Bauchgefühl

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POV Barbara:

„Bist du noch dran?", frage ich meinen großen Bruder da am anderen Ende der Leitung nur noch Knacken zu hören ist. Gedankenverloren wandert meine Hand an die winzige Wölbung an meinem Bauch. „Ja klar ich schaue nur gerade wann der nächste Flug nach Berlin geht", gibt er zurück. Er ist hektisch. Wie immer. Er übertreibt es. Wie immer. Ich liebe seine Fürsorge, aber manchmal geht er damit echt zu weit. Das war schon immer so. Schon seit ich klein war. Meine Partner mussten sich fast mehr vor meinem Bruder als vor meinem Vater fürchten. So auch Darius am Anfang unserer Beziehung. Die beiden sind Gott sei Dank total auf einer Wellenlänge. Anscheinend stehe ich auf den Typ Mann der mein Bruder auch ist. Wobei das echt fragwürdig klingt wenn ich das so denke. So meine ich es ja nicht mal. Also ich meine... ich meine Darius und mein Bruder sind sich einfach sehr ähnlich vom Verhalten. Darius ist auch sehr fürsorglich, manchmal fast zu viel. Aber ich liebe ihn. Vielleicht genau deshalb. „Rapha beruhige dich erstmal. Du musst nicht kommen es ist nicht so schlimm", sage ich leise. „Es ist nicht schlimm? Es ist nicht schlimm?", seine Stimme überschlägt sich fast, „Du bist im Krankenhaus und sagst es ist nicht schlimm?" Ich seufze. „Rapha komm runter und hör mir erstmal zu!", sage ich etwas energischer als ich es eigentlich wollte. Ich liebe meinen Bruder und die fürsorgliche Art, die er hat, aber es wird einem manchmal einfach zu anstrengend.

„Ich habe bloß eine Blasenentzündung", sage ich ruhig und beherrscht zu ihm. Weiter streichle ich über meinen Babybauch. Ich kann es kaum fassen. Bald werde ich Mutter sein. Werde selbst so ein kleines Wesen in den Armen halten. Kurz ist es ruhig am anderen Ende der Leitung. „Warum bist du dann im Krankenhaus?", fragt er mich. Ich seufze. „Ich bin schwanger Raphael. Ich bin schwanger und hatte Blutungen." Ich mache eine kurze Pause, aber nicht lange genug, als das er etwas sagen könnte. „Im Krankenhaus hat sich zum Glück herausgestellt, dass es bloß eine Blasenentzündung ist. Ich werde hier gut behandelt. Und morgen spätestens übermorgen darf ich ohnehin wieder nach Hause, wo ich mich dann weiter auskurieren werde" Er atmet hörbar aus. „Also ist mit dir und dem Würmchen soweit alles gut?", fragt er. „Ja alles gut" Wieder schwiegen wir einen Augenblick. „Rapha? Es ist spät bei euch. Du solltest ins Bett gehen", sage ich und kann regelrecht hören wie er nickt. „Du hast Recht. Ich werde jetzt auch ins Bett gehen. Ich bin müde. Und du solltest dich auch auskurieren. Wenn irgendwas ist, ruf mich jederzeit an." Wir beenden schließlich unser Telefonat.

Kaum 5 Minuten später öffnet sich die Tür und mein Freund tritt ein. „Darius? Was machst du denn hier?", frage ich ihn. Die Schwester hat ihm vor einer Stunde schon unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass die Besuchszeit vorbei ist und er nach Hause gehen soll. Und jetzt steht er wieder hier. Unschuldsmiene aufgelegt und eine Reisetasche in der Hand. „Ich glaube du hast mich angesteckt", sagt er unschuldig. Ich stutze. „Wie bitte?", frage ich. „Ich habe plötzlich Unterleibsschmerzen und Schmerzen beim Wasserlassen", sagt er und sieht mich nach wie vor möglichst unschuldig an. „Achso?", frage ich. Ich glaube ihm kein Wort. „Ja und da wir ein Paar sind und bald Eltern werden, darf ich im selben Zimmer meine Zelte aufschlagen wie du", erklärt er mir. Wir sind privat versichert. Was es uns ermöglicht ein Einzelzimmer beziehungsweise maximal Zweibettzimmer zu bekommen. Und wenn da sonst niemand drin liegt, kann man als Pärchen natürlich zusammen in einem Zimmer sein. Ich gucke ihn streng an. „Du hast gar nichts stimmts?", frage ich. Er grinst frech. „Es ist spät. Die Ärzte haben nicht viel Zeit weil die Aufnahme voller Patienten ist. Deshalb musste ich bloß eine Urinprobe abgeben, deren Ergebnis aber erst Morgen erwartet wird. Wir sind privat versichert Schatz. Die freuen sich über jeden von uns doppelt", sagt er lachend kommt zum Bett und küsst mich sanft. Darf ich vorstellen? Mein überfürsorglicher Freund, der mich nicht mal eine Nacht aus den Augen lassen will.

POV Raphael:

Als ich zurück ins Zimmer komme, schlafen alle. Alle bis auf... Lou. Sie sitzt im Bett leuchtet mit ihrer kleinen Handytaschenlampe in mein Gesicht. „Habe ich dich geweckt?", flüstere ich kaum hörbar als ich aufs Bett zukomme. Gott wenn sie wüsste warum ich schlaflos bin. Wenn sie von dem Telefonat wüsste. Wenn... ach egal. Sie sieht wunderschön aus. Sogar so total verschlafen sieht sie wunderschön aus. Ich verbiete es mir jedoch den Gedanken weiter zu spinnen. Aus. Reiß dich am Riemen Ragucci. „Macht nichts. Was ist los?", fragt sie ebenso leise. Ihre sanfte Stimme lässt mir einen wohlig warmen Schauer über den Rücken laufen. „Kannst du nicht schlafen?", fragt sie. Ich seufze. Ich muss mir schnell irgendeine glaubwürdige Ausrede einfallen lassen. Ich kann ihr nicht die Wahrheit sagen. Ich kann ihr nicht sagen, dass meine gottverdammten Gedanken schon den ganzen Abend nur um sie kreisen. Spätestens seit ich sie in diesem verdammten Kleid gesehen habe, dass ich für sie ausgesucht habe. Sie sah so schön aus. So unfassbar schön. Aber es geht nicht. Ich darf nicht. Ich kann sie da nicht noch weiter reinziehen. Sie sitzt sowieso schon zu tief. Und dann hat Abudi dieser Verräter sich noch das Einzelbett gesichert. In das wollte ich eigentlich sie quartieren. Aber das wusste er. Das habe ich ihm vorab schon gesagt. Tja.

„Ich äh... ich hatte Bauchweh", sage ich schnell und frage mich kurz ob mir nicht irgendwas Besseres eingefallen wäre. Sie zieht eine Augenbraue hoch. „Und dann gehst du spazieren?", fragt sie skeptisch. Verdammt. Ich wusste doch dass die Ausrede dämlich ist. Ich hätte es auf Babs schieben sollen. Ich hätte sagen sollen, sie hat mich angerufen. Tja jetzt ist es zu spät um den Schwanz einzuziehen. Jetzt muss ich die Geschichte weiterspinnen und glaubwürdiger machen. „Äh ja...ich...äh... ich konnte nicht aufs Klo und dachte nach einem Spaziergang geht es vielleicht" Ich werde dunkelrot bei der Aussage. Was labber ich eigentlich? Höre ich mir selbst zu? Na besser nicht, denn das kann man sich eigentlich nicht anhören. Aber sie scheint es mir wenigstens zu glauben. Als ich mich neben sie aufs Bett sinken lasse streichelt sie sanft über meinen Bauch. „Und geht es dem Bäuchlein jetzt besser?", fragt sie sanft an meinem Ohr. Ich liebe diese zarte Berührung von ihrer Hand auf meinem Bauch. „Mit einer Massage von dir geht es ihm sicher noch besser", erwidere ich und schmiege mich noch enger an sie. Am liebsten würde ich mir Sekunden später dafür eine Ohrfeige geben. Tolle Leistung von mir. Ich will sie nicht zu sehr reinziehen. Ich will ihr nicht das Herz brechen. Aber bei der ersten sanften Berührung zergehe ich gleich wieder unter ihren Händen.

„Aber gerne doch. Wir wollen doch, dass dein Bauch schnell wieder in Ordnung kommt", sagt sie leise und massiert weiter meinen Bauch. Gott das tut gut. Das tut gut, obwohl mein Bauch gar nicht wirklich weh tut. Aber ich genieße es. Ich genieße ihre zarten Hände. Ich genieße sie. Es war mir selten so bewusst wie jetzt gerade. Meine Schwester hat wohl Recht. Nicht nur sie. Auch Abudi. Sie alle haben scheinbar Recht. Irgendwie ist da etwas zwischen mir und Lou. Irgendwas macht es, dass ich mich unfassbar geborgen in ihrer Nähe fühle. Ich habe mich selten so geborgen gefühlt. Nur bei meiner Familie. Und bei Kira. Natürlich. Die sanften Hände auf meinem Bauch. In Gedanken bin ich schon wieder ganz woanders.

„Oh Baby ich hab solche Bauchschmerzen", jammere ich. Das Bett neben mir senkt sich. Es ist dunkel ich kann nichts erkennen. Kurz darauf spüre ich eine sanfte Hand an meinem Bauch. „Liebling, du weißt du musst aufpassen was du isst, weil du so empfindlich bist", klingt ihre Stimme sanft an mein Ohr. „Ja", brumme ich beleidigt. Mindestens so beleidigt wie mein Bauch. Ich werfe einen Blick auf die Digitaluhr hinter mir. Es ist 3 Uhr morgens. „Schatz?", flüstere ich. Ihre Hand wandert immer noch an meinem Bauch hin und her. „Ja?", erwidert sie. „Ich will dich nicht die ganze Nacht wach halten", sage ich schuldbewusst. „Ach was denn! Ist schon gut. Und wenn du drei Nächte durchgehend leidest werde ich drei Nächte an deiner Seite sein", erwidert sie. Meine Lippen landen sanft auf ihren. „Ich liebe dich" „Ich liebe dich auch", erwidert sie und wir küssen uns erneut. Würde ich nicht solche Bauchschmerzen haben würde ich über sie herfallen. Diese Frau. Ich liebe sie so sehr. Sie ist alles für mich. Sie ist meine kleine Welt. Meine Familie. Meine wahre Liebe. Einige Minuten später scheint sie eingeschlafen zu sein. Gut so. Es ist spät. Ich muss allerdings mal zur Toilette also befreie ich mich sanft aus ihrem Arm. Nicht sanft genug. Sie wacht auf und knipst das Licht an. Doch als ich sie erblicke rutscht mir das Herz fast in die Hose. Da liegt nicht Kira. Da liegt Lou.

Ich schrecke hoch. Ich muss wohl eingeschlafen sein. Lou setzt sich mit mir auf. „Ist alles gut Raphael?", fragt sie vorsichtig. Ich nicke. „Nur ein... ein verwirrender Traum", erkläre ich ihr. Ich sage bewusst nicht ein schlechter Traum. Ich würde sie nicht als schlechten Traum bezeichnen. Niemals. Es bringt nur meinen verwirrten Gefühlshaushalt noch mehr aus dem Konzept. Noch viel mehr. Diese Träume. In letzter Zeit spielt Lou immer häufiger die Hauptrolle darin. Und ich wache dann mit einem komischen Gefühl auf. Es verwirrt mich einfach. Ich habe früher häufig Albträume gehabt. Ich habe auch oft von Kira geträumt aber in letzter Zeit ist es immer öfter Lou die in meinen Träumen auftaucht. Ich atme tief durch und gucke zu ihr rüber. Wir haben uns wieder hingelegt. Alle anderen schlafen auch noch. Es ist schon 7 Uhr morgens hier, aber die sind ja auch erst nach vier ins Bett gegangen. Sie streichelt mir sanft über die Wange. „Schlaf weiter. Du bist müde", stellt sie das Offensichtliche fest. Ich handle unüberlegt. Ich höre nicht auf meinen Kopf. Gerade höre ich nur auf mein Bauchgefühl. Meine Hand wandert an ihre Wange und schon treffen unsere Lippen sanft aufeinander. Ich habe sie geküsst. Schon wieder. 

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Hallo :) Ich weiß das Kapitel ist etwas kurz geraten, aber da ich so erkältet im Moment bin ist es ganz schön anstrengend vorm PC zu sitzen haha. Hoffe es gefällt euch trotzdem. Habe mich mal ein bisschen ran gewagt auch etwas aus der Sicht von Rafs Schwester zu erzählen. Hoffe das gefällt euch auch. 

Raf scheint sich seiner Gefühle zu Lou ja immer klarer zu werden. Und er hört ausnahmsweise mal auf sein Bauchgefühl. Was meint ihr wird er diese Entscheidung bereuen? Oder wird er in nächster Zeit öfter mal auf sein Bauchgefühl vertrauen? Für die Beiden wäre es doch schön oder? 

Raf Camora FF//  LouisianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt