Mein Freund lässt seinen Worten an diesem Abend Taten folgen. Nachdem er mir aus meiner Jacke geholfen und auch seine eigene ausgezogen hat, schlingt er beide Arme von hinten um mich und legt seinen Kopf auf meinem ab. Ich lache, als wir so aneinander klebend durch den Flur straucheln. Tua küsst mich auf die Wange. Er stößt mit der Faust meine Zimmertür auf und schließt sie hinter uns. Alles, ohne mich dabei loszulassen.
"Und was, wenn ich noch Tee will?", frage ich ihn herausfordernd.
"Tee können wir kochen, sollen wir?", antwortet er mit einer Gegenfrage und dreht mich so, dass wir im Zweierpack aus meinem Zimmer wieder rausmarschieren könnten.
"So dringend brauche ich den Tee nicht. Wasser steht da noch, oder?" Tua wirft einen Blick hinter sich und dreht mich zurück.
"Jap." Ich strecke die Arme in Richtung Bett aus und schreie im nächsten Moment auf. Mein Freund hat mich an der Hüfte gepackt und wirft sich mit mir zusammen auf die Matratze. Ich muss schon wieder herzlich lachen. Das tut echt wahnsinnig gut nach der beschwerlichen Zeit, die wir jetzt hoffentlich überstanden haben. Tua löst seinen Gürtel. Ich schmunzle spöttisch.
"Nur kuscheln, war angesagt."
"Die Hose ist unbequem und du kannst mir nicht erzählen, dass dir deine eigene Jeans nicht genauso auf die Nerven geht."
"Du hast ja recht", gebe ich seufzend zu. "Lässt du mich rasch aufstehen?" Tua grinst.
"Nö." Er legt sein Bein über meine.
"Und so soll ich meine Hose ausziehen?"
"Lass dir was einfallen."
"Werd bloß nicht frech", tadle ich ihn. "Du kannst gleich mit dir alleine kuscheln." Mit etwas Mühe schaffe ich es tatsächlich, mich aus meiner Jeans zu befreien. Wo ich schon mal dabei bin, löse ich auch gleich noch den Verschluss meines BHs. Tua nimmt mir meine Unterwäsche weg und lässt sie auf seiner Seite zu Boden fallen, dann zieht er mich zu sich ran und küsst mich auf die Stirn. Seine Finger streichen immer wieder durch meine Locken, aber er sagt nichts. Stattdessen genießt er einfach nur den Moment und ich tue dasselbe, schließe die Auge, atme seinen Duft ein. "Ich kuschle unglaublich gern mit dir, weißt du das?", murmle ich leise und vergrabe mein Gesicht an seiner Brust.
"Bei mir baut das auch immer jede Menge Stress ab", gesteht er.
"Warum machen wir das nicht öfter?", frage ich. Tua umarmt mich noch eine Spur fester und nuschelt dabei in mein Haar: "Keine Ahnung, weil wir dumm sind oder so."
"Vielleicht sollten wir uns öfter gegen Sex und für Kuscheln entscheiden", schlage ich vor.
"Ja ja, alles was du sagst", erwidert er müde und ich lächle.
"Hast du mir zugehört?"
"Ich habe nur mehr Kuscheln gehört; weniger Sex hab ich ausgeblendet. Klingt ganz gut."
"Ich sag ja nicht, dass ich nicht gern mit dir schlafe, aber ...", necke ich ihn. Tua versteift sich kurz und zieht mich hoch, sodass unsere Gesichter auf einer Höhe sind.
"Aber?" Die Ernsthaftigkeit, mit der er nachhakt, entlockt mir ein Lächeln.
"Kein Aber", widerrufe ich lachend, was ich gesagt habe und küsse ihn.
"Nicht witzig."
"Fand ich schon."
"Ich nicht."
"Warum nicht?" Ich streichle seine Wange. Tua küsst meinen Handrücken.
"Ich hab mir immer viel darauf eingebildet", sinniert er.
"Dass du Frauen abgeschleppt hast?", hake ich skeptisch nach.
"Sex gibt dir ein Gefühl von Macht. Der andere Mensch liegt willenlos in deinen Händen und du bestimmst darüber, ob es eine angenehme Erfahrung für euch wird oder nicht."
"Und ...", hake ich ein, "mit dem rhetorischen Du meinst du eigentlich 'Ich'?"
"Du?", fragt er irritiert.
"Nein, 'Ich'." Ich setze das Wort in imaginäre Anführungszeichen. "Also du. Du weißt doch, was ich meine. Also -" Tua grinst und ich breche ab. "Blödmann", beleidige ich ihn und boxe gegen seine Brust. Er küsst mich besänftigend. "Blödmann", wiederhole ich mit Nachdruck, als ich mich von ihm gelöst habe. "So, rede du weiter, du kannst das besser als ich. Was meinst du mit 'Sex verleiht dir ein Gefühl von Macht'?"
"Ich glaube, das waren wahrscheinlich die einzigen Momente, in denen ich mich nie für mich selbst, sondern immer nur für sie entschieden habe."
"Bei ausnahmslos allen Frauen?"
"Gibt ein paar Nächte, an die ich mich nicht erinnere", erklärt er knapp.
"Ich bin echt froh, dass ich dich nicht kennengelernt habe, als du noch so drauf warst", sage ich leise.
"Ich war so lange dieser Mensch, dass ich mich bis heute schwer damit tue, zu kapieren, dass das vorbei ist."
"Ist es aber."
"Ja, ist es."
"Ich glaube, wir hätten uns zwischendurch trennen sollen. Spätestens nach Hannes' Geburtstag." Tua nickt.
"Auf jeden Fall", stimmt er mir zu.
"Wahrscheinlich wäre dann alles viel schneller gegangen. Aber wir waren wohl beide zu egoistisch dafür." Er lächelt ungläubig.
"Du und egoistisch?"
"Johannes, unsere Beziehung ist alles, was ich nie hatte", bringe ich irgendwie noch raus, dann fließen mir schon wieder die Tränen übers Gesicht. "Ich wollte immer jemanden, zu dem ich mit allem kann, ganz egal, was es ist; und wo ich mir keine Sorgen machen muss, ob ich verurteilt werde. Weil ich weiß, dass derjenige ultimativ immer auf meiner Seite ist, und auch immer Platz für meine Probleme schafft, unabhängig davon, was bei ihm selbst so abgeht. Ich wollte nur Liebe, ohne dumme Fragen. Du bist schwerst depressiv, aber wenn ich mich öffne, bist du immer da. Und du stellst nie dumme Fragen. Deswegen liebe ich dich."
"Ich liebe dich auch, Kíßa." Er haucht mir einen Kuss auf die Nasenspitze. "Du weißt aber, dass es problematisch ist, dass du bereit bist, dir von mir den letzten Nerv rauben zu lassen, oder?" Ich muss unwillkürlich lachen.
"Nee, du, ich dachte, das ist vollkommen normal", scherze ich, schniefe und tupfe meine Wangen mit seinem T-Shirt trocken. "Mir ist schon klar, dass ich dich kennengelernt habe, weil ich etwas sehr Wichtiges über mich lernen soll. Ich muss dauernd an das denken, was du auf Mamas Hochzeit zu mir gesagt hast. Dass ich mich nicht so für andere aufopfern kann." Tua küsst mich sanft. Er nimmt meine Hand in seine und drückt sie leicht.
"Versuch dich zu beruhigen. Egal, was bisher so passiert ist, du hast immer einen Weg rausgefunden und du wirst wieder einen finden. Und wenn du mich brauchst, bin ich da."
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Messias
AcakIara war schon mit vierzehn in der Rap-Szene unterwegs, hier mit der einen Band am Start, dort mit der anderen. Irgendwie kommt man nicht mehr raus aus diesem doch sehr speziellen Freundeskreis. Aber warum sollte man das auch wollen? Staffel 4 meine...