"Küss mich"

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POV Louisiana:

Als ich gegen Mittag wieder aufwache, schläft Raphael noch zufrieden neben mir. Seine Haare sehen niedlich zerzaust aus, seinen Kopf hat er ins Kissen gedrückt, Mund leicht geöffnet, Augen fest geschlossen. Er atmet tief und gleichmäßig, scheint also noch ziemlich fest zu schlafen. Ich erhebe mich möglichst lautlos aus dem Bett um ihn nicht zu wecken. Erst gehe ich ins Bad. Ich spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht und benutze die Toilette. Dann gehe ich in die Küche um zu kochen. Da wir bereits Mittag haben, werden wir das Frühstück wohl auslassen und ich koche gleich ein Mittagessen für uns. Später wird Raf sicher nochmal ins Krankenhaus zu seiner Schwester fahren wollen. Und wenn ich mich recht erinnere meinte er, wenn die beiden entlassen werden nimmt er sie erstmal mit her.

Damit habe ich kein Problem. Im Gegenteil. Seine Schwester und sein künftiger Schwager sind mir schon richtig ans Herz gewachsen. Ich schüttle den Gedanken ab. Heute gibt es erstmal ein klärendes Gespräch. Wer weiß ob ich danach überhaupt noch hier bin. Ich atme tief durch, als mein Blick auf den Kalender fällt. Heute haben wir den 23. Juli. Ich erstarre. Der 23. Juli. Heute ist schon der 23. Juli. Verdammt. Das kann nicht sein. Das muss ein Fehler sein. Schnell nehme ich mein Handy zur Hand, entsperre es und öffne meine App. Verdammt. Es ist nicht falsch. Es ist so. Heute ist der 23. Juli und ich hätte bereits vor einer Woche meine Periode bekommen sollen. Ich bin normal nie überfällig. Ich kenne das gar nicht. Ich lehne mich seufzend gegen die Anrichte. Nur keine Panik bekommen. Nur keine Panik. Vielleicht liegt es an dem Stress den wir die letzten Tage hatten. Vielleicht muss ich mich erst an die neue Situation gewöhnen und mein Körper auch. Ja das wird es sein. Ich atme noch einmal tief durch, sperre mein Handy schließlich wieder und greife nach einem Topf. Ich muss mich beruhigen. Werde ich ruhig wird meine Periode schon kommen. Ich muss ruhig bleiben. Jetzt bloß nicht in Panik verfallen. Und auf keinen Fall Raf davon erzählen.

Der würde mit Sicherheit durchdrehen. Ich meine ich kann nicht von heute auf morgen quasi bei ihm einziehen und ihm dann beiläufig beim Frühstück sagen: „Hey ach übrigens meine Periode ist überfällig" Nein ich muss diesen Gedanken endlich verdrängen. Das hat mit Sicherheit nichts zu bedeuten. Ich stecke meine Nase zur Ablenkung also in den Kühlschrank. Mal sehen was so hier ist. Ich bemerke beim Kochen gar nicht wie die Zeit vergeht. Ich werfe erst wieder einen Blick auf die Uhr, als ich Schritte höre. Es ist mittlerweile fast 14 Uhr. Raf ist gerade aufgestanden ich höre ihn ins Bad tapsen. Dann höre ich wie er die Tür abschließt. Wenn er gleich in die Küche kommt gibt es Essen. Und dann hoffentlich das klärende Gespräch. Das Gespräch auf das ich schon solange warte. Ich hoffe nur wir ziehen es heute endlich durch. Ich habe ihm Zeit gelassen. Ich will ihm Zeit lassen. Aber ich kann irgendwann auch nicht mehr. Ich brauche Klarheit. Sogar mein Körper schreit schon nach Klarheit. Ich seufze und decke den Tisch. Das Essen ist gleich fertig und Raf im Bad hoffentlich auch.

Es vergehen fast 20 Minuten bis ich eine Spülung höre und er dann aus dem Bad geschlurft kommt. Er sieht verschlafen noch schärfer aus als sonst. Seine Haare stehen noch in alle Richtungen, er trägt nur Boxershorts und ein Shirt, dass er sich wohl übergezogen hat. Er gähnt und streckt sich. „Guten Morgen", sagt er dann und ein Lächeln erscheint auf seinen Lippen. Okay. Er scheint gute Laune zu haben. Gute Laune ist gut. Gute Laune ist eine wichtige Basis für das unheimlich wichtige Gespräch. Meine Knie schlottern und als ich die Pfanne zum Tisch bringe, bemerke ich dass auch meine Hände zittern. „Guten Morgen. Ich habe Essen gemacht", erkläre ich lächelnd. Er nickt dankbar und lässt sich auf den Stuhl sinken. „Der herrliche Duft in meiner Nase hat mich geweckt", erklärt er grinsend. Ich lächle. „Ich hoffe es schmeckt" „Ich habe einen Bärenhunger. Es ist bestimmt köstlich", erklärt er mir und steckt sich die erste Gabel voll in den Mund. Ich beobachte sein Profil. Er isst schweigend und genüsslich vor sich hin. Als er sich die letzte Gabel voll in den Mund geschoben hat, putzt er sich den Mund ab und nippt an seinem Wasser. Als er das Wasserglas absetzt sagt er, ohne mich anzusehen: „Zieh bei mir ein" Beinahe würde ich mich an meinem Wasser verschlucken, doch ich schaffe es gerade noch so zu schlucken bevor ich ihn entgeistert ansehe. „Wie bitte?", frage ich. So habe ich mir ein klärendes Gespräch nicht vorgestellt. Er kann nicht einfach sagen ich soll bei ihm einziehen. Ohne irgendwas über Gefühle gesagt zu haben.

Er seufzt, steht auf und räumt sein Geschirr weg. „Lou... ich...", er ringt um Worte, was es mir nicht gerade einfacher macht in dieser Situation durchzublicken. „Ich weiß nicht. Ich weiß weder was ich sagen soll, noch wie ich es sagen soll", gibt er zu. „Gut wäre es vielleicht wenn du mit deinen Gefühlen anfangen würdest", gebe ich ein bisschen bissig zurück. Ich will nicht böse sein. Ich habe gar keinen Grund dazu. Aber es macht mich schon ein bisschen fertig. Ich warte schon lange auf dieses Gespräch und dann sagt er einfach nur ich soll bei ihm einziehen? Ich sehe ihn nicken. Immer noch sieht er mich nicht an. Mittlerweile sieht er auf seine verknoteten Hände. „Ja da hast du Recht. Da haben wir schon das erste Problem", seufzt er. Ich stimme in sein Seufzen mit ein. „Wenn du nur eine beste Freundin, eine Mitbewohnerin suchst, dann sag mir das doch direkt ins Gesicht. Dann werde ich darüber nachdenken, oder auch nicht. Aber das ständige Hin und Her geht nicht mehr Raphael. Es geht für mich nicht mehr. Ich weiß ich habe dir gesagt ich mache keinen Druck, aber irgendwann sind auch meine Grenzen erreicht", entfährt es mir. Ich wollte ihn nicht so energisch an machen. Ich weiß nicht was mit mir los ist. Meine Gefühle fahren gerade Achterbahn.

Er sieht hoch und sieht mich zum ersten Mal seit seiner Aussage an. In seinen Augen spiegelt sich Überraschung wieder. „Halt warte Stopp! Du denkst ich will dich als beste Freundin?" Seine Stimme klingt absolut nicht abfällig. Vor ein paar Wochen beziehungsweise Monaten wäre das mit Sicherheit noch ganz anders gewesen. Er hätte mich ausgelacht. Er hätte sich über meine Aussage lustig gemacht. Doch davon tut er jetzt nichts. Er sieht mich einfach nur mit einer Mischung aus Überraschung und Verwirrung an. Ich nicke stumm. Er schüttelt den Kopf. „Nein Lou. So ist es ganz und gar nicht. Ich bin... Ich sage jetzt einfach gerade heraus was ich mir denke okay? Denn sonst drehen wir uns wieder nur im Kreis", murmelt er. Ich nicke zustimmend. „Lou ich bin immer noch wahnsinnig verwirrt. Als vor fünf Jahren Kira gestorben ist, ist ein Teil von mir mit ihr gegangen. Ich habe jahrelang geglaubt nie wieder so etwas wie Liebe empfinden zu können. Und dann kamst du. Du hast meine Welt von einer Sekunde auf die andere völlig auf den Kopf gestellt. Ich weiß ich war alles andere als gut zu dir. Es hat auch lange gedauert bis ich mich irgendwie dir öffnen konnte. Und ich weiß ich halte dich schon ewig hin. Und Gott ich danke dir für deine Engelsgeduld jede andere hätte längst ihre Koffer gepackt und wäre gegangen. Aber die Wahrheit ist, ich stehe immer noch sehr neben mir. Ich habe Gefühle für dich. Starke Gefühle. Liebe. Ich empfinde so etwas wie Liebe. Ich habe keine Ahnung ob es eine Zukunft hat. Ob es eine Chance hat. Weil ich keine Ahnung habe wie es sich entwickelt. Weil ich immer der Meinung war nie wieder fähig zu sein so etwas zu fühlen. Aber ich würde es gerne versuchen. Ich würde es zu gerne darauf ankommen lassen. Sehen was passiert. Mich darauf einlassen", beendet er schließlich seinen Monolog.

Mein Herz springt in meiner Brust. Mir ist als müsste er meinen Herzschlag sehen können. Ich war von ihm hin und weg von Sekunde eins an. Er hatte mich die ganze Zeit. Er musste nur aussprechen, dass er es auch will. Und hat er das jetzt nicht irgendwie getan? Hat er mir nicht irgendwie gesagt er will es versuchen? „Ich weiß es geht irrsinnig schnell. Und wir haben ein paar Schritte übersprungen. Aber als ich sagte Zieh bei mir ein, meinte ich es völlig ernst", sagt er und tritt unsicher von einem Fuß auf den anderen. Ich schweige wohl schon zu lange. Jedenfalls sieht er sehr unsicher aus. So kenne ich ihn gar nicht. Ein kleines Lächeln huscht über meine Lippen. „Heißt das... heißt das wir sind jetzt sowas wie ein Paar? Bin ich deine Freundin Raphael?", frage ich ihn. Er nickt langsam. „Ja das heißt es. Es ist neu für mich. Und es wird dauern. Aber ja es heißt du bist meine Freundin", sagt er schließlich und fügt dann schnell ein: „Wenn du es auch willst" hinzu. Ich kann nicht anders. Ein breites Grinsen huscht über meine Lippen. „Komm her und küss mich Ragucci"

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So ihr Lieben! Endlich ist es soweit. Endlich sagt Raphael was er denkt. Aber was meint ihr dazu? Wie findet ihr was er gesagt hat? Und was sagt ihr zu Lous Reaktion? Werden die Beiden nun endlich ihr Glück finden? 

Raf Camora FF//  LouisianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt