ich über das zarte Metallband, das sich um das dunkle Holz schlängelte. Dann betastete ich den blauen Stein, der am hinteren Ende hinauslugte und vom Metall an Ort und Stelle gehalten wurde. Letztes Jahr hatte mir Ollivander doch etwas über den Stab erzählt ... ich war damals nicht näher darauf eingegangen und hatte auch die Informationen nicht hier in der Bibliothek nachgeschlagen. Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit, das nachzuholen. Wenn ich mich bloß daran erinnern könnte, was der Zauberstabmacher gesagt hatte ...
„Ein schöner Zauberstab", unterbrach Dean meine Gedanken. Ich wusste nicht, ob und wie lange ich den Stab angestarrt hatte und noch schlimmer, Dean mich dabei beobachtet hatte.
Ich wurde rot und murmelte: „Danke."
„Du übrigens auch. Also schön, meine ich", stotterte Dean und wurde rot. Ich konnte ihm ansehen, dass er am liebsten im Boden versunken wäre. Auch mein Gesicht lief rot an. Mit Komplimenten konnte ich allgemein nicht gerade gut umgehen. Ein unterdrücktes Lachen kam aus Seamus Richtung. Ich beeilte mich, Dean aus der peinlichen Situation zu befreien.
„Danke, du auch." Doch sobald die Worte meinen Mund verlassen hatten, hätte ich mich am liebsten selbst geschlagen. Was war das denn bitte für eine Antwort? Und was war mit meiner Schlagfertigkeit von heute Morgen passiert?
Prüfend sah ich zu Seamus. Er hatte die Hand vor den Mund gepresst und war noch röter angelaufen als Dean eben. Hinter seinen Fingern kamen erstickte, prustende Laute hervor. Meine Worte hatten offenbar einen noch größeren Lachanfall ausgelöst als Deans. Dieser sah etwas erleichtert aus und schaffte es sogar wieder, mich anzulächeln. Wenn auch nur zaghaft. Vor meinem inneren Auge sah ich Eva mich anstupsen und zum nächsten Schritt ermutigen.
„Ähm, Dean?", begann ich deshalb, von Gedanken-Eva angestachelt. „Hättest du vielleicht Lust, nächstes Wochenende etwas mit mir zu machen?" Meine Wangen wurden heiß und ich konnte wetten, dass ich die Farbe meines Hauses angenommen hatte.
„Ja klar", platzte es etwas zu schnell aus Dean heraus. „Ich meinte, wenn du das willst, gerne."
Gedanken-Eva hatte einen Lachanfall über unser peinliches Herumgestammel. Offensichtlich fiel es keinem von uns beiden sonderlich leicht, in der Gegenwart des anderen normale Sätze herauszubekommen. Leider bemerkte das nicht nur Gedanken-Eva, sondern auch Seamus. Und der lachte nicht nur in meinem Kopf, sondern laut. Seine Hand flog von seinem Mund und er schüttelte sich so sehr vor Lachen, dass er vom Stuhl fiel.
Mir reichte es und ich wollte dieser peinlichen Situation nur noch entkommen. Ich sammelte meine Sachen zusammen, wobei mein Blick auf Deans Unterlagen fiel. Er hatte die ganze Zeit über still dagesessen, während ich Neville geholfen hatte. Jetzt wusste ich auch, warum. Auf einem Pergament prangte eine fast fertige Zeichnung, die fatale Ähnlichkeit mit meinem Gesicht hatte. Ich musste zugeben, dass sie wirklich gelungen war. Sogar meine Nase, mit der ich sonst gelegentlich unzufrieden war, kam gut dabei weg. Ich dagegen schaffte es trotz der einjährigen Übung manchmal nicht, mit der Feder zu schreiben, ohne alles mit Klecksen zu übersehen und zu verwischen. Er dagegen hatte definitiv Talent und konnte also nicht nur schöne Geburtstagskarten anfertigen, sondern auch gut zeichnen.
Dean bemerkte meinen Blick auf seine Zeichnung und hielt sie rasch vor seine Brust. Ich murmelte einen vermutlich unverständlichen Abschiedsgruß und hastete aus der Bibliothek. Vor der Tür lehnte ich mich erst einmal gegen eine kühle Steinmauer und atmete durch. Ich hatte soeben Dean nach einem Date gefragt! So richtig fassen konnte ich es nicht. Und er hatte auch noch Ja gesagt! Das musste ich sofort Evangeline erzählen!
Ich fand sie im Gemeinschaftraum mit ihrer Schwester und deren Freunden herumblödelnd. Sobald sie mich sah, stürzte sie allerdings förmlich auf mich zu und überschüttete mich mit Fragen. „Was habe ich verpasst? Sind du und Dean jetzt zusammen? Warum wirst du rot? Hat dich jemand mit einem Schwellzauber belegt oder was?"
Ich hielt prüfend meine Hand gegen meine Wange. Sie war wirklich sehr warm und ich daher wahrscheinlich auch sehr rot. „Nein, Dean und ich sind nicht zusammen", beantwortete ich die Frage, die mir am dringlichsten vorkam. „Aber wir haben nächstes Wochenende so etwas wie ein Date."
Eva kreischte auf und fiel mir um den Hals. Ich konnte es wegen Evas plötzlich knallpinken Haaren in meinem Gesicht nicht richtig erkennen, aber ich glaubte, dass uns halb Gryffindor gerade schief ansah. Meine beste Freundin ließ mich los und sah mich breit grinsend an. „Ich hatte recht! Los, gib es zu!"
Ich stellte mich dumm. „Womit sollst du recht gehabt haben?"
Eva schob die Unterlippe vor und blickte mich böse an. „Mit allem. Mit dir und Dean und dass ihr ineinander verliebt seid!"
Ich blickte gespielt überlegend an die Decke und griff mir ans Kinn. Dann sah ich zurück zu Eva und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß leider überhaupt nicht, was du meinst."
Sie knuffte mir gegen den Arm. „Du bist so fies! Als Dank solltest du mindestens drei eurer Kinder nach mir benennen!"
„Du hast doch gar nicht so viele Namen!", erinnerte ich sie und grinste.
„Doch. Mein voller Name ist Evangeline Isabella Aubree McNamara", erklärte sie mir und verdrehte die Augen. „Als hätte ein Name nicht völlig ausgereicht. Wenigstens hast du so jetzt genug Auswahl."
„Und wenn es ein Junge wird?", gab ich zu bedenken. Nur am Rande bemerkte ich, dass ich die Sache mit den Kindern oder Dean gar nicht bestritten hatte.
„Dann änderst du eben meine Namen in männliche ab. Andererseits ist es nur ein Name und dein Sohnemann sollte wohl damit klarkommen können, Eva zu heißen."
„Es gibt aber keine männliche Form von Eva. Höchstens Ivo. Aber so sollte mein Kind lieber nicht heißen."
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Eleonora Black und Slytherins Erbe ∥ Ⅱ ∥ Abgeschlossen
FanfictionEleonoras zweites Jahr auf Hogwarts beginnt. Nachdem sie letztes Jahr mehr oder weniger erfolgreich Voldemort aufgehalten hat, steht ihr nun ein weiteres Jahr voller Abenteuer bevor. Dabei hatte sie sich doch eigentlich so fest vorgenommen, nichts V...