Blut

1.2K 35 13
                                    


POV Louisiana: 

Ich bin tatsächlich schon fast eine Woche bei Raphael. Er hat mir über seinen Beruf erzählt. Er hat mir auch einige seiner Lieder vorgespielt. Musste ihm dann sagen, dass ich ihn wirklich nicht kannte. Ich höre eher klassische Musik. Daraufhin hat er mir versprochen mir etwas zu zeigen wenn es ihm wieder besser geht. Zum Glück geht es ihm mittlerweile besser. Er hat nur noch leicht erhöhte Temperatur. Und die Suppe und den Zwieback von gestern Abend hat er zum Glück auch bei sich behalten. Er hat aber sicher das ein oder andere Kilo verloren wegen seiner Magen-Darm-Probleme. Mittlerweile hat er neben erhöhter Temperatur zum Glück nur noch leichte Bauchschmerzen. Heute werde ich ihm zum ersten Mal seit langem was Vernünftiges zu Essen geben. In Der Hoffnung auch das bleibt drin. Ich stehe gerade in der Küche.

„Komm mit", ertönt plötzlich eine flüsternde Stimme hinter mir und jagt mir einen angenehmen Schauer über den Rücken. Raphael. Ich folge ihm leise ins Wohnzimmer. Dort steht ein Klavier. Das ist mir die Tage schon öfter untergekommen und immer wieder habe ich mich gefragt, ob er Klavierspielen kann. Er setzt sich auf den Hocker. Er ballt seine linke Hand zur Faust und streckt die Finger wieder aus, als würde er sie auflockern wollen. Dabei fällt mir auf, dass seine linke Hand zittert. „Alles gut?", frage ich und berühre ihn vorsichtig an der Schulter. „Bestens", knurrt er und versteift sich als ich ihn berühre. Ich werde einfach nicht schlau aus diesem Mann. Die ganze Woche bis jetzt hat er sich an mich gekuschelt und es unfassbar genossen wenn ich ihm das schmerzende Bäuchlein massiert habe und jetzt zuckt er schon zusammen wenn ich ihn nur leicht an der Schulter berühre? Außerdem ist er schon wieder so bissig. Die letzte Woche war er eigentlich ausnahmslos lieb zu mir. Er hat nicht einmal seine Stimmungsschwankungen raus gelassen. Nur ein klein wenig, als ich ihn nach seinem Termin beim Arzt gefragt habe wie es war. Aber ansonsten war es echt harmonisch mit uns. Und heute ist er anscheinend wieder mit dem falschen Fuß aufgestanden.

Er platziert seine tätowierten Hände auf dem Klavier und beginnt zu spielen. Klassik. Beethoven. Er spielt einen Ausschnitt aus Beethovens 9 Symphonie. Seine Finger wandern in einer unheimlichen Schnelligkeit und Perfektion über die Tasten. Fast ehrfürchtig beobachte ich ihn dabei. Sein Blick ist vollends konzentriert. Da wird es mir wieder bewusst. Auch wenn er Rapper ist, er ist Musiker. Musik ist seine Berufung. Er ist konzentriert wenn er arbeitet. Weiter fliegen seine Finger über die Tasten, schneller. Er sieht anmutig aus. So am Klavier. Das Gegenteil eigentlich zu dem, was er zu sein vorgibt. Ein Rapper. Ein kalter unnahbarer Mensch. Ein gebrochener Mensch.

Abrupt hört er auf zu spielen und dreht sich zu mir um. „Ich wusste gar nicht, dass du so gut Klavier spielen kannst", sage ich leise. Er mustert mich von oben bis unten. Ich glaube zum ersten Mal seit einer Woche sieht er mich als Frau an. Nicht als seine persönliche Pflegerin. Ich trage wieder ein viel zu weites Shirt. Sein Blick brennt sich fast in meine Haut. Intensiv. Er sieht mich beinahe animalisch an. Da wird es mir bewusst. Er liegt seit einer Woche jede Nacht neben mir und er hat mich nicht einmal angebaggert. Er ist ein Mann. Er braucht auch seine Befriedigung. Ich verschränke meine Arme vor der Brust, als würde ich meinen Körper vor seinem Blick schützen können. „Ich spiele Klavier seit ich 10 bin", gibt er zurück. „Meine Schwester spielt Geige. Habe ich auch mal, aber das ist lange her" Dann unterbricht er den Blickkontakt. Endlich.

Er erhebt sich vom dem Hocker und geht dicht an mir vorbei. So dicht, dass ich sein Duschgel riechen kann. Er hat heute früh am Morgen geduscht, meinte er fühlt sich schon so dreckig. Nachdem er die Woche kaum geduscht hat. Ihm ging es meist viel zu schlecht dafür. Ich folge ihm in die Küche. „Ich koche uns was. Ist lecker, aber noch sanft zum Magen", sage ich zu ihm und er nickt nur. Schweigend nimmt er auf einem Hocker am Tresen Platz und beobachtet mich wie ich auf seiner Kücheninsel, das Essen zubereitete. Diesmal fühlt sich sein Blick weniger animalisch an. Er ist kalt und leer. Als würde er durch mich hin durchsehen. „Alles gut?", frage ich ihn. „Wie oft willst du mich das am Tag fragen? Ich habe heute weder gekotzt noch musste ich gefühlte 100-mal scheißen also ja mir geht's gut!", gibt er energisch zurück und verdreht die Augen. Ich glaube er weiß genauso gut wie ich, dass es nicht so gemeint war. Ich habe eher auf seinen Gemütszustand angespielt als auf seine Magen-Darm Grippe.

Raf Camora FF//  LouisianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt