Adrenalin

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POV Raphael:

Ich halte inne und lausche nochmal ganz genau. „Ich kann es nicht fassen! Du bist wahnsinnig! Bei dem Unfall wurden eine schwangere Frau und ihr Verlobter verletzt! Du kannst von Glück reden dass niemand gestorben ist! Bist du völlig verrückt geworden? Nicht auszudenken was auch dir hätte passieren können! Man fährt nicht betrunken Herr Gott nochmal", schreit die Frau einen ziemlich verdutzt aussehenden Mann an. Ihm hängt eine Infusionsnadel im Arm und er hat ein paar Kratzer. Ich reagiere bevor ich darüber nachdenken kann. Wie mechanisch stürme ich auf das Pärchen zu. Nur am Rande bekomme ich mit, dass Lou mir folgt. „Waren Sie das?", frage ich den Mann. Ich bin so verdammt nah an seinem Gesicht. Die Frau ist zurück gewichen als ich auf sie losgestürmt bin. „War ich was?", fragt er unschuldig. „Waren Sie das Schwein, das betrunken gefahren ist und deshalb meine Schwester und meinen künftigen Schwager verletzt hat? Weil Sie sich nicht beherrschen konnten? Was geht in so einem Menschen vor?" Ich spüre den Blick von mehreren Personen in unserem Umgebung auf uns ruhen. „Schwarzer Audi?", fragt er. Ich überlege. Sie sind mit Darius Auto gefahren. Also ja. Er fährt einen schwarzen Audi. „Ja", entfährt es mir. Ich bin noch näher an ihm, ganz dicht, meine zur Faust geballte Hand habe ich auf seiner Augenhöhe. „Und Ihnen ist natürlich nichts passiert!" Ich bin so verdammt wütend ich kann mich kaum beherrschen. „Raf! Das ist er nicht wert. Reiß dich zusammen", höre ich Lous Stimme an mein Ohr dringen. „Sie mieses Schwein können von Glück reden, dass beide und das ungeborene Kind den Unfall überstanden haben, ansonsten würde ich Sie so verdammt fertig machen, dass Sie niemand jemals wieder finden würde!"

Er sieht mich an. Ich spüre die Angst in seinem Blick doch seine Worte passen überhaupt nicht dazu. „Sie wissen schon, dass ich Sie wegen gefährlicher Drohung anzeigen kann?", fragt er eiskalt. Meine Wut steigt ins unermessliche. „Wissen Sie was? Ich schlage Ihnen auf die Fresse dann haben Sie wenigstens einen Grund dazu!", brülle ich ihn an und hole aus, doch Lou nimmt meine ausgetreckte Faust und hält mich auf. „RAPHAEL! Reiß dich gefälligst zusammen! Er ist es nicht wert! Er ist weder deinen Ärger, noch eine Anzeige und schon gar nicht die Schlagzeile danach wert!" Mein ganzer Körper bebt vor Wut, doch ich weiß sie hat Recht. Alleine die Schlagzeile danach wäre es schon nicht wert. Vor einer Anzeige habe ich keine Angst. Aber in allen Medien zu lesen Raf Camora schlägt einen Mann in einer Notaufnahme? Darauf kann ich gerne verzichten. Noch dazu wo diese Aasgeier mit Sicherheit nicht die ganze Geschichte erzählen würden.

Ich lasse meine Faust sinken und sehe ihn an. „Ich wünsche Ihnen, dass eines Tages Sie der unschuldige Unfallgegner sind, wenn ein Betrunkener Sie frontal rammt", brumme ich ehe ich mich umdrehe und weg gehe. Lou folgt mir. Als wir das Krankenhaus verlassen haben bleibt sie stehen und zieht mich am Arm zurück. Ich drehe mich zu ihr um. „Raf was war das gerade?", fragt sie mich. „Was das war? Dieser kleine Pisser hat nicht einen Kratzer während meine Schwester und Darius im Krankenhaus liegen!", meine Stimme ist immer noch lauter als beabsichtigt aber dennoch schon deutlich ruhiger als gerade eben. Sie seufzt und streicht sich eine Strähne hinters Ohr. „Ja ich weiß Raf. Das ist absolut unfair." Sie macht eine Pause und ich weiß instinktiv, dass das was sie mir danach sagt mir nicht gefallen wird. „Aber du musst dich zusammen reißen! Du kannst ihm nicht damit drohen ihn umzubringen mitten in einer Notaufnahme", sagt sie. Ich brumme. „Ich habe nie gesagt dass ich ihn umbringen würde", gebe ich kühl zurück. Sie seufzt. „Egal. Du kannst ihm nicht einfach in einer Notaufnahme drohen", verbessert sie sich. Ich seufze. Ich weiß, dass sie Recht hat auch wenn es mir nicht gefällt. „Zügle deine Emotionen ein bisschen.", fügt sie noch hinzu. Ich werde dazu nichts sagen. Ich habe dazu nichts zu sagen. Ich drehe mich einfach um und gehe weiter.

Sie läuft mir nach. Wir sagen nichts. Wir sagen nichts bis wir ins Auto steigen. Diesmal fahre ich. Sie nimmt auf dem Beifahrersitz Platz. Ich spüre ihren Blick auf mir. „Aber... irgendwie fand ich es süß wie du dich für deine Familie einsetzt", sagt sie plötzlich. Ich wende meinen Blick ihr zu. „So?", frage ich und grinse schelmisch. Meine Stimmung ist innerhalb von Sekunden gekippt. Dank ihr. „Ja und auch irgendwie sexy wenn du den starken Mann markierst", fügt sie hinzu. Mein Grinsen wird breiter. „Findest du?", frage ich und meine Hand wandert an ihren Oberschenkel. Ich spüre ihre Gänsehaut durch die Jogginghose. „Ja finde ich", japst sie leise. Ich grinse selbstgefällig und streiche weiter über ihren Schenkel. „Tja ich habe viele Facetten", flüstere ich kaum hörbar. Im Auto knistert es gewaltig. Die Luft ist wie aufgeladen. Ich will sie. Und sie will mich. Ich weiß es. Als ich den Wagen in die Tiefgarage parke verriegle ich ihn von innen. Ich beuge mich zu ihr, drücke meine Lippen auf ihre. Sie erwidert den Kuss. Unsere Zungen umspielen einander. Bis....

Bis sie sich zurück lehnt. „Stopp. Wir sollten das nicht tun. Nicht bevor wir nicht das Gespräch geführt haben", sagt sie leise aber bestimmt. Ich weiß, dass sie mich genauso will wie ich sie. Außerdem bebt mein Körper vom Adrenalin. Ich seufze. „Bist du dir sicher?", frage ich. Sie nickt leise. Verdammt! Ich entriegle den Wagen also wieder und steige ohne ein weiteres Wort aus.

POV Louisiana:

Ich wollte mit ihm schlafen. Hier im Auto. Gerade eben. Er ist furchtbar sexy wenn er so vor Adrenalin strotzt und seine Familie verteidigt. Auch wenn er es mit seiner Drohung vielleicht ein bisschen übertrieben hat. Andererseits, er hatte nicht Unrecht. Egal. Ich muss mich zusammen reißen. Ich darf und soll das nicht tun. Wir müssen erst reden. Müssen uns über unsere Gefühle klar werden. Dann können wir vielleicht wieder miteinander schlafen. Ich weiß, dass er enttäuscht ist. Er spricht kein Wort. Weder in der Tiefgarage noch im Aufzug. Wortlos schließt er seine Wohnung auf und wir betreten sie. Er schlüpft aus seinen Schuhen und zieht seine Jogginghose aus. Er trägt nicht viel. Boxershorts, Jogginghose und ein T-Shirt. Wir wollten ja eigentlich gerade ins Bett gehen als der Anruf kam. Mittlerweile haben wir halb fünf Uhr morgens. Ich bin kaputt. Geschafft und erledigt. Und er ist es auch. Auch wenn er es nicht sagt. Ich sehe es ihm an. Seine Augenringe werden immer dunkler, er gähnt mehrfach hinter vorgehaltener Hand. „Wir sollten ins Bett gehen. Später reden wir dann", sage ich. Er erwidert nichts. Er schleicht bloß ins Bad. „Alles okay?", frage ich ihn. „Herr Gott ich muss seit 4 Stunden Scheißen! Darf ich bitte einfach aufs Klo gehen ohne dass du eine Krise kriegst?", fragt er und verdreht genervt die Augen. Dann schließt er die Tür ab.

So war er schon lange nicht mehr zu mir. Ich frage mich, ob er enttäuscht ist weil ich nicht mit ihm geschlafen habe, oder ob er so schlecht drauf ist weil er müde ist? Vielleicht auch weil er schon solange zur Toilette muss. Ich habe keine Ahnung. Ich hoffe nur, er beruhigt sich wieder. Ich bin kein Spielzeug. Ich verstehe wenn er mit mir Schlafen will. Aber er muss auch verstehen, wenn ich nicht mit ihm schlafen will. Zumindest nicht jetzt. Ihm muss doch klar sein, dass wir unsere Probleme nicht mit Sex lösen können. Und er sollte doch verstehen können, dass ich zuerst über alles reden will. Ich lege mich in sein Bett und starre an die Decke bis ich die Spülung höre und die Badezimmertür aufgeht. Ein paar Sekunden später senkt sich die Matratze neben mir und er lässt sich ins Kissen sinken. „Raf?", frage ich. „Was?", gibt er zurück. „Du verstehst schon warum ich ‚Nein' gesagt habe oder? Ich bin kein Sexspielzeug. Wir müssen darüber reden. Ich habe keinen belanglosen Sex mit dir. Da sind immer Gefühle meinerseits im Spiel.", sage ich leise. Er schweigt. Dann räuspert er sich. „Denkst du echt so von mir? Denkst du nach allem was wir speziell in den letzten 48 Stunden durchgemacht haben, halte ich dich für ein Sexspielzeug?", fragt er empört. Ich seufze. „Nein. Nein natürlich nicht. Aber du warst auf einmal so... so komisch nachdem ich nein gesagt habe", stottere ich. Er seufzt. „Ich bin müde. Ich bin unfassbar müde und erschöpft. Der Tag war hart. Die Nacht auch. Ich brauche einfach dringend Schlaf. Ich habe erst bemerkt wie viel Müdigkeit in meinen Knochen steckt, als du mich ausgebremst hast. Also nein. Ich halte dich nicht für ein Spielzeug ich brauche einfach nur Schlaf.", sagt er leise. Ich seufze. Ich bin so ein Idiot. „Oh Gott. Es tut mir Leid! Es tut mir so..." Er legt mir einen Finger auf die Lippe. „SHhht. Nicht entschuldigen. Ist schon gut. Lass uns schlafen. Und später reden wir darüber", flüstert er und breitet seine Arme aus. Ich kuschle mich an seine Brust und schlafe sofort ein. 

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Na ihr lieben? Was haltet ihr von Rafs Gefühlsausbruch im Krankenhaus? Könnt ihr ihn verstehen? Und was meint ihr dazu wie er sich Lou gegenüber verhält? Ist er wirklich nur erschöpft oder ist da mehr dahinter? 

Raf Camora FF//  LouisianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt