POV Raphael:
Mein Herz rast wie verrückt als wir im Wagen sitzen. Lou hat beschlossen sie fährt. Ich bin ihr unendlich dankbar. Ohne dass ich ein Wort gesagt habe, hat sie sich sofort angeboten. Sie war für mich da. Sofort. Sie ist immer noch für mich da. Immer wieder wirft sie mir verstohlene Blicke zu. Sie macht sich Sorgen. Ich kann sie verstehen. Ich bin krank vor Sorge. Ich habe seit dem Telefonat mit Darius nichts mehr von ihnen gehört. Ich wollte meine Mutter anrufen, aber ich will sie nicht aufregen. Ich warte bis ich mehr über den Unfall weiß. Und vor allem bis ich weiß wie es meiner Schwester geht. Wir biegen in den Parkplatz ein. Als ich aus dem Auto steige verheddere ich mich beinahe im Gurt und stolpere mehr raus, als das ich aussteige. Zum Glück kann ich es mit ein wenig Verrenkung verhindern, dass ich mich wie einen Idioten auf die Fresse packe. Lou wirft mir erneut einen besorgten Blick zu, den ich aber gekonnt ignoriere. Wir hasten den Gang entlang in die Notaufnahme.
Es ist ziemlich viel los. Helles Licht trifft auf meine Pupillen und ich kneife die Augen zusammen. Überall sind Menschen. Weinende Menschen, verletzte Menschen, verzweifelte Menschen. Ich sehe mich um aber ich kann werde Darius noch Barbara erblicken. Auf dem Dach landet gerade ein Hubschrauber ich kann ihn hören und schon sende ich ein stilles Gebet gen Himmel, dass der nicht meine Schwester herbringt. Ein Krankenwagen kommt auch gerade an. Hektisch springen Sanitäter aus dem Wagen. Mein Blick geht zur Patientin die sie rausbringen. Nicht Barbara. Lou holt mich in die Realität zurück in dem sie mich sanft am Arm berührt und zur Aufnahme lotst. „Was kann ich für Sie tun?" Die Dame an der Aufnahme sieht abgekämpft aus. Sie scheint eine harte Schicht zu haben. „Mein Schwager und meine Schwester hatten einen Autounfall. Sie wurden wohl hier eingeliefert.", stottere ich. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Alles in meinem Kopf dreht sich gerade nur um meine kleine Schwester. „Sie ist schwanger...", murmle ich leise. Die Dame an der Aufnahme schenkt mir ein sanftes Lächeln. Sie scheint eine Engelsgeduld zu haben. „Hier wurden heute 7 schwangere Frauen eingeliefert, drei davon nach einem Sturz im Haus, 4 nach Autounfällen. Davon waren 2 im ersten Trimester, 2 im zweiten Trimester und 3 im dritten Trimester. Sie müssten mir schon ihren Namen sagen" Ich habe keinen Plan was genau sie meint aber ich nicke. „Ragucci", murmle ich.
Ich spüre wieder Lous Hand auf mir. Sie legt sie auf meine Schulter. Drückt sie leicht. Ihre Berührung spendet so viel Nähe und Wärme. So viel Trost. „Ah ja ich sehe schon. Sie sind vor 10 Minuten angekommen. Werden beide untersucht. Sie können da drüben Platz nehmen ich sage Ihnen Bescheid wenn ich etwas weiß", lässt mich die nette Dame wissen und deutet auf freie Plätze. Wir setzten uns dort hin und nun finde ich mich wieder unter einem Haufen Angehörigen. Angehörigen die auf Nachricht warten. Angehörigen die Angst haben. Angehörige die verzweifelt sind. Ein paar weinen. Ein paar sind ganz blass um die Nase. Da sitzt ein Junge. Ich schätze er ist gerade ein Teenie. Auf seinem Schoß sitzt ein kleines Mädchen. Wohl in etwa halb so alt wie er. Er drückt sie an seine Brust und flüstert ihr immer wieder beruhigende Dinge zu. Er trägt einen Verband um seine Hand. Sie hat ein kleines Pflaster an ihrem Knie. Die beiden erinnern mich an uns. An mich und meine kleine Schwester. Wie oft habe ich Babsi getröstet wenn sie sich wehgetan hat? Wie oft habe ich sie auf meinem Schoß in den Schlaf gewiegt? Wie oft habe ich ihre Tränen getrocknet wenn irgendwas nach hinten losgegangen ist? Oft. Ständig. Meine kleine Schwester ist meine Welt. Ich liebe sie so sehr, dass es mir sehr schwer viel sie an meinen künftigen Schwager abzugeben. Aber sie ist mittlerweile erwachsen und das musste ich akzeptieren lernen. Jetzt braucht sie nicht meine Schulter zum Ausweinen sondern seine, nicht ich klebe ihr Pflaster an die wunden Stellen, sondern er. Okay das macht sie wahrscheinlich selbst. Sie ist immerhin Krankenschwester. Egal. Jedenfalls bin es nicht mehr ich den sie braucht sondern er.
Sie braucht mich nicht mehr. Die Erkenntnis trifft mich gerade wieder wie ein Schlag in die Magengegend. Sie braucht es nicht, dass ich hier sitze und auf sie warte. Sie hat Darius. Darius, der auch hier irgendwo ist. Der auch untersucht wird. Und der vermutlich später an ihrem Bett wachen wird. Sie braucht mich nicht mehr. Sie ist erwachsen und hat ihr eigenes Leben. Ein Leben in dem ich zwar Platz habe, aber nicht mehr eine so große Rolle spiele wie früher. Lou nimmt meine Hand in ihre und drückt sie leicht. Lou. Lou braucht mich. Oder brauche ich sie? Lou könnte meine Schulter zum Ausweinen brauchen, Lou könnte es brauchen, dass ich ihr ein Pflaster auf wunde Stellen klebe. Lou könnte mich brauchen. Und ich auch sie. Mir wird gerade etwas klar. In diesem Augenblick wird mir etwas klar. Nämlich dass Lou mein neuer Mittelpunkt sein soll. Lou diejenige ist die ich jetzt brauche. Und ich derjenige bin, den sie jetzt braucht. Lou. Ich erwidere den sanften Druck ihrer Hand und schenke ihr ein vorsichtiges Lächeln. Mir ist nicht nach Lächeln zu Mute. Im Gegenteil. Ich würde am liebsten los heulen. Aber für sie kann ich eine Ausnahme machen.
Ein Mann kommt auf die beiden Kinder die ich beobachtet habe zu. Sie freuen sich. Er ist wohl ihr Vater. Er trägt einen Gips am Arm. Wohl ein Unfall. Er setzt sich zu ihnen. Vielleicht warten sie noch auf ihre Mama. Alle hier warten irgendwie. Und irgendwie warten auch alle hier auf dasselbe. Auf gute Nachrichten über ihre Angehörigen. „Rapha!" Darius Stimme dringt an mein Ohr und ich blicke auf. Er wird in einem Bett den Gang entlang geschoben. Der Pfleger der mit ihm unterwegs ist hält kurz inne, als ich auf ihn zukomme. „Hast du schon was von Barbara gehört? Sie wollen mir nichts sagen. Der eine sagt er weiß nichts, der andere sagt Auskunft nur an Familie. Ich gehöre zu ihrer Familie.", seufzt er und lässt sich fertig ins Kissen sinken. Ich blicke ihn an. „Gibt wohl noch nichts Neues. Mir hat jedenfalls noch niemand etwas gesagt. Wie geht es dir?", frage ich. Er zuckt die Schultern. „Leichte Gehirnerschütterung und der linke Unterarm ist gebrochen. Aber das sind Kleinigkeiten. Ich werde auf mein Zimmer gebracht. Beobachtung für zwei Tage", merkt er an. Ich nicke und gucke den Pfleger an. „Dieser junge Herr hier bekommt ein Zweibettzimmer, mit meiner Schwester, seiner Verlobten, zu deren Familie er übrigens gehört", merke ich an. Der Pfleger guckt mich an. „Prüfen Sie nach Ragucci. Privatversichert", füge ich hinzu.
Der Pfleger nickt. „Ich bespreche dass mit der stationären Aufnahme", merkt er an. Ich bleibe bei Darius, den er nun mitsamt dem Bett an die Wand geschoben hat, damit er nicht im Weg ist. „Wie geht's dir?", wiederhole ich meine Frage. Und diesmal meine ich nicht seine Diagnose. „Ehrlich? Ich fühle mich furchtbar. Die Sorge um Babsi und unser Kind bringt mich fast um. Und diese Schuldgefühle.", stammelt er. „War es denn deine Schuld?", frage ich. Er zuckt die Schultern. „Ich glaube nicht nein. Der Unfallgegner war viel zu schnell und alkoholisiert. Also das hat mir der Polizist vorhin mitgeteilt." „Dann ist es nicht deine Schuld Darius.", sage ich sanft. „Aber wäre ich nicht mit ihr mit dem Auto gefahren wäre nichts passiert." „Nein stopp. Das kannst du so nicht sagen." Und wieder wird mir etwas klar. In dem Moment durchfährt mich ein Schauder. Mir wird etwas klar. 5 Jahre lang habe ich mich in Selbsthass zerfressen. Ich habe mir selbst die Schuld gegeben obwohl alle um mich herum sagten ich trage keine Schuld. Und jetzt? Jetzt sage ich das ganz gleiche zu meinem völlig verzweifelten zukünftigen Schwager. Er seufzt. „Ich hoffe einfach nur, dass es den beiden gut geht" Ich komme nicht dazu zu antworten, denn der Pfleger kommt wieder. „Ist alles geklärt. Zweibettzimmer. Über ihre Verlobte hab ich mich auch erkundigt. Sie wird noch untersucht. Ich habe aber eine kleine Information für Sie. Dem ungeborenen Kind geht es gut" Darius sieht erleichtert aus. Das bin ich auch. Zumindest für einen kleinen Moment. Bis mir schmerzlich bewusst wird, nur weil es dem Kind gut geht, heißt das nicht, dass es Babsi gut geht. Die Sorge um meine kleine Schwester trifft mich also erneut mit voller Wucht. Ich bekomme nur am Rande mit wie der Pfleger mir die Zimmernummer sagt. Wie mechanisch sage ich Darius ich käme später wieder zu ihm. Alles läuft wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Lou schiebt mich zurück zum Wartebereich. Wir setzen uns wieder hin. Irgendwann trinke ich was. Lou hat mir wohl was gebracht. Das Wasser ist kalt. Mein Magen knurrt obwohl ich keinen Appetit habe. Lou holt mir einen Müsliriegel. Ich esse ihn. Obwohl ich das nicht will. Alles fühlt sich dumpf und eigenartig an. Als wäre ich gefangen in meinem Körper. Bis... eine Schwester räuspert sich vor mir. „Sind Sie Raphael Ragucci? Es geht um Ihre Schwester"
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So ihr lieben! Ihr wisst schon mal, dass Darius den Unfall halbwegs gut überstanden hat. Und auch dem Baby geht es wohl gut. Aber wie sieht es mit Babsi aus? Raf erlebt außerdem in diesem Kapitel einige einschneidende Erkenntnisse. Was sagt ihr dazu?
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Raf Camora FF// Louisiana
FanficAuszug: "Und dann kommt da dieser perfekte, schwarze Ferrari um die Ecke. Ich bin für eine Sekunde unfassbar froh, dass wir vor einer Hauseinfahrt stehen und das Auto daher nicht allzu schnell unterwegs war, als Marius mich geschubst hat. Ich lande...