Prolog

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Es war seltsam durch die Flure und Korridore von Hogwarts zu streifen. Alles sah genauso aus, wie ich es vor etwa zehn Monaten kennengelernt hatte. Die unzähligen Portraits vergangener, berühmter Persönlichkeiten Hogwarts und der Zaubererwelt, die verzauberten Treppen und Ländereien mit dem schwarzen See und der Eulerei. Und doch schien es, als hätte sich ein dunkler Schatten über die Schule und ihre Bewohner gelegt. Selbst die bereits verblichenen Geister, wirkten mit diesem Schatten noch trostloser und lebloser als die Zeit davor. Ein Jeder spürte das aufkommende Unheil, welches in nächster Zeit in der Schule ankommen sollte. Es war geradezu unheilvoll, das ganze Szenario. Hogwarts, was mir in den letzten Monaten ein Zuhause war, gab mir nun kaum noch das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Seitdem Albus von uns gegangen war, herrschte in den Mauern des Schlosses eine erdrückende Melancholie und Stille. Und jeder, der noch hier war und mitbekommen hatte, dass ich wie Harry eine große Verbindung zu ihm hatte, behandelte mich wie eine zerbrechliche Glasfigur. 
,,Mutter, Vater...ich wünschte, ihr könntet mich sehen und mir einen Rat geben. Alles ist aus dem Ruder gelaufen. Albus ist tot, der dunkle Zauberer auf der Erde gewinnt immer mehr an Macht und einer meiner Freunde muss nun ständig beobachtet oder bewacht werden, so wie ich. Ich weiß einfach nicht mehr weiter", meinte ich zum Himmel empor und umklammerte dabei fest das Metallgeländer des Astronomieturmes. Seit Albus seiner Ermordung war ich fast jeden Tag an diesem Platz, was mittlerweile fast vier Wochen zurücklag. Während all der Zeit war ich mit Leon, Samira und einigen Lehrern die einzige Bewohnerin des Schlosses. All die anderen Schüler, egal welcher Altersklasse, wurden am Tag nach der Beisetzung von Professor McGonagall heim geschickt. So auch das Goldene Trio und Ginny. Zwar hatten sie mich versucht zu überreden mit ihnen zu gehen, doch hatte ich meinem ehemaligen Lehrer das Versprechen gegeben meiner Hauslehrerin zu vertrauen und auf sie zu hören, bis sie mich zu einem Ordensmitglied bringen würde. Doch wann das sein würde, hatte  sie nicht verlauten lassen.
,,Es ist alles so still geworden hier im Schloss...so wie bei uns damals. Ohne Albus weiß ich nicht, wie ich hier lange auf der Erde leben kann ohne entdeckt zu werden. Momentan bin ich noch sicher, doch was passiert wenn ich Hogwarts verlasse. Zurückkehren kann ich wahrscheinlich nicht", fuhr ich leise fort und griff bei dem letzten Satz an mein Medaillon mit meinem Familienfoto im Inneren.
,,Und was soll dann erst mit meinem zweitem Problem geschehen? In Hogwarts hatte ich einen Raum, der die Schüler vor mir schützte. Doch da draußen? Was passiert, wenn ich mich in meine verfluchte Hälfte verwandle und meine Freunde angreifen. Was geschieht, wenn ER dadurch nur noch einfacher meine Spur aufnehmen kann? Ich bin eine Gefahr da draußen in der Welt der Zauberer und Hexen. Eine große Gefahr für sie aber auch für meine Freunde, für euch und für mich. Ich ziehe alle mit hinein, obwohl es sie nicht betrifft. Und das nur, weil sie mich kennen oder ich ihre Freundin bin."
,,Lia, mach dir nicht so große Vorwürfe", ertönte mit einem Mal die sanfte, beruhigende Stimme von Leon. Etwas überrascht drehte ich mich zu ihm um und beobachtete, wie er auf mich zukam und sich neben mir am Geländer aufstellte.
,,Wenn hier einer die Schuld trägt, dann ist ER ja das wohl. Aber nicht du, hast du mich verstanden. Du kannst weder etwas für Professor Dumbledores Tod, noch für den Fluch der auf dir lastet."
Dankbar aber dennoch betrübt, lächelte ich ihn an, ehe ich mich wieder der Aussicht auf die Ländereien von Hogwarts zuwandte. Es war schon komisch, dass ich mittlerweile fast ein Jahr auf der Erde gelebt habe und so vieles passiert ist. Gutes sowie Schlechtes, und leider überwog das letzte von beiden in letzter Zeit immer weiter. Gestresst stieß ich einen Schwall an Luft aus und schloss für einen kurzen Moment die Augen.
,,Wann glaubst du, wird dieser ganze Albtraum ein Ende haben? Und ich will deine ehrliche und keine beschönigte Antwort haben", fragte ich nach ein paar Augenblicken meinen besten Freund ernst. Jeder dachte, er müsse mich mit Samthandschuhe anfassen. Doch wollte ich einfach nur normal, so wie vorher behandelt werden. Als Leon anfänglich nicht antwortete, sah ich abwartend zu ihm und bemerkte, wie er mit sich und seiner Antwort rang. Schlussendlich gewann sein Drang, es mir endlich zu sagen.
,,Ich weiß es nicht, wenn ich ehrlich bin. Es könnte in zwei Jahren in einem Jahrzehnt oder sogar schon in ein paar Monaten zu Ende sein. Wir beide kennen die Variablen und wissen, wie schwierig die momentane Situation ist. Sowohl hier auf der Erde, als auch in Hellmir."
Mir fiel auf, wie sein Blick bei der Erwähnung unserer Heimat sich kurz trübte und abwesend wirkte, ehe er wieder konzentriert und aufmerksam wurde. Ähnlich wie der von Samira, die uns seit Leons Ankunft aus einer der Nischen beobachte.
,,Leon, ich weiß, wie sehr du unser Zuhause vermisst. Und wenn ich es könnte, würde ich dir die Möglichkeit eröffnen, wieder zurück zu kehren. Aber leider kann ich das nicht. Es tut mir leid, dass du meinetwegen hier festsitzt auf der Erde."
,,Ich vermisse es, Lia, aber ich hätte mir mein Leben lang Vorwürfe gemacht, wenn dir etwas passiert wäre hier in Hogwarts. Mit dem Wissen, dass ich es hätte verhindern können, wäre ich mit dir gereist. Also sorge dich bitte nicht um mich, sondern konzentriere dich voll und ganz auf dich und deine Gabe", antwortete er mir ernst und sah mich unentwegt an, was ich aus dem Augenwinkel wahrnehmen konnte.
,,Dadurch, dass ich die nächste Zeit keinen Lehrer habe, wird dieses Vorhaben etwas problematisch werden", meinte ich mit geknickter Stimmung und musterte mein linkes Handgelenk, da, wo mein Mal für mein "zweites Ich" prangte. Fast schon gehässig zeigte es sich mir und rieb mir jedes Mal unter die Nase, was für eine Gefahr ich doch mittlerweile war. Zwar hatte ich auch den letzten Neumond vor zwei Wochen recht gut überstanden, doch war ich da wieder im Raum der Wünsche allein mit Samira eingeschlossen gewesen. Eigentlich hatte Leon darauf bestanden, dass er mich begleitet, doch habe ich ihn mit dem Argument zum schweigen gebracht, dass es sicherer wäre für alle, wenn ich dieses Mal isoliert wäre und mir nichts passieren konnte. Wovon ich ihn jedoch nicht abhalten konnte, war, dass er nach Untergang des Neumondes vor dem Raum der Wünsche auf mich wartete.
,,Uns wird schon etwas einfallen, Lia. Zur Not werde ich dich unterrichten, auch wenn ich nicht der Beste im erklären bin. Aber du brauchst Unterstützung bei diesem Vorhaben."
,,Ich weiß, Leon. Doch momentan wissen wir nicht einmal, wie es weitergehen wird. Hat Professor McGonagall dich irgendwann einmal darauf angesprochen, wann wir das klären?"
,,Deswegen bin ich ursprünglich zu dir und Samira gekommen. Wir sollen gleich zu ihr in das Schulleiterbüro", antwortete mein Beschützer auf die Frage und sah zu Samira, die augenblicklich von ihrem Platz aufstand und auf uns zu stiefelte.
Wortlos nickte ich ihnen zu und so machten wir uns auf den Weg zum Büro. Während wir durch die Gänge und Korridore der verlassenen Schule liefen, sprachen wir kein Wort miteinander. Es war totenstill, bis auf das Echo unserer Schritte. Und das verlieh der Atmosphäre einen schauerhaften Touch.
Mittlerweile hatten wir den Innenhof mit dem Wasserspeier erreicht und nannten dem Wächter das Passwort, was er von uns stumm verlangte, ehe er sich um die eigene Achse drehte und die paar Treppenstufen freigab, die uns nach oben brachten. In der nächsten Etage angekommen, schritten wir gemeinsam auf die schwere Holztür des Büros zu und mit jedem Meter, dem wir ihr näher kamen, spürte ich, wie mein Herz immer schneller schlug und sich ein leichter Kloß in meinem Hals bildete. Kurz vor der Tür stoppten wir ohne uns abzusprechen.
,,Lia, alles in Ordnung?", fragte Leon mich von der Seite leicht verunsichert. Nervös holte ich tief Luft, bevor ich zu einer Antwort ansetzen konnte.
,,Es ist das erste Mal, seitdem Albus...tot ist, dass ich sein Büro betrete", antwortete ich ihm. Ohne auf eine Antwort oder Reaktion von ihm zu warten, hob ich meine Hand und klopfte auf das kühle Holz. Ein paar Sekunden später schwang die Tür von ganz allein auf und gewährte uns damit Einlass in das Schulleiterbüro. Mit stark klopfendem Herzen überquerte ich die Türschwelle und atmete die leicht stickige Luft ein. Es hatte sich absolut nichts verändert in diesem Büro. Die Regale waren weiterhin mit unendlich vielen Büchern bestückt, die ehemaligen Schulleiter saßen oder standen in ihren Portraits und der Schreibtisch wirkte noch immer eindrucksvoll auf jeden Gast. Und doch waren zwei Details anders. Rechts neben dem Sekretär stand ein verlassenes Gerüst, auf dem sonst immer Fawkes thronte. Wo Albus Begleiter war, konnte sich niemand erklären. Harry hatte uns von seinem Verschwinden berichtet, als er am Tag seiner Abreise mit unserer Hauslehrerin in diesem Büro war.
Die zweite Sache war, dass anstelle von Professor Dumbledore nun Professor McGonagall allein in diesem Raum stand und mich freundlich, aber dennoch betrübt anblickt.
,,Miss Rave, Mister Cervis, Samira. Schön, dass sie alle es so schnell einrichten konnten hier her zu kommen", begrüßte uns die Gryffindorlehrerin und kam die Treppen zu uns nach unten. Mit einer stummen ausladenden Geste deutete sie auf die Sessel am Kamin, in welchem dieses Mal kein Feuer loderte. Wir folgten ihrer Aufforderung und setzten uns ihr Gegenüber.
,,Es tut mir sehr leid, dass ich das Gespräch nicht schon eher mit Ihnen geführt habe. Aber ich dachte, dass ein wenig Abstand Ihnen gut tun würde, Miss Rave. Zumindest mit diesem Thema", begann meine Lehrerin als Erste und musterte mich besorgt mit ihren aufmerksamen Augen.
,,Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich war sogar ganz froh darüber, wenn ich ehrlich bin. Aber nun steht die Frage im Raum, wie es weiter gehen wird", antwortete ich ihr wahrheitsgemäß. Seufzend verschränkte meine Lehrerin ihre Hände in einander und sah Leon und mich der Reihe nach an.
,,Bevor Professor Dumbledore von uns ging, suchte er das Gespräch mit mir auf. Ebenso, wie er es bei Ihnen getan hat und ich schätze, dass er Ihnen ein Teil seines Planes mitgeteilt  hat, falls es zu dieser Wendung kommen sollte."
Zustimmend nickte ich und sah kurz zu meinen Beschützern, ehe ich zu meiner Antwort ansetzte.
,,Albus meinte, dass Sie uns im Sommer zu einem Ordensmitglied bringen würden. Damit ich zusätzlich von dem Orden des Phönix geschützt werde, neben Leon und Samira."
,,So ist es. Denn so leid es mir tut, sowohl für die Schüler von Hogwarts als auch für Sie. Hogwarts wird in nächster Zeit kein sicherer Ort sein, vor allem für Sie nicht. Es wird höchstwahrscheinlich dazu kommen, dass Sie-wissen-schon-wer die Schule mit seinen Anhängern einnehmen wird, um seine Ideale zu verbreiten und neue Soldaten auszubilden."
Obwohl ich dies bereits vermutete hatte, musste ich bei diesem Gedanken unwillkürlich die Augen schließen.
,,Sind Sie sich sicher, Professor, dass der Orden Thalia beschützen kann, wenn sie sich auch noch um Harrys Sicherheit kümmern müssen?", fragte nun Leon meine Hauslehrerin.
,,Wenn ich ehrlich sein soll, dann kann ich dies nur hoffen, Mister Cervis. Denn was für eine andere Wahl haben Sie und wir? Miss Rave, Sie und Harry müssen ab sofort noch vorsichtiger sein als zuvor. Sie müssen sich gegenseitig auf ihrer Reise aushelfen, auch wenn dies bedeutet in Gefahr zu raten. Allein werden sie drei in der Zaubererwelt und die der Muggel nicht lange gefahrlos überleben. Sie müssen nach jedem Strohhalm greifen, den Sie zu fassen bekommen."
Seufzend fasste ich mir an die Schläfen und fing an sie beruhigend zu massieren. All dies klang in meinen Ohren wie ein schlechter Scherz, doch ich wusste, dass es leider die Wahrheit war. Gerade als Leon meiner Lehrerin antworten wollte, ging ich dazwischen und sah der Professorin in die Augen.
,,Etwas anderes wird uns auch nicht übrig bleiben. Ich würde vorschlagen, dass Sie uns die nächsten Schritte erläutern würden. Wo wir als nächstes hingehen, wann und was wir vorbereiten müssen."
,,Natürlich, Miss Rave. Es war Albus Bitte, dass ich Sie zu den Weasleys in den Fuchsbau begleite. Von da an stünden Sie unter dem Schutz des Ordens und dem des Fuchsbaus. Die Eltern Ihrer zwei Freunde haben gemeinsam mit anderen Mitgliedern einen magischen Wall um das Grundstück herum errichtet, ähnlich wie hier in Hogwarts. Sie sind bereits informiert, dass Sie drei demnächst zu ihnen kommen. Sie wissen jedoch nicht den genauen Grund. Albus wollte Ihnen die Entscheidung überlassen, wem Sie Ihr Geheimnis erzählen", begann sie zu erklären und bedachte mich am Ende mit einem wissenden Blick, zumindest was die Sache mit der Herkunft betraf.
,,In Ordnung und wann soll die Reise dahin gehen?", fragte ich sie neugierig.
,,Wir werden in sieben Tagen dahin aufbrechen. Bereiten Sie alles vor, was Sie auf Ihrer kommenden Reise noch gebrauchen könnten. Sie haben auch meine Erlaubnis einige Zaubertrankzutaten mitzunehmen, im Falle der Fälle."
,,Danke, Professor. Für alles, was Sie bisher für uns getan haben."
Lächelnd betrachtete sie mich, ehe ihrer Miene wieder nachdenklich wurde.
,,Danken Sie mir lieber erst, wenn wir das alles hier überstanden haben."

Heyho meine Lieben,
ja ihr seht richtig. Der zweite Teil um Thalia und ihre Geschichte hat angefangen. Alles neigt sich einem unausweichlichen Kampf zu. Was alles auf unseren dunklen Engel, Samira, Leon und Co. noch zukommen wird, werdet ihr nur herausfinden, wenn ihr diese Geschichte verfolgt.
Ich danke euch vor allem für die Unterstützung im ersten Teil. Niemals hätte ich gedacht, dass die Geschichte so vielen Personen gefällt. Ihr seid wirklich einmalig.
Vielen, vielen Dank an euch.

Eure Julia

Engel der Finsternis (II.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt