Man sieht sich immer 2x Mal

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POV Louisiana:

Als ich am nächsten Morgen gegen die Sonne anblinzle, ist die zweite Betthälfte bereits leer und kalt. Daraus schließe ich, dass Raphael schon länger wach sein muss. Ich erhebe mich aus dem Bett und schlurfe ins Bad. Dort spritze ich mir erstmal kaltes Wasser ins Gesicht und erwecke so meine Lebensgeister wieder. Danach gehe ich in die Küche. Dort duftet es herrlich nach Rührei mit Speck. „Frühstück ist gleich fertig", ertönt Raphaels Stimme plötzlich hinter mir und erschreckt mich damit. Ich fahre zu ihm herum. „Ähm super Dankeschön." Kurz Schweigen wir. Schließlich bin ich diejenige, die das Schweigen bricht. „Hast du gut geschlafen?", frage ich ihn. Ich will ihn nicht direkt darauf ansprechen was letzte Nacht gewesen ist. Deshalb versuche ich es indirekt. „Bestens danke. Und du?", fragt er. Ich nicke. „Ebenso" Er ist gerade wieder so unfassbar nett. Ich weiß er wird im nächsten Moment wieder ein Arschloch sein, aber ich genieße erstmal seine netten Seiten.

Gemeinsam verbringen wir ein schönes ruhiges Frühstück. „Nachdem Essen fahre ich dich nach Hause" Es ist eine Feststellung die keine Widerworte duldet. „Duschen kannst du noch wenn du willst. Aber beeil dich. Ich habe noch Termine" „Geschäftlich?", frage ich. „Ich wüsste nicht was dich das angeht" Und da ist sie wieder. Seine kühle, unnahbare Mine und seine überhebliche Stimme. Was ist der Typ eigentlich weil er so ein Geheimnis aus seinem Beruf macht? Kopfgeldjäger oder was? Selbst für einen Drogendealer ist noch immer zu reich. Also wohl doch Kopfgeldjäger. Irgendwann lerne ich ihn dann im Zuge meiner Arbeit kennen. Nein Schwachsinn. Ich arbeite mit Jugendlichen nicht mit Erwachsenen. Und wenn ich auch nicht weiß wie alt genau er ist, er ist definitiv erwachsen. „Wie alt bist du eigentlich?", frage ich ihn um ihn von seinem Job wieder abzulenken. „Du hast mich tatsächlich noch immer nicht gegoogelt?", fragt er und zieht eine Augenbraue hoch. „Nein habe ich nicht. Ich lerne Menschen lieber persönlich kennen." Er nickt anerkennend. „Faszinierend", sagt er leise und seine Stimme jagt mir einen angenehmen Schauer über den Rücken. Irgendwie wird meine Libido geweckt wenn ich mit ihm spreche. Ich hatte lange keinen Sex mehr. Mit Marius läuft im Bett nichts. Wir sind mittlerweile eher wie Geschwister die sich eigentlich nicht ab können. Und außer Marius war da nie jemand.

Nach dem Essen gehe ich tatsächlich noch schnell duschen. Ich muss den Gedanken an Sex mit diesem fremden Mann abwaschen. Das heiße Wasser rinnt über meinen Körper, doch ich kann nicht, nicht an ihn denken. Alleine schon deshalb weil ich unter seiner Dusche stehe. Im Bad riecht es nach einer Mischung aus seinem Duschgel und seinem After Shave. Mir ist heute Morgen schon aufgefallen, dass er frisch rasiert ist. Er sieht einfach unverschämt gut aus und ich würde so gerne mehr über ihn erfahren. Ich spiele immer wieder mit dem Gedanken ihn tatsächlich zu googeln, da er so ein Geheimnis aus seiner Person macht, aber immer wieder lasse ich es. Ich will, dass er mir über sich erzählt. So will ich ihn kennen lernen. Leider weiß ich nicht, ob ich ihn jemals wieder sehen werde. Ein Klopfen an der Badezimmertür reißt mich aus meinen Gedanken. „Du hast noch genau 5 Minuten sonst komme ich einfach rein", warnt er mich. Wieso sollte er ins Bad kommen? „Du hast doch schon geduscht", gebe ich unschuldig zurück. Ich bin ohnehin gleich fertig, aber ich genieße das heiße Wasser aus dieser Regenbogendusche. „Ich muss scheißen", erwidert er völlig gleichgültig, als wäre es das normalste der Welt. Also es ist normal. Natürlich. Er ist eben auch nur ein Mensch. Aber ich erzähle dass für gewöhnlich nicht meinem Besuch. Nicht mal wenn der in meinem Bad steht. Er ist ein Mann. Die Erkenntnis ereilt mich wieder. Er ist ein Mann. Für ihn ist es vermutlich einfach normal so etwas zu sagen. Nicht Gentleman like, aber normal.

Ich ziehe mir meine Klamotten von gestern über und schlüpfe aus dem Bad. „Warte im Wohnzimmer. Ich komme gleich", sagt er als er sich an mir vorbei ins Bad drängt und die Tür abschließt. Da hat es wohl jemand sehr eilig. Ich gehe inzwischen, wie er mir gesagt hat, ins Wohnzimmer. Dort betrachte ich etwas die Deko. Es stehen ein paar Bilder, wohl von seinen Familienmitgliedern herum. In einer Ecke steht ein schönes Bild von ihm mit seiner Schwester und einer älteren Frau, die den beiden ebenfalls unfassbar ähnlich sieht. Ich vermute es zeigt seine Mutter. Als ich mich so umsehe, fällt mir auf, dass es mehrere Bilder mit seiner Mutter gibt, jedoch vermeintlich keines auf dem sein Vater abgebildet ist. „Können wir?", seine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich nicke. Sofort folge ich ihm aus der Wohnung in die Tiefgarage. Schließlich steigen wir beide in seinen Ferrari. Das Auto vor das ich gestern geschubst wurde. Ich habe in seiner Wohnung mehrere Autoschlüssel gesehen, was mich darauf schließen lässt das er einen ganzen Fuhrpark hat. „Sag mir die Adresse", fordert er und ich nenne ihm artig meine Adresse. Er gibt sie ins Navi ein und setzt den Wagen in Bewegung.

Die Frage nach einem Wiedersehen brennt mir auf der Zunge. Ich traue mich aber kaum sie zu stellen. Er ist vollkommen auf den Straßenverkehr fixiert. Er sagt nicht ein Wort. Aus den Boxen dringt leise französische Musik. Ich würde sagen Hip Hop, ich bin allerdings nicht vom Fach. Auf dem Bordcomputer des Autos steht: ‚Wiedergabe von Rafs iPhone' „Raf? Nennen deine Freunde dich so?", frage ich ihn. „Nicht nur", gibt er zurück. Kühl. Hört sich nicht so an als würde er noch etwas sagen wollen. Wir sprechen. Also werde ich die Chance nutzen. „Werden wir uns wiedersehen?", frage ich schließlich. Ich sehe wie sich sein Griff um das Lenkrad verstärkt, seine Fingerknöchel treten weiß hervor. Ich habe Angst. Angst vor dem was kommt, als er schließlich seinen Mund öffnet. Nur um ihn gleich wieder zu schließen. Kurz schweigt er. Dann öffnet er seinen Mund nochmal. „Sagt man nicht immer, man sieht sich immer zwei Mal?", antwortet er mit einer Gegenfrage. „Sagt man so ja", gebe ich zurück. Er nickt. „Du weißt wo ich wohne. Vielleicht führt dich aus irgendwelchen Gründen dein Weg einmal zu mir" Ich krame in meiner Handtasche nach einem Zettel und einem Stift. Ich finde leider nichts anderes als einen Kayal und eine alte Rechnung, aber die tut es fürs erste auch. Ich kritzle meine Telefonnummer auf die Rückseite der Rechnung und lege sie vorne hin. „Nur für den Fall", sage ich an ihn gerichtet. Sein skeptischer Blick fällt direkt auf die Telefonnummer. „Was für ein Fall?", fragt er interessiert nach. Er sieht belustigt aus. „Für den Fall, dass ich Sehnsucht nach dir habe?", fragt er und ein breites Grinsen erscheint auf seinem Gesicht. Er macht sich lustig über mich. Eindeutig. „Für den Fall, dass du mal wieder schlecht träumst", kontere ich.

Er hält den Wagen abrupt an. Ich denke mir schon er schmeißt mich jeden Moment raus, doch da fällt mir auf, dass wir tatsächlich schon vor meiner Wohnung stehen. „Raus", sagt er nur. „Danke fürs nach Hause fahren", sage ich und lächle leicht. Ich will ihn nicht zuletzt verärgern. „Steig einfach aus", gibt er zurück. „Das ist Dank genug." Kurz Schweigen wir beide erneut als ich mich aus dem Wagen hebe. Ich spüre, dass mir Tränen in die Augen steigen. Er will mich also einfach nur los haben. So ist das. „Und vergiss nicht LouLou. Man sieht sich immer zwei Mal." Als ich die Autotür zuschlage sehe ich, wie er mir zuzwinkert ehe er von dannen zieht. Also will er mich doch wieder sehen? Mit einem völlig aus dem Konzept geratenen Gefühlshaushalt laufe ich nach oben in meine Wohnung. Charlotte erwartet mich bereits. Sie sitzt auf der Couch, der Fernseher läuft. Sie ist auch Studentin. Hat heute keine Uni. „Hey Lotte", begrüße ich sie unschuldig.

„Wo warst du?", fällt sie direkt mit der Tür ins Haus. Charlotte ist von Natur aus unheimlich neugierig. Doch sie ist nicht umsonst meine beste Freundin. Ich vertraue ihr auch alles an. Und ähnlich wie meine große Schwester ist sie in vielen Dingen so viel offensiver als ich. Vor allem wenn es um Männer geht. Ich lasse mich also neben ihr auf die Couch sinken und erzähle ihr alles. „Und du sagst er sieht gut aus?", fragt sie. „Er sieht unfassbar gut aus." „Schade, dass er nichts von sich erzählen will" „Er ist... schwer lesbar. Manchmal ist er so unheimlich nett und zuvorkommend. Im nächsten Moment könnte man ihn auf den Mond schießen. Ich habe in nicht mal 24 Stunden so viele Seiten von diesem Mann gesehen" „50 Shades of Raphael", sagt Lotte lachend. Ich stimme in ihr Lachen mit ein. „Schon irgendwie erotisch", meint sie dann. Ich stoße sie an. „Lotte!", fluche ich muss aber lachen. Unsere ausgelassene Stimmung wird je vom Klingeln meines Handys unterbrochen. Ich sehe auf den Display. Die Nummer ist nicht gespeichert. Ich gehe dennoch ran. „Müller?" „LouLou" Niemand. Absolut niemand nennt mich LouLou. Außer Raphael. Der hat das vorhin gesagt. Also kann es nur er sein. Seine Stimme ist unverkennbar. Sie dringt direkt in mein Herz ein und mir wird für einen Moment ganz warm. „Vermisst du mich schon?", frage ich. „Man sieht sich immer zweimal", erwidert er. Mir fällt jetzt erst auf, dass seine Stimme ein wenig kläglich klingt. „Alles okay?", frage ich. Ich bin davon ausgegangen er wäre zur Arbeit gefahren. Er hört sich aber irgendwie gerade ziemlich fertig an. Ob er nochmal versucht hat zu schlafen? „Bestens", erwidert er durch zusammen gebissene Zähne. Irgendwas stimmt eindeutig nicht. „Du hast dein Ladegerät vergessen. Vielleicht willst du es abholen?", fragt er. Eigentlich habe ich kein Auto und will auch nicht mit der Bahn ans andere Ende von Berlin fahren, doch irgendwie lässt seine Stimme mich innehalten. Irgendwas ist komisch. Ich habe das Gefühl mit ihm stimmt etwas nicht... „Ich komme", antworte ich bloß schnell. Ehe ich noch etwas sagen kann, hat er einfach aufgelegt.

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So das Kapitel ist etwas kurz. Ich hoffe es gefällt euch trotzdem. Was könnte wohl los sein mit Raphael? Warum klingt er so eigenartig? Und will er Lou wirklich wiedersehen oder hat er gar keinen Bock auf sie? Was glaubt ihr? 

Raf Camora FF//  LouisianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt