Aeterna Caritate

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Ich traue meiner Nase nicht, als ich am nächsten Tag das römische Bad betrete. "Riechst du, was ich rieche?", frage ich Tua und zupfe am Gürtel seines schneeweißen, nach einer Frühlingsblumenwiese duftenden Bademantels.
"Ja, es riecht seltsam, was ist das?" Mein Freund steuert auf das in den Boden eingelassene, dampfende Becken in der Mitte des Raumes zu. Auf der Wasseroberfläche schwimmen Rosenblätter und ein paar Kerzen.
Er dippt einen Finger ins Wasser. "Fühlt sich weich an", befindet er. Ich umfasse sein Handgelenk und schnuppere an seinem Daumen. "Es riecht nach Sex", sage ich ernst.
Tua lacht. "Was?"
"Kein Witz, riech doch mal", fordere ich ihn eindringlich auf. Ungeduldig drücke ich seine Hand in Richtung seiner Nase. Er legt die andere auf meinem Brustkorb ab, direkt über mein Herz. Ich verstehe ihn sofort, auch ohne Worte. Unterwürfig senke ich die Lider und löse den Klammergriff. Als ich aufschaue, leckt Tua seinen Finger ab. "Ih!", rufe ich schockiert und packe seine Hand nun doch wieder. Tua verzieht passend zu meinem Kommentar das Gesicht und streckt die Zunge raus, bevor er sich ein Glas sündhaft teuren Champagner krallt und es auf Ex leert.
"Bist du irre?", frage ich ihn. "Man schleckt doch kein Badewasser von seinen Fingern, was bist du denn für einer?", halte ich ihm eine halbe Standpauke. Tua schüttelt sich vor Ekel.
"Und dann auch noch die eigenen Prinzipien brechen." Missbilligend schnalze ich mit der Zunge und hebe eine Flasche San Pellegrino aus demselben Eisbottich, in dem der Champagner lagert. "Ein Super-Abstinenzler bist du mir", tadle ich ihn, schraube die Selters auf und drücke ihm die Pulle in die Hand. Er kippt sich ein gutes Viertel in den Rachen und wischt sich über den Mund, bevor er zu grinsen anfängt, was mich leider ansteckt. "Schön, dass du wenigstens über deine eigene Dummheit lachen kannst."
"Du schmeckst besser." Er schluckt, vermutlich um die Reste des giftigen Geschmacks loszuwerden. "Falls ich in den nächsten vierundzwanzig Stunden sterben sollte, versprich mir, dass du das Hotel verklagst und reich wirst", zeichnet er eine düstere Zukunftsvision.
"Weil Geld all meine Probleme löst, meinst du?", gluckse ich. "Na, wobei - Wenn du weg bist, hab ich schon mal eins weniger", überlege ich laut.
Tua lacht. "Denkst du. Warte ab, bis der Notar dir mein Testament vorliest."
"Ganz sicher hast du jetzt schon irgendwo dein Testament versteckt, alter Mann", tue ich es ironisch ab und grinse ihn verführerisch an, ehe ich mein Gewicht auf die Zehenspitzen verlagere und in sein Ohr wispere: "Du kannst mir nicht einfach wegsterben; vorher musst du mir noch ein Baby machen, das ist das Mindeste. Vergiss nicht, was du mir versprochen hast. Du hast mir versprochen, du würdest mich nie in dieser grausamen, grausamen Welt allein lassen. Wenn du's tust, hinterlass mir wenigstens einen Teil von dir. Einen, den ich weiter so sehr lieben kann, wie ich dich liebe, bis ich selbst sterbe, okay?" Ich will auf die Fußsohlen rollen, doch Tua hält mich an der Taille oben bei sich und küsst mich. "Ich glaube, ich war noch nie so glücklich", murmelt er, als ich mich lächelnd an ihn schmiege. "Sei nicht so glücklich, sonst wirst du immer kitschiger", necke ich ihn, aber mir ist schon klar, dass ich ihm gerade selbst ein Liebesgeständnis sondergleichen gemacht habe. "Alles deine Schuld", erwidert er. Empört boxe ich ihn in die Seite. Seine Rache für die Aktion fällt allerdings ziemlich unverhältnismäßig aus, denn er schubst mich ins Becken.
Ich höre mich kreischen, doch das Geräusch wird schon bald darauf erstickt. Kleine Luftbläschen steigen an die Oberfläche, unter Wasser kann ich ihnen dabei zusehen. Mein Körper treibt hoch. Automatisch reiße ich den Kopf nach oben, um nicht unter meinen Locken zu ersticken, die mir sonst nass vor Mund und Nase hängen würden. Als das Wasser aus meinen Ohren geflossen ist und ich wieder normal höre, fange ich an über Tuas schadenfrohes Gelächter zu zetern. "Arschloch!", fahre ich ihn an. Wutschnaubend ziehe ich den völlig durchnässten Bademantel aus und werfe ihn meinem Deppen von Freund vor die Füße. "Häng den sofort auf und dann komm in dein beschissenes Romantik-Bad!", kommandiere ich ihn herum.
"Meinst du, die haben hier irgendwo Kameras installiert? Mir egal, was die Aufnahme kostet, wenn dieser Moment auf Video festgehalten wurde, ist es mir das allemal wert." Tua drapiert meinen Bademantel an einem silbernen Haken an der Wand. Seine Hotel-Robe findet daneben Platz.
"Du bist so beschränkt", meckere ich.
Er gleitet neben mir ins Wasser und legt einen Arm um meine Schultern. "Mal im Ernst, was ist in diesem Badewasser? Es fühlt sich nicht mal nach Wasser an", meint er.
"Wonach denn dann? Nach Mösenschleim oder was?", hake ich derb nach.
Tua grinst. "Nah dran, aber eher 'n bisschen nach Gleitgel, findest du nicht?"
"Ach was", winke ich angeekelt ab. "Die haben da eine Flasche Hautzart-Badeöl reingekippt, das ist alles."
"Hautzart-Badeöl heißt das also heutzutage", spottet er.
"Jugendslang, davon verstehst du nichts."
Er nimmt mich zwischen seinem Körper und der Wand des Beckens gefangen. Überrascht atme ich ein. Er lächelt und küsst mich hinterm Ohr. Ich atme zitternd wieder aus und schlinge beide Arme um seinen Hals. "Nochmal zu den Kameras", hauche ich.
"Zwischen Pornos gucken und Pornos drehen müssen nicht immer Jahre liegen", sinniert er. Seine Hände streichen über meine Seiten aufwärts, hoch zu meinen Brüsten.
"Deswegen habe ich diesen Porno aber ganz bestimmt nicht ausgeliehen und das weißt du auch", sage ich anklagend.
"Mir egal, ob oder warum du dir Pornos ausleihst." Seine Stimme klingt rauer und er drückt gegen meine Mitte.
"Das sollte dich aber interessieren, vielleicht bringst du's ja nicht", gebe ich so gleichgültig wie möglich zurück.
"Bring mich nicht zum Lachen, Iara", antwortet er staubtrocken und zieht an der Schleife meines längsgestreiften Bikinis, der ein wunderschönes Dekolleté zaubert.
"Denk dran, das ist ein Romantik-Bad", erinnere ich ihn.
"Glaubst du, ich kann keinen romantischen Sex?", fragt er belustigt.
Ich seufze auf, weil er sanft in meinen Hals beißt. "Manchmal glaube ich, ich kenne überhaupt nur einen Bruchteil von dem, was du kannst", gebe ich nach. "Tua", stoppe ich ihn kurze Zeit später. "Lass uns noch warten", unterbreite ich ihm meinen Vorschlag.
Er sieht nicht begeistert aus. "Sag mir nicht, du bekommst deine Tage."
"Darum geht's nicht. Das Problem ist eher die Ganzkörpermassage, die du danach gebucht hast. Wie soll ich die genießen, wenn wir jetzt vögeln?"
"Nach der Massage sind eh ein paar Stunden Leerlauf. Ich wollte unten im Restaurant mit dir essen, aber wenn du's so darstellst, bin ich mehr für Zimmerservice", zuckt er die Schultern. Ich ziehe ihn lächelnd zu mir heran. "Zimmerservice klingt klasse", flüstere ich zwischen zwei Küssen.
Als wir uns voneinander lösen, küsst Tua mich ein letztes Mal auf die Schläfe. "Was meinst du?", schneide ich ein neues Thema an. "Wie ist das für Masseure, wenn sie attraktive Kunden mit ihren Fingern bearbeiten müssen?"
"Wie soll das für die schon sein?", fragt er verständnislos. "Die verabschieden sich und gehen auf Klo wichsen. Voll unkompliziert."
Ich lache. "Du bist so ein Spinner. Ich liebe dich dafür."

MessiasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt