Auf der Lichtung hinter diesen Bäumen wartete bereits Leena.
"Ein merkwürdiger Wald.", bemerkte sie, als Khan ihr von den Begegnungen erzählt hatte, doch weiter fragte sie nicht. Sofort brachen sie wieder auf.Bis zum Abend flogen sie an der Grenze zur Wüste nach Westen. Ihr Ziel war der Wellen-Teragon, den sie im westlichen Meer finden würden.
Khan war beinahe froh, dass Lyn keine Karte Aqanas besaß oder kannte. Die umständliche Reise zu den Wächtern würde sie sicherlich verwirren.Die Sonne versank bereits in ihren Rücken, weit hinter dem Wald, als sie rasteten.
"Die Götterdrachen..." Er legte den Kopf auf die Klauen und sah in den Himmel. Lyn lehnte sich an ihn und er spürte ihre Wärme unter seiner eigenen.
"Die Götterdrachen lassen sich unterteilen. Schöpfer und Götter - und Wächter natürlich. Alles begann mit den Schöpferdrachen. Feuer und Eis verkörperten sie zum Anbeginn der Zeit. Und wie Feuer und Eis reagierten sie aufeinander. Aus ihren Kämpfen entstanden das Meer und das Land.
Doch irgendwann beruhigten sie sich und verschwanden. Zurück blieb unsere Welt, wie groß sie auch sein mag."
"Ja, soweit kenne ich die Geschichte auch. Die Reiter tun sie als Irrsinn ab."
Khan brummte ungehalten. "Erstaunlich, wo doch diese Geschichte mehr Wahrheit enthält als jede der ihren. Aber ich schweife ab.
Die Schöpferdrachen verließen die Welt und das Land und das Meer blieben. Doch das Feuer und das Eis hatten mehr hervorgebracht. In den Tiefen der Meere und den höchsten Bergen und tiefsten Tälern war die Energie des Lebens gebündelt. So entstanden die ersten Lebewesen.
Und aus einer großen Menge der Lebensenergie, so gewaltig, dass sie seinem Land den Tod brachte, erwuchs Mortagh, der Erste Drache.
Er erwachte inmitten dieser Wüste und der einsame Berg soll diesen Punkt markieren..."
"Das muss ein gigantischer Drache gewesen sein...", murmelte Lyn und er bemerkte, wie sich in ihren Gedanken aus dem einzelnen Berg ein Drache formte.
"Das war er. Aber er war auch einsam. So fand er im Meer einen zweiten wie ihn und doch anders. Aus ihrer Verbindung entstanden zwei weitere Wesen, die mit ihm am Land lebten, als er zurückkehrte. Er nannte sie Raju und Adea, die Schwestern.
Obwohl sie aus der gleichen Verbindung entstanden waren, entwickelten sie sich vollkommen unterschiedlich. Adea erforschte die Welt, Land und Meer, während Raju lernte zu kämpfen und mit ihrer Stärke aus dem felsigen Land die Ebenen im Westen und die Wälder im Osten ebnete. Aus den vielen Bruchstücken bildeten sich die kleinen Inseln um die Küsten.
Einzig die Berge im Norden beließ sie, denn obwohl die drei die Einzigen am Land waren, brauchten sie eine Zuflucht für ihre Jungen."
"Junge?" Er sah wie sie sich überrascht aufsetzte. Leicht nickte er.
"Natürlich. Dachtest du, die Drachen seien alle aus Sand entstanden? Ihre Jungen, das waren die flügellosen Drachen, die einst dieses Land bevölkerten. Klingendrachen und Kraftdrachen. Die Drakar. Sie waren klug, wie auch wir und lebten friedlich miteinander. Die kleineren, die Zweibeiner, waren Jäger. Sie erlegten verschiedene Tiere, die ebenfalls hier lebten. Die großen gaben sich mit Wurzeln und Gras zufrieden. Das Meer aber blieb ihnen fremd. Dort entstanden die Wasserdrachen. Meerschlangen dem Aussehen nach wie die Schöpferdrachen, jedoch blieben ihnen deren Flügel verwehrt."
"Die Drakar leben also jetzt im Wald? Und dieses Zeichen auf meinem Rücken zeigt einen Schöpferdrachen?"
Khan nickte, dann fuhr er fort: "Doch die Idylle hielt nicht ewig und wo das Leben blüht folgt unweigerlich der Tod. Eines Tages erschien etwas, das wir als 'Herrschaft des Schattenkönigs' bezeichnen. Es legte sich als Schatten über das Land und bedrohte das Leben.
Mortagh, Adea und Raju wollten dagegen kämpfen, doch es verzehrte ihre Energie. Es schien, als wäre das Ende für sie gekommen als die Finsternis sich über die Ebenen ausbreitete und die Drachen wie Tiere vor sich hertrieb. Denn wo Licht ist, da fallen auch Schatten."
"Aber das ist es nicht. Also, nicht so. Oder? Licht kann die Finsternis auch vertreiben."
Amüsiert brummte er. "Nein, es war nicht das Ende dieses Landes. Als alles verloren schien erschienen die Wasserdrachen aus dem Meer und wir, die Flugdrachen, kamen aus dem Himmel. Angeführt wurde der Zusammenschluss von einem Drachenblut - aber sonst weiß niemand mehr über diese Zeit.
Weniges ist nur noch überliefert. Gerade über das Ende. Das Drachenblut starb und viele der Wasserdrachen. Wenige hundert verschwanden wieder in der Gischt, während ihr Blut das Meer blau färbte. Außerdem wurden Adea und Raju schwer verletzt. Ihr Ende war absehbar.
Mortagh weinte um sie und die Tränen des Ersten raubten der Wüste jegliche verbliebene Lebenskraft. Dabei betete er zu den Schöpferdrachen - und sie erhörten ihn.
Sie erschienen und segneten die Sterbenden. Raju ernannten sie zur Herrin der Toten und teilten ihre Stärke mit den Drachen. Adea wurde zur Herrin des Lebens und auch ihr Wissen teilten sie. Und Mortagh, der dieses Land beschützt hatte, sollte es auch weiterhin tun. Sie gaben ihm die reine Magie und er wurde ein Teil des Landes.
Die Zeit der Riesen nannte man es später, denn nicht nur die Ersten waren gewaltig sondern auch alle anderen Drachen.
Nun, Mortagh wusstes chon, dass er diese Aufgabe nicht allein erfüllen konnte. Es waren vier Arten, die gegen den Schattenkönig gekämpft hatten und so wurden auch vier Wächter erwählt. Der Wald, die Berge, das Meer und der Himmel."
"Erde, Feuer, Wasser, Luft.", folgerte Lyn und er nickte.
"Ja. Doch einzig der Älteste, der Wächter des Himmels, kann sein Amt weitergeben. Außerdem wurde die Magie des Drachenblutes Teil der Welt, denn dieses Wesen hatte die Drachen vereint und die Schöpfer damit beeindruckt.""Kamen die Schöpferdrachen je wieder?"
"Nein. Es gibt kein Gebet mehr, dass sie erreichen kann."
"Und Adea und Raju? Wohin sind sie?"
"Nun, dazu gibt es zwar eine Geschichte, aber dafür wird es jetzt zu spät. Jetzt wird geschlafen. Nicht das ich viel brauche, aber der Wellen-Teragon ist noch ein gutes Stück entfernt."
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Keeper
FantasyIn einer Welt, in der Drachen über den Himmel ziehen wie Vögel, war es immer Lyns Wunsch einmal mit ihnen zu fliegen. Dass die Idylle jedoch nur Illusion ist, wäre ihr nie in den Sinn gekommen. In einer Welt, in der Drachen über den Himmel ziehen wi...