Kapitel 23 - Gewaltiger Stimmungsumschwung

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Ich verzog mich nach oben in mein Zimmer. Zum wohl ersten Mal auf Hogwarts verfluchte ich es, kein Einzelzimmer zu haben. Dann wäre ich jetzt nicht Evas Blicken ausgesetzt gewesen, die aus einer Mischung aus stummen Vorwürfen, unausgesprochenen Fragen und Verwunderung über mein seltsames Verhalten bestanden. Sie verstand es bestens, Schuldgefühle in mir hervorzurufen.

„Was zur Hölle war da gerade bitte mit dir los?", wollte sie mit vor der Brust verschränkten Armen wissen.

Ich fuhr mir genervt durch die Haare. Diese Frage stellte ich mir im Moment ebenfalls. „Ich ... ich weiß es verdammt nochmal nicht!"

„Oh, dann solltest du es aber besser herausfinden, bevor du ernsthaften Schaden anrichtest!" Ihre Stimme wurde versöhnlicher. „Ist sonst alles in Ordnung mit dir?"

„Nein", antwortete ich barsch und verbarg mein Gesicht in meinen Händen. Mir war soeben ein möglicher Grund für meine Wut eingefallen. Die Anschuldigungen meiner Freunde und ihr mangelndes Vertrauen in meine Meinung hatte mich unangenehm an das Gespräch mit Narcissa in der Winkelgasse erinnert. Es hing mir zum Hals heraus, immer wieder abgewiesen zu werden. Es war das eine, dass die Malfoys mich nicht mehr zu sich nahmen und den Kontakt zu mir vermieden. Es war aber etwas ganz anderes, wenn mich nun auch noch ein beträchtlicher Teil meiner Freunde anzweifelte. Immerhin verdächtigten sie nicht mich, denn das wäre noch lachhafter gewesen. Doch ich hätte mir gewünscht, dass man mir glaubt, wenn ich sage, dass es Draco nicht war. Ich wusste einfach, dass er es nicht war und ihn dennoch als Verdächtigten zu haben, das fühlte sich für mich nur falsch an. Jetzt müssten sich nur noch Eva und Dean von mir abwenden und dann wäre ich vollkommen alleine. Von allen abgewiesen. Diese Gedanken trieben mir die Tränen in die Augen. Hinter meinen Händen vor dem Gesicht fing ich leise an zu schluchzen. Vielleicht hatte ich Eva schon ein bisschen verloren, da ich Streit mit Harry, Ron und Hermine angezettelt hatte. Sie konnte Streit nicht ausstehen und setzte meist alles daran, ihn schnellstmöglich wieder zu lösen. In dieser Hinsicht war sie ebenso harmoniebedürftig wie Hufflepuffs.

Ich fühlte, wie Eva mich sanft umarmte. „Harry, Hermine und Ron werden dir schon verzeihen. Vielleicht solltest du in Zukunft nur nicht wegen deiner Familie so ausflippen."

Ich nickte und sah sie mit verschwommenem Blick an. „Es ist nur ... ich möchte endlich jemanden haben, bei dem ich keine Angst haben muss, zurückgestoßen zu werden. So etwas wie Familie."

Evas Blick wurde mitleidig und sie schloss ihre Arme fester um mich. „Du hast mich. Und du hast Dean. Und auch sonst gibt es viele Leute, die sich um dich sorgen. Also solltest du vielleicht nicht gerade zu denen gemein sein. Die drei haben auch nur versucht, den Erben zu finden und endlich ihre Ruhe zu haben."

Ich nickte niedergeschlagen. Es sah so aus, als hätte ich es wirklich verbockt. Aber sie hätten mir auch einfach glauben können. Trotzdem wollte ich mich nicht nur auf Freunde verlassen können. „Hilfst du mir, mehr über meine Mutter und ihre Seite der Familie herauszubekommen?"

Eva seufzte. „Wir reichen dir also nicht als Familie. Aber meinetwegen, solange ich dafür nicht meine Noten riskieren muss und du dann vielleicht endlich auf andere Gedanken kommst."

Ich fiel ihr mit verweinten Augen, aber lächelnd um den Hals.

Eigentlich hatte ich nach dem Streit von vorhin keine Lust mehr auf den Gemeinschaftsraum oder andere Gryffindors. Es gab jedoch eine Ausnahme, die den Mädchenschlafsaal leider nicht betreten durfte. Daher musste ich wohl oder übel, um Dean an diesem Tag noch zu sehen, in den Gemeinschaftsraum runter.

Zu meinem Glück waren Hermine, Harry und Ron nirgendwo zu sehen. Dafür aber Dean, der mit Seamus und Neville an einem Tisch saß und Zauberschnippschnapp spielte. Sobald er mich entdeckte, stand er auf und kam auf mich zugelaufen. Er umarmte mich, obwohl wir mitten im Raum standen und andere Schüler uns sehen konnten. Ich genoss seine Nähe und drückte meinen Kopf an seine Brust. Einige Momente lauschte ich einfach nur seinem Herzschlag, bis sich Eva deutlich räusperte. Ich ließ Dean los und brachte Abstand zwischen uns, um die Gerüchteküche nicht anzuheizen. Was wir mit der Umarmung vermutlich ohnehin schon getan hatten.

