Enthüllungen

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POV Raphael:

Während alle seelenruhig schlafen gesellen sich bei mir zu der Übelkeit noch fiese Bauchschmerzen. Ich habe anscheinend wirklich was Falsches gegessen. Ich sehe mich um. Alle liegen tief schlummernd in ihren Betten. Ich rutsche vorsichtig unter Lou heraus. Sie sieht so friedlich und unschuldig aus, wie sie da schläft. Ich ertappe mich dabei sie vielleicht einen Moment zu lange zu beobachten. Dann schnappe ich mir mein Handy und verziehe mich aufs Klo. Ich weiß nicht warum oder wie mir geschieht aber ehe ich mich versehe starte ich einen FaceTime Anruf mit Barbara. Mal sehen ob sie ran geht. Es klingelt drei Mal ehe das Gesicht meiner Schwester erscheint. „Raphael", begrüßt sie mich und winkt in die Kamera. Ich sehe am Hintergrund dass sie wieder zu Hause ist. „Bist du schon entlassen worden?", frage ich anstelle einer Begrüßung. Sie nickt. „Ja. Alles wieder gut. Darius hat mich vor ein paar Stunden abgeholt" Im selben Moment erscheint mein demnächst Schwager im Hintergrund und winkt in die Kamera. „Ah zum Glück", merke ich an. Babsi stutzt. „Bist du am Klo Raf?", fragt sie mich auf einmal. Ich nicke. „Hab Bauchweh", gebe ich zurück. „Was ist passiert?" Als könnte sie meine Gedanken lesen.

Ich seufze und sehe in der Kamera wie sie in einen anderen Raum geht. „Bleibt unter uns", merkt sie an, als sie sich auf ihr Bett setzt. „Ich habe wohl was Falsches gegessen.", gebe ich zurück. Sie verdreht die Augen. „Ach was Raffa. Was ist wirklich passiert?", wiederholt sie ihre Frage und sieht mich streng an. „Ich habe Scheiße gebaut", merke ich leise an. „Du bist wohl gerade dabei", versucht sie mich mit einem schlechten Witz aufzuheitern über den allerdings nur sie wirklich lacht. Als ich nicht in ihr Lachen miteinstimme wird sie ernst. „Was hast du angestellt großer Bruder?" Ich seufze schwer. „Ich habe mit ihr geschlafen Babsi. Ich hatte Sex mit Lou" Ich sehe zu Boden. Als ich wieder auf den Bildschirm blicke sehe ich meine Schwester seufzen während ihre strengen Augen auf mir ruhen. „Raphael... du stellst dich so dumm an", beginnt sie. Ich öffne den Mund um etwas zu sagen, doch schließe ihn wieder als sie die Hand erhebt. „Nein du sagst jetzt mal nichts. Du hörst jetzt mal nur zu. Du sagst du hast Scheiße gebaut. Du sagst es war scheiße von dir, dass du mit Lou geschlafen hast. Warum war es in deinen Augen Scheiße? Ja ich weiß, weil du nicht willst dass sie zu sehr in der Sache drin hängt. Weil du glaubst, du bist nicht fähig sie zu lieben. Und doch tust du es. Du liebst sie Raphael und ich weiß nicht wie oft ich dir das noch sagen muss. Wie oft Abudi dir das noch sagen muss. Wie oft alle um dich herum dir noch die Augen öffnen müssen. Du liebst sie verdammt nochmal! Du denkst es ist ein Fehler gewesen mit ihr zu schlafen? Ich kann dir sagen warum du das wirklich glaubst. Du liebst sie! Deshalb hast du Angst sie zu verletzten. Und nicht nur das. Du hast noch größere Angst davor sie zu verlieren. Du behandelst sie jetzt schon wie ein rohes Ei Raphael. Du schleppst sie überall hin mit. Willst sie am liebsten immer um dich haben. Und weißt du auch warum? Weil du Angst um sie hast. Und du hast deshalb Angst um sie, weil du sie liebst Herr Gott nochmal!"

Meine Schwester ist immer so direkt. Vor allem wenn ich nach dem hundertsten Mal noch immer nicht hören will. Ich lasse ihre Worte auf mich wirken. Denke darüber nach. Könnte sie vielleicht wirklich Recht haben? Hat der Eisblock dort wo einst mein Herz war wirklich zu schmelzen begonnen? Ist dort wirklich wieder Platz für eine Frau? Gerade eben macht es mich unfassbar traurig so weit weg von zu Hause zu sein. Ich wäre jetzt gerne bei Kira. Ich würde gerne auf den Friedhof gehen. Seit Kiras Beerdigung habe ich es kaum geschafft dorthin zu gehen. Zu groß ist der Schmerz. Zu tief sitzen die Schuldgefühle. Und egal was mir alle sagen. Die Schuldgefühle sind da. Immer noch gebe ich mir die Schuld daran was passiert ist. Ich hätte nicht feiern gehen dürfen. Ich hätte nicht darauf bestehen sollen, dass sie mich abholen kommt. Ich hätte mir ein gottverdammtes Taxi rufen sollen. Oder am besten wäre ich gleich daheim geblieben. Bei meiner Freundin. Bei der Liebe meines Lebens. Das wäre richtig gewesen. Das und nichts anderes.

„Raphael?", Babsi reißt mich aus meinen Gedanken. „Ja?", frage ich. Sie sieht mich an. Ihre Augen sind so sanft. Sie wird eine tolle Mutter. Manchmal bemuttert sie ja sogar mich. Wenn sie ihr Kind einmal so ansieht, wird es denken sie hält alles Böse auf dieser Welt von ihm fern. Und das wird sie wohl auch machen. Sie wird eine der besten Mamis auf dieser Welt. Und meine Mutter? Sie wird sicher eine der besten Omis auf dieser Welt. Sie freut sich schon so sehr. Ich freue mich schon so sehr. Und wann immer ich meine Schwester sehe, auf Fotos, in der Realität oder auch nur auf FaceTime. Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, wenn mein Blick auf ihren Babybauch fällt. Da wächst es. Das kleine Würmchen. „Ich wollte nicht so hart sein, aber ich will doch nur dass du glücklich wirst. Dass sich deine Träume erfüllen. Und es tut mir weh zu sehen, wie du wieder und wieder gegen eine Wand läufst weil du deine Gefühle nicht zu lassen willst. Du hast keine Schuld Raphael", sagt sie leise und ich nicke stumm. Mir laufen ein paar Tränchen über die Wange. „Ich hab dich lieb kleine Schwester", sage ich leise. Sie lächelt. „Ich dich auch großer Bruder. Wenn du zurück kommst habe ich eine Überraschung für dich", merkt sie an. „Eine Überraschung?", frage ich perplex. Sie nickt. „Du wirst schon sehen. Ich gehe jetzt ins Bett Fratello. Es ist wird spät hier in Deutschland. Und ich vermute du hast auch noch nicht geschlafen. Leg dich hin. Alles wird gut", sagt sie und ich nicke. „Danke Babsi. Schlaf gut"

Ich hänge meinen Gedanken noch eine Weile nach, immer noch im Bad. Ich bin längst fertig am Klo aber ich sitze hier. Ich kann nicht draußen im Bett liegen als wäre nichts. Neben ihr. Als wäre nichts geschehen. Vielleicht hat Babsi irgendwie ja Recht. Wahrscheinlich hat sie irgendwie Recht. Warum ist es mir so wichtig Lou nicht zu verletzten? Nur weil sie ein guter Mensch ist? Warum? Bei all den Weibern mit denen ich sonst im Bett war, war es mir auch nie wichtig. Ja die meisten waren irgendwelche Schlampen, denen es scheiß egal war. Aber da war sicher auch die eine oder andere dabei, die ein guter Mensch ist. Und dennoch, es war mir egal was sie davon halten. Es war mir egal wie es ihnen nach dem Sex ergangen ist. Gefühle waren nie ein Thema. Ich habe die Gefühle dieser Frauen nie respektiert. Sie haben mich schlichtweg nicht interessiert. Und jetzt? Jetzt sitze ich wie ein kleiner Idiot im Badezimmer eines Hotels in Tokyo obwohl ich seit Stunden schlafen sollte. Alle um mich herum schlafen während ich darüber nachdenke warum ich mit einer wunderschönen Frau geschlafen habe, die noch dazu so lieb zu mir ist und all meine Up and Downs mit mir durchsteht in letzter Zeit. Und ich weiß ich bin nicht immer gut und nett zu ihr gewesen. „Ach Kira... was soll ich nur tun?", frage ich flüsternd als ich gen Himmel blicke. Also genau genommen an die Decke des Raumes. Ein Zeichen. Ein Zeichen von ihr, dass es Okay ist. Das würde mir vielleicht helfen. Ich weiß, sie hat es mir gesagt. An dem Tag. Im Krankenhaus. Tränen kullern bei der Erinnerung an diesen Tag unaufhörlich über meine Wangen.

Was sie an diesem Abend gesagt hat... es zählt nicht. Sie war verwirrt. Sie wusste sie würde sterben. Sie wusste es sind ihre letzten Minuten hier bei mir. Bei ihren Eltern. Sie war so jung. So jung. Viel zu jung. Und sie wusste, es gibt keinen morgigen Tag für sie. Deshalb hat sie das gesagt. Sie wollte dass ich mich besser fühle. So wie sie es immer wollte. Ihre Welt hat sich um mich gedreht und ich habe ihr das angetan. Unverzeihlich. Sie wollte immer mein Bestes. „Ach Liebling, wenn ich bloß wüsste, dass du immer noch so denkst", flüstere ich wieder nach oben. Tränen kullern nun unaufhörlich über meine Wangen. Ich sitze nicht mehr auf dem Klo. Ich bin auf den Boden gerutscht. Lehne an der kühlen Fliesenwand. Ich trage kein Shirt. War ja eigentlich schon im Bett. Ich spüre die Kälte gegen meinen Rücken drücken. Ich spüre aber auch die heißen Tränen auf meine Brust tropfen.

Die Türklinke bewegt sich. Verdammt. Ich habe vergessen ab zu schließen. Ich erwarte gleich Lou zu sehen. Wie sie auf mich zukommt. Mich in den Arm nimmt. Weil ich heule. Wie ein Baby. Schon wieder. Doch ich täusche mich. Abudi kommt in den Raum. Er schließt die Tür hinter sich ab. „So du hast also mit ihr geschlafen..."

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So ihr lieben. Da ist das neue Kapitel. Was sagt ihr zu Babsis Worten? Und was glaubt ihr womit sie ihn überraschen will?

Außerdem was denkt ihr über Abudi? Er hat wohl anscheinend das Gespräch von Raf und Barbara gehört. Was wird er wohl zu Raf sagen? 

Raf Camora FF//  LouisianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt