Krankenhaus

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POV Louisiana:

Ich bin im Untersuchungszimmer, allein. Raphael war erst bei mir, aber er musste so dringend auf die Toilette und ist seither nicht wieder gekommen. Im Endeffekt hat Darius uns ins Krankenhaus gefahren, weil er anscheinend der Einzige ist, dem es blendend geht. Ich habe Angst. Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Während Babsi und Raf mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall kämpfen habe ich lediglich Unterleibsschmerzen. Ich vermute die beiden haben sich einfach irgendwie den Magen verdorben, während ich keine Ahnung habe was mit mir nicht stimmt. Mir brennen Tränen in den Augen und ich habe einen Kloß im Hals. Ich wünschte Raphael wäre jetzt bei mir und würde meine Hand halten. So habe ich mir das nicht vorgestellt. Ganz im Gegenteil. Ich warte hier nun schon eine Weile auf meinen Arzt. Mir wurde bereits Blut abgenommen und ins Labor geschickt. Der Arzt wartet wohl gerade auf die Ergebnisse. Außerdem wurde bereits ein Gynäkologe hinzugezogen. Ich wurde als ich an der Aufnahme angegeben habe schwanger zu sein, auch nach meiner Hebamme gefragt. Als ich sagte ich habe noch keine, ich bin noch nicht so weit, hat mich dieser mitleidige Blick getroffen. Dieser mitleidige Blick von allen. Von der Schwester, vom Notarzt, vom Gynäkologen. So mitleidig, als wüssten sie alle was hier gerade passiert. Alle bis auf mich.

Als mir dann Blut abgenommen wurde von einer Schwester hatte sie denselben mitleidigen Blick. Sie hat aber immer wieder versucht mir Mut zu machen. Ich habe ihr mehrfach gesagt, dass ich gar nicht weiß was hier passiert. Sie hat mir tröstend die Hand auf die Schulter gelegt mit den Worten: „Sie sind noch so jung. So was passiert" Es klingt so endgültig. Es klingt so endgültig in Kombination mit diesem mitleidigen Blick den mir alle schenken. Es fühlt sich aber nicht so endgültig an. Ja ich habe Krämpfe. Unsagbar starke Bauchkrämpfe. Aber ich habe keine Blutungen. Vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen? Mir sagt niemand was. Alle sehen mich nur so an. Niemand sagt irgendwas. Außer die andere Schwester, die hier war um mir eine Urinprobe abzunehmen, die wurde auch bereits ins Labor gebracht. Sie hat mich gefragt ob ich alleine hier bin. Ich habe ihr erzählt, dass mein Freund auch hier ist. Aber auf der Toilette. Als sie wieder kam und er noch immer nicht bei mir war, sah sie mich auch so an. Mitleidig. Dann hat sie gemeint, dass es nicht selten ist, dass Frauen so etwas alleine durchmachen müssen. So etwas? Wovon spricht sie? Kann mich hier mal irgendjemand aufklären? Und wann zum Teufel kommt eigentlich Raphael wieder? Kommt er überhaupt? Ich bin so furchtbar verwirrt und habe diesen verdammten Schmerzen ich weiß nicht mehr wo mir der Kopf steht, als sich die Türe zum Untersuchungsraum öffnet und der Gynäkologe schließlich eintritt...

POV Raphael:

Ich sollte bei Lou sein. Ich sollte für sie da sein. Und ich würde alles dafür geben wenn ich es auch könnte. Leider bin ich ziemlich gleich nach unserer Ankunft aufs Klo verschwunden und schaffe es hier nicht mehr raus. Ich fühle mich schlapp. Mein Körper ist mehr als leer, aber es hört nicht auf. Ich fühle mich schlapp und ausgetrocknet. Ich habe eine Flasche Wasser bei mir aber ich kann nichts trinken. Ich bringe nichts runter und außerdem selbst wenn es runter geht kommt es sowieso gleich wieder. Ich habe eine empfindliche Verdauung. Ich habe häufiger Schwierigkeiten aber ich kann mich an kein einziges Mal in meinem Leben erinnern, in dem es mir so mies ging wie jetzt gerade. Keine Ahnung. Ich wünschte mir gerade einfach nur bei Lou zu sein, für sie da zu sein. Ich muss mich zusammen reißen. Schwerfällig versuche ich mich von der Toilette zu erheben, nur um gleich wieder darauf zu fallen. Ich habe das Gefühl ich kann mich nicht mehr bewegen. Ich bin zu schwach. Zu ausgelaugt. Was zum Teufel stimmt eigentlich nicht mit mir? Ich muss zu meiner Freundin. Ich muss nach meiner Schwester sehen, aber nein ich hänge hier wie ein Häufchen Elend.

Eine einzelne Träne kullert mir über die Wange. Nicht etwa weil es mir so mies geht, nein. Sie kullert über meine Wange, weil ich meine Freundin gerade im Stich lasse. In der vielleicht schwersten Stunde unseres Lebens lasse ich sie einfach so im Stich. Sie muss alles alleine durchmachen. Die ganzen Untersuchungen, die ganze Unsicherheit. Ich sollte für sie da sein. Dafür bin ich doch da, aber nein, ich lasse sie einfach so im Stich weil ich ein Weichei bin. Weil ich ein Weichei bin mit einer sehr instabilen Verdauung. Erneut versuche ich mich aufzurichten, scheitere aber leider wieder daran. Ich hasse mich dafür. Gerade eben hasse ich mich dafür. Was kann im Augenblick wichtiger sein, als meine Freundin und meine Schwester. Und die ungeborenen Kinder? Nichts. Es ist nichts wichtiger als das gerade. Und trotzdem kann ich meinen schlappen Körper nicht davon überzeugen aufzustehen. Die Tür zur Toilette öffnet sich. Ich sitze in der linken Kabine. Eine zweite Kabine ist noch frei. Doch die Schritte halten inne. „Herr Ragucci?" eine Frauenstimme erklingt. Eine Frauenstimme in der Männertoilette? Das kann nichts Gutes bedeuten. Augenblick wird mir wieder übel. „Ja?", sage ich und muss ein Würgen unterdrücken. „Ich bin Dr. Meier. Ihre Schwester hat mir gesagt, wo ich Sie wohl finde", sagt die Frauenstimme. Eine Ärztin also. Ich schaffe es gerade noch mich von der Toilette auf den Boden zu begeben um danach meinen ohnehin leeren Magen noch mehr zu entleeren.

„Was ist passiert?", frage ich nachdem ich mir den Mund abgewischt habe. „Können Sie bitte die Kabine aufschließen?", fragt die Ärztin. Seufzend lange ich mit der Hand hin um das Schloss zu öffnen. Als ich die Türe dann auch noch aufmache, blicke ich in das besorgte Augenpaar einer hübschen, jungen Ärztin. Sie führt einen Rollstuhl mit sich rum, auf dem niemand sitzt. „Schaffen Sie es hier hoch? Oder brauchen Sie Hilfe?", fragt sie und deutet auf den Rollstuhl. Der ist für mich? Ich stutze. „Der ist für mich?", spreche ich meinen Gedanken schließlich laut aus. Sie nickt. „Sie haben eine Lebensmittelvergiftung und müssen zumindest heute Nacht stationär hier bleiben. Sie bekommen Elektrolytinfusionen um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen", erklärt sie mir. Ich hocke immer noch wie ein Vollidiot auf dem Boden und starre sie entgeistert an. „Wir haben Ihre Schwester eingehend untersucht und festgestellt, dass sie eine Lebensmittelvergiftung hat, daraufhin hat sie mir von Ihnen erzählt und wo ich Sie wohl finden kann. Eine Lebensmittelvergiftung betrifft meistens mehrere Menschen auf einmal. Ihre Schwester meinte Sie habe wohl von Ihrem Dessert ein bisschen gegessen heute Abend?", fragt sie. Ich denke zurück und nicke schließlich. „Geht's... geht's ihrem Baby gut?", frage ich schließlich. Die Ärztin nickt und schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln.

„Sie hat Glück im Unglück. Da sie nicht so viel davon gegessen hat, ist ihr zwar schlecht davon geworden, aber es hat ihrer ungeborenen Tochter nicht geschadet. Da sie aber meinte Sie hätten hauptsächlich davon gegessen, wollte ich mal besser nach Ihnen sehen". Okay. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Babsis kleinem Mädchen geht es gut. „Ihr selbst geht es übrigens auch deutlich besser. Wir behalten sie nur zur Sicherheit ebenfalls eine Nacht hier. Während Sie Infusionen bekommen, wird Ihre Schwester nur beobachtet", erklärt sie mir. Die Erleichterung die mich durchströmt ist unbeschreiblich. Wenigstens meiner Schwester und ihrer ungeborenen Tochter geht es gut. Ich denke ans Abendessen zurück. Darius hat etwas anderes gegessen. Babsi hat sich kein eigenes Dessert bestellt. Sie hat ein bisschen von mir gekostet und sonst hauptsächlich mit Darius geteilt. Meine Gedanken schweifen zu Lou. Hat sie vielleicht auch etwas von meinem Dessert gegessen? Ich habe so ein Joghurt Dessert mit frischen Erdbeeren gegessen. Ich kann mich nicht genau daran erinnern, ob sie auch davon gegessen hat. Mühevoll hieve ich mich in den Rollstuhl. „Meine Freundin ist auch hier irgendwo. Sie wird auch untersucht. Könnten wir vielleicht nachsehen wo sie ist? Ich wäre so gern bei ihr", stammle ich wirr. Ich fühle mich so schlapp, dass ich nicht mal einen klaren Gedanken fassen kann. In meinem Kopf rasen die Gedanken wüst umher. Hat Lou von meinem Dessert gegessen? Wenn ja wie viel? Hat es dem Kind geschadet? Oder hat sie gar nicht davon gegessen und etwas viel Schlimmeres passiert. Vielleicht macht sie etwas noch viel schlimmeres durch. Ohne mich. Weil ich mich von so einem verdammten Dessert außer Gefecht setzen habe lassen.

Die Ärztin guckt mich an. „Wir legen Ihnen jetzt mal einen Zugang und hängen die erste Infusion an. In der Zwischenzeit werde ich eine Schwester schicken um nach Ihrer Freundin zu sehen.", erklärt sie mir und ich nicke dankbar. Ich bin wirklich erleichtert dass es meiner Schwester besser geht. Ich bin auch wirklich erleichtert, dass es mir wohl gleich besser gehen wird. Aber die Sorge um Lou und mein ungeborenes Kind treibt mich fast in den Wahnsinn. Die Ärztin fordert mich mehrmals dazu auf mich zu entspannen, doch ich kann nicht. Ich kann nicht solange ich nicht bei meiner Freundin sein kann. Solange sie all das alleine durchmachen muss. Es klopft an der Tür und eine Schwester tritt ein. „Herr Ragucci? Ihre Freundin ist im Untersuchungsraum 3. Sobald Frau Dr. Meier mit Ihnen fertig ist, darf ich Sie zu ihr bringen" Ich nicke zustimmend. Okay. Ich darf zu ihr. Endlich kann ich zu ihr. Ich hoffe nur, ich komme nicht zu spät...

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Tadaaa. Hier ein neues Kapitel ihr Lieben. Raphael und Babsi haben also tatsächlich eine Lebensmittelvergiftung. Wobei man sagen muss Babsi hatte ja nochmal Glück im Unglück. Aber was ist mit Lou? Hat sie auch von Rafs Dessert gegessen? Und wenn ja wie viel? Was wird der Arzt Lou wohl im nächsten Kapitel mitteilen? Und kommt Raphael noch rechtzeitig um ihr beizustehen? 

Raf Camora FF//  LouisianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt