"Danke Khan." Sie trat neben ihn, das weiße Hemd steckte in dem Bund der dünnen, braunen Hose, dazu trug sie ein Paar Lederstiefel. Sie hatte alles in den Sachen des Händlers gefunden und wie zufällig passte ihr die Kleidung. Einige andere Kleidungsstücke hatte sie zu einer Unterlage verbunden.
"Keine Ursache. Du kannst ja nicht unbekleidet unter deinesgleichen treten."
"Nein, das meine ich nicht. Also auch, ja, aber..." Er sah hinunter und hörte, wie sie tief ein und ausatmete. "Danke für die Rettung. Ich hätte nicht versuchen sollen zu fliehen." Sie rieb über den Ring.
"Du wolltest also nicht fort? Dabei hättest du dich um ein Haar in den Nebeln verlaufen, Kleine."
"Nebel? Was meinst du? Es war doch nur zu kalt."
Er brummte. "Rajus Nebel. Der Ort, an den jene gehen, deren Körper zerstört sind. Du hast also tatsächlich noch nie davon gehört?"
"Nein." Sie schüttelte den Kopf. "Die Reiter sagen nach dem Tod ist es zuende. Es gibt nichts mehr."
"Dann erzähl ihnen von den Nebeln, die man fünf Tage durchschreitet. Am fünften Tag gelangt man in eine andere Welt. In dieser Welt finden sich alle Seelen zusammen." Er sah sie tadelnd an. "Wenn jedoch eine Seele einen intakten Körper verlässt so wird sie ewig in den Nebeln wandeln. Solange, bis der Körper zerstört wird."Lyn lachte gelöst. "Das ist eine schöne Vorstellung, Khan. Besser, als einfach zu sagen, danach gibt es nichts mehr. Aber ich will nicht zu meinesgleichen. Ich sagte doch, dass sie mich alle hassen."
"Wenn du nicht zurückwillst dann bleibst du also?"
Lyn nickte, klammerte sich an den Ring. "Es werden bestimmt noch ein paar schöne Jahre. Ich kann deine Höhle sauber halten. Und wenn du mich in eine entlegene Gegend bringst, dann kann ich auch jagen. Ich mache meinen Teil und du deinen."Khan sah wieder in die Ferne. "Du willst alles aufgeben? Deinem Volk den Rücken kehren?"
"Ja. Das tust du doch auch."
"Wie kommst du darauf?"
Er sah wieder zu ihr, als sie begann leise zu lachen. "Naja, du lebst allein. Andere wilde Drachen leben in Gruppen. Ich nahm das einfach an." Das Lachen verstummte. "Verzeih bitte, falls ich dich beleidigt habe."Er schwieg, dann schüttelte er den Kopf. "Nein, es stimmt. Ich bin allein, aber aus anderen Gründen." Ein hohes Brüllen wurde vom Wind zu ihm getragen. Ein Laut, entfernt doch kräftig genug um gehört zu werden.
"Ich muss fort, Lyn. Versuch nicht wieder zu gehen. Aus den Nebeln kommt man nur in eine Richtung heraus."
"Versprochen. Guten Flug, Khan." Sie trat zurück und er stürzte sich in die Tiefe.
Kurz genoss er das Rauschen des Windes, dann breitete er die Flügel aus und stieg schnell wieder auf. Der Schwung trug ihn schnell in die Richtung, aus der das Brüllen kam.*
Er brüllte und die Gezähmten stoben auseinander. Die Flügellosen auf ihren Rücken riefen Anweisungen, doch die Formation war bereits zerstört. Sie versuchten noch, den größeren einzukreisen, doch drei der sieben kleineren Drachen waren in seine Klauen geraten. Noch fielen sie, die Knochen gebrochen, zu Boden. Der Aufschlag würde sie töten.
Wieder brüllte er und sah die Gruppe der wilden Drachen zu den Bergen im Osten fliehen.
Wütend schrien die Flügellosen weitere Befehle, doch die Drachen waren in diesem Fall merklich klüger. Sie gehorchten nicht sondern blieben auf der Stelle.Verärgert knurrte er, als ein Angreifer sich wieder gefangen hatte und zu ihm drehte. Doch er erreichte nicht ihn, sondern nur seine Klaue und wurde zu Boden geschleudert. Dem dumpfen Aufprall folgte der schmerzerfüllte Schrei des Drachen.
Khan ignorierte ihn und schlug mit dem Schwanz einen weiteren Angreifer zu Boden, der versucht hatte in von hinten anzugreifen.
Wieder knurrte er. Zwei waren noch übrig. Sie machten aber keinerlei Anstalten mehr erneut anzugreifen. Einer der Flügellosen rief zum Rückzug und sie verschwanden schnell."Khan! Held!"
Er wandte sich um. Ein roter Drache kam mit schnellen Schlägen zu ihm. Das Weibchen war kleiner als er aber kämpferisch. Es war ihr Ruf gewesen, der ihn geführt hatte.
"Leena." Er nickte zur Begrüßung. "Du sollst doch verschwinden, sobald ich komme."
"Ich konnte nicht. Ich wollte sichergehen das dir nichts passiert."
Khan schüttelte den Kopf. "Du weißt, dass mich niemand besiegen kann."
"Ja. Trotzdem kannst du verletzt werden." Sie zeigte die Zähne. "Aber wieder hast du bewiesen, dass du die richtige Wahl warst."
"Leena, bitte sprich nicht darüber." Er wandte den Blick zu Boden. Die Leichen der Drachen hatten ihre Flügellosen zerquetscht, zertrümmert.
"Entschuldige."
Auch der letzte war seinen Verletzungen erlegen.
"Schon gut. Könntest du mir kurz helfen?"Er ließ sich zu Boden gleiten. Die Drachen stellten kein Problem dar, als er sie zur Seite schob und die Waffen der Reiter einsammelte.
"Waffen? Was willst du damit?", fragte die rote und legte den Kopf schief.
"Für jemanden. Sie soll lernen sich zu verteidigen."
"Aber mit..." Leena stockte. "Sag nicht du hast dich gebunden. Khan! Doch nicht du!"
"Beruhige dich, Leena. Ich bin nicht gebunden oder gezähmt. Ich habe nur eine Flügellose als Gast."
Sie schüttelte den Kopf. "Eine Flügellose? Als Gast? So etwas gerade von dir zu hören. Unglaublich." Sie sah ihn an. Die goldenen Augen verrieten Interesse. "Was ist denn so besonders an ihr?"Misstrauisch sah er sich um. Niemand außer ihnen war im Umkreis von zehn Flugstunden eines Jungdrachen zu sehen. "Sie ist vielleicht das Drachenblut.", flüsterte er und nahm zwei Schwerter und einen Bogen in die Klaue. Keine der Klingen konnte ihn verletzen, aber die Flügellosen hatten derartige Waffen. Klingen und Pfeilspitzen, die ohne Mühe durch die Schuppen der Drachen drangen, sie schwer verletzten und töteten.
"Das..." Leena zog den Kopf ein und senkte die Stimme. "Das Drachenblut? Der legendäre Krieger? Das ist unglaublich. Vielleicht gibt es noch Hoffnung für unser Volk."
Khan winkte ab. "Sie wurde von den Flügellosen schlecht behandelt und widersteht Feuer. Das sind noch lange keine sicheren Anzeichen. Außerdem will sie sich von ihnen fernhalten."
"Aber wenn sie es ist! Wir könnten endlich Widerstand leisten. Die wilden Drachen würden sich hinter ihr vereinen, egal was zwischen ihnen stand. Wir wären frei und könnten die gebundenen Drachen befreien."Er schüttelte den Kopf. Natürlich stimmte das, was sie sagte, aber was er über Lyn wusste war kein Beweis, dass sie DAS Drachenblut war. Er wollte ihr auch nicht zumuten in eine Rolle zu fallen, die sie nicht erfüllen konnte. Dafür war es noch zu früh. "Noch nicht.", bat er. "Erzähle noch niemandem von ihr. Ich möchte erst wissen, ob es stimmt. Wenn ich mir sicher bin, kannst du anfangen deine Revolution zu planen, Leena. Aber sie muss noch vieles lernen."
Die Rote nickte. "In Ordnung, Khan. Ich schweige. Aber versprich mir, dass du ihr die Wahrheit über die Reiter erzählst." Ein kurzer Schleier der Trauer lag in ihrem Blick. Er versprach es.Leena hob wieder ab und folgte dem Wind nach Osten. Auch Khan breitete die gewaltigen Schwingen aus und stieß sich vom Boden ab. Sein Weg führte geradewegs in die Wüste.
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Keeper
FantasyIn einer Welt, in der Drachen über den Himmel ziehen wie Vögel, war es immer Lyns Wunsch einmal mit ihnen zu fliegen. Dass die Idylle jedoch nur Illusion ist, wäre ihr nie in den Sinn gekommen. In einer Welt, in der Drachen über den Himmel ziehen wi...