Schlechter Mensch

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POV: Raphael Ragucci

Nachdem meine Schwester mir liebevoll die Wunde an der Hand versorgt hat, lege ich mich etwas hin. Mir ist schwindlig und ein bisschen übel wohl wegen dem Blutverlust. Als ich wieder aufwache ist es ruhig in der Wohnung. Ich weiß nicht ob Barbara noch hier ist. Ich weiß auch nicht ob die Kleine noch hier ist. LouLou. Leise erhebe ich mich aus dem Bett. Ich hatte mich mal wieder nicht im Griff. Meine Gefühle haben mich übermannt. Ich habe mich erst dazu hinreißen lassen ein Foto von meiner Schwester zu posten und dann habe ich mich auch noch dazu hinreißen lassen mir vor LouLou die Blöße zugeben und mich so zu vergessen. Manchmal überkommen mich meine Gefühle einfach. Manchmal kann ich sie nicht einfach verdrängen. Irgendwo ist er immer da. Dieser unfassbare Selbsthass. Ich bin einfach ein Bastard.

Ich gehe leise aus dem Zimmer. Es ist gerade früher Abend. In der Küche duftet es nach Essen, aber mir ist immer noch etwas übel. Leise gehe ich in die Küche. LouLou steht in meiner Küche, den Rücken zu mir, am Kühlschrank. Ich beobachte sie kurz. Sie wäre eine schöne Frau, wenn sie sich etwas mehr als solche zeigen würde. Sie trägt immer diese furchtbar riesigen Shirts. Seit sie hier ist, hat sie fast jeden Tag eines an, dass ich ihr gegeben habe. Da sie aber ziemlich klein und ziemlich dünn ist, zeigt sie damit überhaupt keine Proportionen. Ihr Haar hat sie zu einem unordentlichen Dutt gemacht, wie ihn meine Schwester auch oft trägt. Ihr Schultern sind locker. Sie summt leise eine Melodie. Ich bin mir sicher, sie könnte eine wirklich annehmbare Frau abgeben, würde sie sich ein bisschen mehr stylen. Angemessenere Klamotten tragen, Haare mal offen und vielleicht ein bisschen Make-Up. Aber nicht zu viel. Zu viel Make-Up gefällt mir auch nicht. Ich sage meiner Schwester oft, sie soll sich nicht zu viel Schminken. Es ist schade um ihr hübsches Gesicht.

„Du bist noch hier", stelle ich schließlich fest und ich sehe, wie sie zusammen zuckt. Sie hat sich erschreckt. Ich habe kein Geräusch von mir gegeben, obwohl ich locker 5 Minuten schon hinter ihr stehe. „Ja ich bin gerade dabei Abendessen zu machen", erwidert sie schließlich und dreht sich zu mir um. Ein sanftes Lächeln umspielt ihre Lippen. Diese Frau ist viel zu gut für mich. Viel zu gut um in meiner Küche zu stehen. Viel zu gut um noch eine Minute länger mit mir verbringen zu müssen. Ich beiße mir auf die Lippe um nicht irgendwas Unangemessenes zu sagen. „Deine Schwester ging nach Hause. Ihr Freund hat sie erwartet. Und du hast fast 3 Stunden geschlafen. Wir haben nach dir gesehen", erklärt sie mir. Ihre Lippen sind schön geschwungen und voll. Lippen die eigentlich dazu einladen würden sie zu küssen. Ich schüttle unmerklich den Kopf und verbiete mir den Gedanken. „Ach ja ihr Freund", sage ich und mustere LouLou. Sie erwidert den Blick. Sie ist ganz schön aus sich raus gekommen in der letzten Woche. Anfangs konnte sie keine 10 Sekunden Blickkontakt mit mir halten. Jetzt ist sie schon ziemlich offensiv und bietet mir regelrecht die Stirn.

„Magst du ihn nicht?", fragt sie mich neugierig. „Doch. Ist ein netter Kerl. Und solange er meiner Schwester nicht weh tut, ist alles im grünen Bereich", erläutere ich ihr und schenke ihr schließlich doch auch ein kleines Lächeln. „Deine Schwester ist dir sehr wichtig, stimmts?", fragt sie mich. Sie beginnt unterdessen den Tisch zu decken. Ich nicke. „Mitunter das Wichtigste. Und das Beste..." Ich lasse den Satz irgendwie unbeendet in der Luft hängen. „An deinem Leben?", fragt sie mich. Ich nicke. „Du hast Geld, dir liegen Frauen mit Sicherheit zu Füßen, du siehst gut aus. Aber deine Schwester ist das Beste?", fragt sie mich. Am liebsten würde ich sie jetzt anfahren, was ihr einfällt zu denken das Materielle wäre mir mehr wert, aber ich reiße mich zusammen. Sie denkt das wahrscheinlich nicht mal von mir. Vielleicht ist sie einfach überrascht. „Ohne meine Mutter und meine Schwester hätte ich all das nicht", antworte ich stattdessen. „Finde ich unglaublich schön, dass du so denkst" Ich nicke nur.

Ich setzte mich zu ihr an den Tisch und esse mit ihr. Während dem Essen fängt mein Bauch wieder etwas mehr zu schmerzen an, ich ignoriere die Tatsache jedoch. Wir wechseln kein Wort beim Essen. Schweigend sind wir beide in Gedanken. Ich beobachte sie vorsichtig. Einmal leckt sie sich über die Lippen. Ihre Zunge, die Art wie sie das macht, lässt sich mir unwillkürlich vorstellen, was sie mit diesem Mund, mit dieser Zunge sonst anstellen könnte. Ich muss schlucken und versuche so den Gedanken auch runter zu schlucken. Als sie aufsteht um die Teller wegzuräumen entschuldige ich mich mit der Ausrede ich müsste mal auf die Toilette. Vorteil an einer Magen-Darm-Grippe? Diese Ausrede zählt immer. Ich ziehe mich in mein Bad zurück und spritze mir erstmal kaltes Wasser ins Gesicht. Was ist bloß los mit mir? Wieso habe ich mich in so eine dumme Situation gebracht? Welcher Teufel hat mich geritten? Ich habe Hilfe gebraucht. Ja die habe ich wirklich gebraucht. Mir ging es dreckig, mir geht es immer noch nicht gut. Und da habe ich einfach beschlossen mich von ihr pflegen zu lassen. Weil meine Schwester einmal keine Zeit für mich hatte. Meine kleine Schwester. Die mittlerweile auch schon ganz schön viel Eigenleben hat. Tja sie ist eben auch schon erwachsen. Und jetzt? Jetzt habe ich den Schlamassel. Ich verstecke mich im Bad vor meinem Fehler, während dieser in der Küche die Spülmaschine anmacht. Was für ein Glück, dass ich wenigstens meine Triebe unter Kontrolle hatte, in der vergangenen Woche.

Raf Camora FF//  LouisianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt