Am darauffolgenden Sonntagmorgen war das gewonnene Quidditchspiel und Harrys Verletzung immer noch in aller Munde. Es schien sogar, als geriete unser unrühmlicher Auftritt in Verbindung mit der Kammer des Schreckens in Vergessenheit. Beim Frühstück landete nur gelegentlich ein abschätzender Blick auf mir und auch, dass ich direkt neben Dean, Hermine und Ron saß, rief kein übermäßiges Misstrauen hervor. Ich konnte nur hoffen, dass es dabei blieb.
Dean und ich hatten einen gemütlichen Tag am See geplant, weshalb ich auch schon Essen aus der Küche organisiert hatte. Die Hauselfen hatten sich dabei mengenmäßig mal wieder selbst übertroffen. Nebeneinander schlenderten wir aus der Großen Halle. Da Draco uns mit missmutigem Gesicht beobachtete, bemühte ich mich möglichst wenig verliebt auszusehen. Wahrscheinlich grinste ich trotzdem wie eine Dumpfbacke.
„Irgendwie hat dieses Versteckspiel ja doch etwas", wisperte Dean mir zu und grinste. Wir hatten die Große Halle gerade verlassen.
Ich erwiderte sein Lächeln. „Wobei wir uns auch nicht gerade unauffällig verhalten. Eigentlich ein Wunder, dass sich die Gerüchte bisher in Grenzen halten."
„Oder du bist anderen eben doch nicht so wichtig, wie du dachtest", ärgerte er mich. Ich knuffte ihn in die Seite. „Anders als mir natürlich."
Ich verspürte das irrationale Verlangen, ihn zu küssen. Verstohlen blickte ich mich nach allen Seiten um und sah McGonagall und Flitwick den Korridor entlangkommen. Schnell zog ich Dean hinter mir hinter eine der vielen Ritterrüstungen. Warum ich das tat, wusste ich selbst nicht so recht. Gemeinsam herumzulaufen war schließlich nicht verboten. Vielleicht hatte es an den besorgten Mienen der beiden Lehrer gelegen, die wirkten, als würde Voldemort gleich die Schule stürmen.
Neugierig spitzte auch Dean die Ohren. Sie waren aber einen Hauch zu weit entfernt, um jedes Wort zu verstehen. So schnappten wir nur einzelne Gesprächsfetzen auf.
„Colin Creevey versteinert im Flur gefunden ... Entsetzlich, Minerva! ... Kammer des Schreckens tatsächlich offen ... müssen Maßnahmen für Schüler treffen..."
Ich verkrampfte mich. Dass jemand Mrs Norris etwas antat, war ja schon schlimm genug. Aber wer schreckte auch nicht davor zurück, einen unschuldigen Erstklässler zu verletzen? Dafür war schon besondere Grausamkeit erforderlich und auch magisches Geschick. Ein Grund mehr, meinen Cousin von der Liste der Verdächtigen zu streichen.
Mein Freund bemerkte meine Anspannung und streichelte mir beruhigend über den Rücken. Als die beiden Lehrer weitergingen und ihr Gespräch an anderer Stelle fortführten, wagte er es auch wieder zu sprechen. „Die Lehrer werden schon dafür sorgen, dass uns nichts passiert. Und vielleicht stellt sich das alles als blöder Streich heraus."
Ich setzte zu einer Antwort an. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung am anderen Ende des Korridors. Hinter einer anderen Rüstung tauchten Hermine und Ron auf und diskutierten wild. Sie schienen ebenfalls Zeugen vom Gespräch der Lehrer geworden zu sein. Ich blickte ihnen hinterher, bis sie um die Ecke verschwunden waren.
„Wenn das ein Streich sein soll, dann ist er aber nicht witzig."
Die Nachricht um Colin Creeveys Versteinerung verbreitete sich wie ein Lauffeuer und verdrängte das gewonnene Quidditchspiel. Bis Montag wussten alle davon. Creeveys Mitschüler waren nur noch in kleinen Gruppen anzutreffen, als würde sie das vor dem unbekannten Angreifer beschützen. Ich tröstete Ginny, die in Zauberkunst neben ihm gesessen hatte und tief getroffen war. Leider versuchten Fred und George das Gleiche, aber mit anderen Methoden. Sie sprangen grinsend hinter Statuen hervor und verpassten sich gegenseitig Warzen und Furunkel im Gesicht. Erst als Percy mit einem Brief an ihre Mutter drohte, ließen sie Ginny in Ruhe. Trotzdem machte sie keinen besseren Eindruck, sie war noch bleicher als ohnehin schon und wirkte schreckhaft.
Der Handel mit angeblichen Schutzamuletten florierte und auch Neville deckte sich mit einem verwesendem Molchschwanz und einer Riesenzwiebel ein, wie mir Dean erzählte. Obwohl er durch und durch Reinblüter war, machte er sich wegen seines fehlenden magischen Talents Sorgen, der Nächste zu sein.
Dean, dessen Sorgen diesbezüglich vielleicht berechtigter waren, schien nicht übermäßig besorgt. Das übernahm ich für ihn. Auch wenn ich eigentlich versprochen hatte, ihn nicht zu bevormunden und seine Entscheidungen zu akzeptieren, wollte ich ihn am liebsten irgendwohin bringen, wo er in Sicherheit wäre und erst zurückholen, wenn der Alptraum ein Ende hatte. Als ich den Fehler machte und ihn darauf ansprach, sagte er nur pikiert: „Noch hat es keine weiteren Angriffe gegeben. Und solange du auch hier bist, bleibe ich." Und da ich nirgendwo anders hinkonnte, stand das Thema nicht mehr zur Diskussion.
Wie jedes Jahr notierte sich McGonagall in der zweiten Dezemberwoche die Namen der Schüler, die die Ferien über in der Schule bleiben würden. Ich trug mich auf die Liste ein, denn Eva würde ihre Großeltern besuchen und da konnte ich leider nicht mit. Auch Harry, Hermine und die Weasleys würden nicht nach Hause fahren, sodass ich nicht alleine wäre. Zu meinem Pech blieb aber Draco ebenfalls in der Schule, womit ich das Weihnachtsfest eigentlich schon für gelaufen erklärte.
Am Donnerstag wollte ich eigentlich Severus von meinen nicht-vorhandenen Ferienplänen erzählen, vielleicht konnte ich sie ja bei ihm verbringen. Immer noch besser als Draco beim Weihnachtsfest gegenüberzusitzen. Doch es kam mir eine Explosion dazwischen.
Wir brauten alle unsere Schwelltränke und ich konzentrierte mich ganz auf mein Gebäu, das mir daher auch besonders gut gelang. Dann ergoss sich Goyles Trank mit einem Knall auf die Klasse. Überall schwollen Körperteile an und wuchsen in kürzester Zeit zu beachtlicher Größe heran. Ich war hinter einer Säule verborgen gewesen und blieb verschont. Doch Dracos Nase hatte inzwischen die Größe eines Kessels und hörte nicht auf zu wachsen.
Severus scheuchte alle Betroffenen nach vorne zum Abschwelltrank, wo sich bald die halbe Klasse drängte. In all dem Chaos glaubte ich zu sehen, wie Hermine aus dem Büro meines Paten huschte. Das konnte aber nur Einbildung gewesen sein – was hätte sie denn dort gewollt?
Am Boden des Kessels fand der Zaubertränkelehrer die Überreste eines Feuerwerkskörpers und schwor, den Schuldigen dafür von der Schule fliegen zu lassen. Er konnte aber niemandem etwas nachweisen und musste uns in die Pause entlassen. Ich fragte mich, was Harry, Ron und Hermine wohl im Schilde führten und was sie aus Snapes Büro brauchten.
Es waren nur noch wenige Wochen oder eher Tage bis zu den Ferien. Doch so richtig vorweihnachtliche Stimmung wollte sich nicht recht einstellen. Dafür saß uns allen noch der Schreck über Colins Versteinerung und die Angst vor weiteren Attacken zu sehr im Nacken. Das merkten wohl auch die Lehrer.
So kam es, dass am Schwarzen Brett in der Eingangshalle ein Pergament ausgehängt wurde. Neugierig traten Eva und ich näher.
„Ein Duellierclub?", las Eva zweifelnd vor. „Und das schon heute Abend?"
„Ich finde die Idee großartig!", sagte Seamus von hinten und bekam einen verträumten Blick. „Wer weiß, wofür man das alles brauchen kann..."
„Slytherins Monster wird sich wohl kaum mit dir duellieren", mischte sich auch Ron ein, der gerade erst mit Harry dazugestoßen war. Aber auch er klang nicht uninteressiert.
Wir beschlossen alle, daran teilzunehmen. Was konnte es schon schaden? Wie sehr wir uns da irren sollten...
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Eleonora Black und Slytherins Erbe ∥ Ⅱ ∥ Abgeschlossen
FanfictionEleonoras zweites Jahr auf Hogwarts beginnt. Nachdem sie letztes Jahr mehr oder weniger erfolgreich Voldemort aufgehalten hat, steht ihr nun ein weiteres Jahr voller Abenteuer bevor. Dabei hatte sie sich doch eigentlich so fest vorgenommen, nichts V...