„Ist alles in Ordnung?", fragte Dean und musterte besorgt meine geröteten Augen. Ich nickte und wünschte mir, dass ich mich wieder verkriechen könnte. Im Moment wollte ich nicht weiter über die Anschuldigungen meiner Freunde nachdenken.

Da Dean nicht überzeugt wirkte und kurz davor schien, genauer nachzuhaken, beschloss ich das Thema zu wechseln. „Was glaubt ihr ist das Monster der Kammer des Schreckens?" Zusätzlich ging ich zu Seamus und Nevilles Tisch und setzte mich zu ihnen. Neville wusste nichts von Dean und mir und würde misstrauisch werden, wenn Dean sich allzu genau nach meinem Wohlbefinden erkundigte. Dean und Eva setzten sich schließlich auch zu uns.

Seamus wiegte überlegend den Kopf hin und her. „Es muss irgendetwas sein, was Salazar Slytherin selbst aufgezogen hat, wenn es nur ihm und seinen Nachfahren gehorcht."

„Das hieße dann aber, dass das Monster wie alt ist? Mehrere Jahrhunderte?", schlussfolgerte Eva laut.

Neville zappelte nervös auf seinem Stuhl hin und her, bevor er sich zu sprechen traute. „Vielleicht ist es ja auch gar kein Tier, sondern eine Pflanze! Es heißt schließlich nur Monster! Es könnte sogar eine Teufelsschlinge sein!" Die Vorstellung machte ihn noch hibbeliger.

„Eine gezähmte Teufelsschlinge? Dann wäre der Erbe nun ebenso tot wie Slytherin", sagte Dean und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er hatte sich neben mich gesetzt und berührte mit seinem Knie wie zufällig meins. Das jagte Wellen aus Elektrizität durch meinen Körper. Doch ich ließ mir nichts anmerken und fragte stattdessen: „Könnte es nicht theoretisch auch einfach ein Zauberer sein? Oder in der Kammer des Schreckens gibt es nur Bücher mit unbekannten, schwarzmagischen Zaubersprüchen, die das wahre Monster, nämlich den Erben freilassen?"

Seamus grinste. „Coole Theorie. Das Böse im Inneren jedes Menschen und so. Ich glaube trotzdem, dass es irgendetwas direkt mit Slytherin zu tun hat. Bestimmt hat er irgendein Tier aufgezogen, dass jetzt die Schule für ihn bewacht."

Eva streckte ihre Beine aus und streckte sich. „Dann könnte es doch genauso gut einer der steinernen Eber am Eingangsportal sein. Da geht jeder Schüler vorbei und so hätte Slytherin die beste Kontrolle über die hereinkommenden Schüler."

Dean lief ein Schauer über den Rücken, den ich an meinem Knie spürte. „Danke Eva. Jetzt kann ich da wohl nie wieder einfach so vorbeigehen."

Meine beste Freundin grinste nur fein. Neville schien es deutlich mehr zu beunruhigen, denn er fragte mit großen Augen: „K-Könnten sie denn wirklich die Monster Slytherins sein?"

Da konnte ich ihn zum Glück beruhigen und warf Eva einen warnenden Blick zu. Vielleicht sollte sie in Nevilles Gegenwart lieber nicht solche Dinge sagen. Er nahm alles viel zu ernst und hatte dann sicherlich Albträume.

Wir alberten noch eine Weile herum und dachten uns die wildesten Theorien über die Kammer des Schreckens und den Erben Slytherins aus. Als wir dann schließlich auf Lockhart als Monster und Erbe zugleich stießen, mussten wir alle fünf losprusten. Die Vorstellung allein schon! Lockhart, wie er in seinem Umhangensemble dastand und die Wand mit Farbe bemalte. Und dabei natürlich strengstens aufpasste, sich nicht das Aussehen zu ruinieren. Noch dazu vermutlich breit grinsend, falls Colin Creevey hinter der nächsten Ecke stand und das Geschehen für die Nachwelt dokumentierte.

Ich hielt mir den Bauch vor Lachen und bemühte mich um gleichmäßige Atmung. Das zumindest gelang mir besser als Seamus, der wie ein Teekessel pfiff und sich am Boden kugelte. Neville und Eva hatte es zwar in den Sesseln gehalten, doch auch sie schienen außer Atem. Und Dean? Ich drehte mich zu meinem Freund um und konnte immer noch nicht ganz fassen, dass ich ihn als solchen bezeichnen durfte.

Er lachte ebenfalls, aber hatte sich zumindest wieder im Griff. Und er sah mir direkt in die Augen und lächelte dann ein solches Lächeln, wie nur er es vermochte. Ich konnte nicht anders als zurückzulächeln und mir wurde ganz warm. Vielleicht, dachte ich mir, vielleicht hatte Eva vorhin recht gehabt. Ich hatte doch eine Familie.

Eleonora Black und Slytherins Erbe ∥ Ⅱ ∥ AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt